Ørsted stoppt großen Nordsee-Windpark

Es ist der nächste Rückschlag für die Windkraftbranche: Ørsted, der weltgrößte Entwickler von Offshore-Windparks, hat die Arbeiten an seinem Projekt Hornsea 4 in der Nordsee vor Großbritannien gestoppt und nennt als Gründe „ungünstige makroökonomische Entwicklungen“, Lieferkettenprobleme und Kosten. Das riesige Feld im Meer vor der Küste von Yorkshire mit bis zu 180 Windrädern hätte vor 2030 fertiggestellt werden sollen und mit 2,4 Gigawatt Kapazität elektrischen Strom für mehr als eine Million Haushalte produzieren, so die Planung. Doch das dänische Windenergieunternehmen teilte nun mit, dass die Rechnung nicht mehr aufgehe.

„Ungünstige makroökonomische Entwicklungen, anhaltende Herausforderungen in der Lieferkette und erhöhte Ausführungs-, Markt- und Betriebsrisiken haben die Wertschöpfung untergraben“, sagte der neue Ørsted-Vorstandsvorsitzende Rasmus Errboe, der im Februar den glücklosen Vorstandschef Mads Nipper abgelöst hat. Final abgesagt ist Hornsea 4 noch nicht. Errboe fügte hinzu, dass Ørsted die Lizenz für die Entwicklungsrechte an dem Meeresfeld behalten und gegebenenfalls später das Projekt weiterentwickeln werde, wenn es mehr Wert für die Aktionäre bringen könnte. Für den Abbruch der Arbeiten wird Ørsted eine Wertberichtigung von 3,5 bis 4,5 Milliarden Kronen (460 bis 600 Millionen Euro) verbuchen. Die Aktie reagierte leicht negativ auf die Nachrichten.

Der Stopp von Hornsea 4 steht in einer Reihe von abgesagten großen Windprojekten, unter anderem in den USA vor der Küste von New Jersey, die Ørsted in den letzten Jahren mehrere Milliarden Verluste beschert haben. Der Aktienkurs des Unternehmens ist seit Jahresbeginn um gut 20 Prozent gefallen. Seit dem Rekordwert im Jahr 2021 hat das Windenergieunternehmen fast 80 Prozent seines Börsenwerts eingebüßt. In den USA hat Präsident Donald Trump ein Moratorium gegen neue Windprojekte entlang der amerikanischen Küsten verhängt und dies mit ökonomischen und ökologischen Fragen begründet. Auch dies belastet die Branche der Offshore-Windentwickler. RWE -Vorstandschef Markus Krebber hatte vor wenigen Tagen mitgeteilt, die Offshore-Aktivitäten des Konzerns in dem Land vorerst zu stoppen.

Auch Equinor, der norwegische Energieriese, hat seine Pläne zum Ausbau der Windkraft in erheblichem Maße gekürzt und dies vor allem mit den gestiegenen Kosten begründet. Der Staatskonzern kündigte im April an, die Arbeit am Empire-Wind-I-Projekt vor Long Island im Bundesstaat New York auf Anordnung des US Bureau of Ocean Energy Management (BOEM) zu suspendieren. Auch einige Projekte von Ørsted in den USA sind deutlich verspätet, dies hat dreistellige Millionenverluste gebracht.

Windräder schatten sich gegenseitig den Wind ab

Greenpeace UK nannte den Abbruch der Arbeiten an Hornsea 4 „tragisch“. Das Feld mit Windrädern sollte 69 Kilometer vor der Küste der ostenglischen Grafschaft Yorkshire entstehen, in Nachbarschaft der schon existierenden Windparks Hornsea 1 und 2 und dem gerade gebauten Hornsea 3. Mit dem angekündigten Stopp des Projekts Hornsea 4 setzt Ørsted die britische Regierung unter Druck, die garantierten Einspeisevergütungspreise für Windstrom zu erhöhen. Ørsted betreibt aktuell zwölf Windparks in britischen Gewässern, die sechs Millionen Haushalte mit Strom versorgen.

Großbritannien besitzt Europas größte Windkraftkapazitäten und nach China die höchste Zahl von Windrädern. Die Londoner Regierung will die installierte Kapazität von derzeit etwa 15 Gigawatt auf bis zu 50 Gigawatt im Jahr 2030 ausbauen. Einige Branchenfachleute indes verweisen darauf, dass in der Nordsee ein zunehmendes Problem namens „Wake-Effekt“ entsteht. Damit ist gemeint, dass die immer dichter stehenden Windräderfelder in der Nordsee sich gegenseitig den Wind abschatten und die Windausbeute dadurch geringer wird. Der norwegische Energiekonzern Equinor beklagte sich jüngst, dass ein neues Windpark-Projekt von Wettbewerbern dem existierenden Dudgeon-Offshore-Windpark vor der Küste von Norfolk den Wind wegnehme.

Dudgeon umfasst 67 Windräder. In etwa dreizehn Kilometern Entfernung wollen Wettbewerber wie Corio Generation, Totalenergies und Gulf Energy einen Windpark namens Outer Dowsing mit 1,5 Gigawatt Kapazität errichten. Equinor und auch Ørsted haben formelle Beschwerden eingelegt, dass dieses Projekt zu „Wake-Verlusten“ bei ihren Windparks führe. Es gehe um mehr als 360 Millionen Pfund. Schon wenige Prozent Verlust an Windhöffigkeit – also des durchschnittlichen Windaufkommens an einem Standort – können ein Projekt in die Verlustzone drücken.