OLG München: Wirecard-Aktionäre können hinauf Schadenersatz wünschen

Die Aktionäre von Wirecard können womöglich doch mit einer kleinen Entschädigung für ihre Kursverluste aus der Insolvenzmasse rechnen. Der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München (OLG) billigt ihnen einen Status als Gläubiger zu, weil sie vom Vorstand des Zahlungsabwicklers über Jahre getäuscht worden seien, wie aus dem Reuters vorliegenden Zwischenurteil hervorgeht.

Das Landgericht München I hatte das noch verneint. Die übrigen Wirecard-Gläubiger, also Banken, Anleihegläubiger oder die Arbeitsagentur, müssten sich den Kuchen, der in den nächsten Jahren zur Verteilung ansteht, demnach mit den rund 52.000 Aktionären teilen, die Schadenersatzansprüche beim Insolvenzverwalter angemeldet haben. Das letzte Wort hat aber der Bundesgerichtshof (BGH).

Insgesamt wurden im Insolvenzverfahren laut OLG Ansprüche über 15,4 Milliarden Euro angemeldet, davon kamen allein 8,5 Milliarden Euro von den Aktionären. Insolvenzverwalter Michael Jaffe hat bisher rund 650 Millionen Euro aus der Verwertung der Überreste von Wirecard eingesammelt, die am Ende des Verfahrens unter den Gläubigern verteilt werden können. Er kündigte am Dienstag an, gegen die Entscheidung des OLG vor den BGH zu ziehen, „um für die Rangfrage im Interesse aller Gläubiger eine möglichst rasche höchstrichterliche Klärung herbeizuführen“.

Noch nicht von den höchsten Gerichten geklärt

Dabei geht es um die Grundsatzfrage, ob und unter welchen Umständen Aktionäre als Miteigentümer überhaupt als Gläubiger im Insolvenzverfahren in Frage kommen können. Normalerweise kommen sie erst dann zum Zuge, wenn alle anderen Anspruchsberechtigten befriedigt sind. In der Praxis geschieht das so gut wie nie. Das Landgericht hatte das vor knapp zwei Jahren auch so gesehen. Ob sie vorher vom Unternehmen getäuscht worden seien oder nicht, sei dabei unerheblich. Die klagende Fondsgesellschaft Union Investment argumentierte aber, der Schadenersatzanspruch wegen arglistiger Täuschung bestehe auch für Aktionäre. Das OLG räumte in seinem Urteil ein, diese Rechtsfrage sei umstritten und von den höchsten Gerichten bisher nicht geklärt.

Wirecard war jahrelang an der Börse auf einer Erfolgswelle geschwommen und bis in den Leitindex Dax aufgestiegen. Im Juni 2020 brach die Firma aus Aschheim bei München zusammen, nachdem sich 1,9 Milliarden Euro, die angeblich auf Treuhand-Konten in Asien lagen, als nicht existent entpuppten. Der langjährige Vorstandschef Markus Braun und zwei weitere Manager müssen sich seit Ende 2022 unter anderem wegen Bilanzfälschung und Bandenbetrug vor Gericht verantworten. Insolvenzverwalter Jaffe und die Staatsanwaltschaft gehen davon aus, dass es das Geschäft mit Partnern in Asien, das den Großteil der ausgewiesenen Gewinne geliefert hatte, tatsächlich nie gab.

Den Prozess um die Position der Aktionäre hatte Union Investment angestrengt, die Fondsgesellschaft der Volks- und Raiffeisenbanken. Sie hatte Wirecard-Aktien in bis zu 33 Fonds gehalten. „Dies ist für alle Anleger ein sehr erfreuliches Urteil“, sagte ein Sprecher von Union Investment.