Parlamentswahl in Kanada: Kanadas liberaler Regierungschef Carney erklärt sich zum Sieger

Die Liberale Partei von Premierminister Mark Carney hat die Parlamentswahl in Kanada gewonnen. Seine Regierungspartei kam nach offiziellen Ergebnissen am frühen Morgen (Ortszeit) nach Auszählung von rund 95 Prozent der Wahllokale auf 43,2 Prozent der Stimmen, die Konservativen auf 41,7 Prozent. Die Liberalen erhalten demnach voraussichtlich 166 Sitze im Parlament – und bleiben damit knapp unter der absoluten Mehrheit von 172.

Herausforderer Pierre Poilievre, Parteichef der Konservativen, gestand seine Niederlage ein und gratulierte Carney zum Wahlsieg. Die Konservative Partei werde ihren „Job machen und die Regierung zur Verantwortung ziehen“, sagte er in einer Rede in der Hauptstadt Ottawa. 

Carney sagte in seiner Siegesrede: „Lasst uns der Spaltung und dem Ärger der Vergangenheit ein Ende setzen. Wir sind alle Kanadier, und meine Regierung wird für und mit allen arbeiten.“ Gemeinsam werde man ein Kanada aufbauen, das seiner Werte würdig sei. „Kanada stark, Kanada frei, Kanada für immer.“

Es ist die vierte kanadische Parlamentswahl in
Folge, die die Liberalen für sich entscheiden konnten, was in der
Geschichte des Landes sehr ungewöhnlich ist. 

Konservative führten – doch dann kam Trump

Rund 29 Millionen Menschen waren im nördlichen Nachbarstaat
der USA und flächenmäßig zweitgrößten Land der Erde
zur Wahl aufgerufen. Der
liberale Wirtschaftsexperte Carney hatte die Posten des
Parteivorsitzenden und Premierministers erst vor wenigen Wochen nach
parteiinterner Abstimmung von Justin Trudeau übernommen
, der Anfang des
Jahres angesichts sinkender Beliebtheit nach rund zehn Jahren im Amt
seinen Rückzug angekündigt hatte. Carney wurde erstmals auch ins
Parlament gewählt.

Die Parlamentswahl stand
unter dem Druck aggressiver Zollpolitik und Annexionsdrohungen von
US-Präsident Donald Trump. Noch am Wahltag hatte Trump die Kanadier
und Kanadierinnen erneut aufgefordert, einer Eingliederung in die USA zuzustimmen. Die
Einmischung Trumps brachte einen Meinungsumschwung: Lange lagen die oppositionellen Konservativen in Umfragen
scheinbar uneinholbar vorn, doch im Widerstand gegen Trump versammelten sich die Kanadierinnen und Kanadier zu einem großen Teil hinter
Carney. 

Erfahrener Krisenmanager gegen „Canada First“-Kandidat

Der
60-Jährige bringt nationale und internationale Krisenerfahrung mit.
Während der Finanzkrise leitete der aus Alberta stammende Politiker ab
2008 die kanadische Zentralbank. Zwischen 2013 und 2020 war Carney
während der turbulenten Brexit-Phase Zentralbankchef in Großbritannien,
anschließend bis Januar dieses Jahres UN-Sondergesandter für
Klimaschutz. Er plädiert für eine engere Zusammenarbeit mit Europa und
Asien, um die Handelsabhängigkeit von den USA zu verringern. Umfragen
zufolge trauen die meisten Kanadier und Kanadierinnen Carney am ehesten zu, sich Trump entgegenzusetzen.

Der politische Stil des
konservativen Spitzenkandidaten Poilievre trägt dagegen klare
Trump-Anleihen. So sprach der 45-Jährige, der für niedrige Steuern und
Kürzungen bei Staatsausgaben steht, ebenfalls von Fake-News, einer „woken
Ideologie linksradikaler Kräfte“ und versprach, Kanada immer an erste
Stelle setzen zu wollen – „Canada First“. Das kam auch lange gut an. 

Wahl auch unter dem Eindruck von tödlicher Autofahrt in Vancouver

Weitere
zentrale Wahlkampfthemen waren der starke Anstieg der
Lebenshaltungskosten, steigende Mieten, der Zugang zu bezahlbarem
Wohneigentum sowie Gesundheitsfürsorge und Migration.

Die
Wahl fand zudem auch unter dem Eindruck eines tragischen Vorfalls in
der Westküstenmetropole Vancouver
am Wochenende statt: Bei einem
Straßenfest der philippinischen Gemeinde fuhr ein Mann mit einem Auto in
eine Menschenmenge und tötete mindestens elf Menschen. Ein verdächtiger
30-Jähriger wurde festgenommen. Die Polizei geht davon aus, dass
es sich nicht um einen Terrorakt handelt.