Olaf Scholz verneint dies ökonomische Prinzip schlechthin
Im beginnenden Wahlkampf zeigt sich, wie sehr das ökonomische Denken in Deutschland unter die Räder gekommen ist. Da beharrt der Bundeskanzler darauf, dass Aufrüstung und Ukrainehilfen nicht durch Einschnitte im Sozialen oder bei der Infrastruktur finanziert werden dürften.
Knapp sind vor allem Politiker mit gutem Ruf. Der wird mehr als beschädigt, wenn sie Notlagen nach Gusto ausrufen und in die Verschuldung ausweichen, um den Wählern vorzugaukeln, dass mehr Verteidigung zu haben sei, ohne an anderer Stelle zurückzustecken. Doch wann, wenn nicht jetzt in der sicherheitspolitisch höchst angespannten Lage, könnte und müsste ein Politiker dem Wähler erklären, dass er zugunsten der Verteidigung auf anderes verzichten muss? Dass es gilt: Panzer oder Kindertagesstätten? Wer das jetzt nicht schafft, der wird auch in normalen Zeiten den Mumm nicht aufbringen, der Bevölkerung etwas zuzumuten. Das ist keine gute Basis für eine solide Finanzpolitik.
Reform der Schuldengrenze
Dem Prinzip Wünsch-Dir-was droht nach der Wahl die Schuldenbremse zum Opfer zu fallen, zumindest die Schuldenbremse in der jetzigen Form. Laut ertönt von fast allen Seiten der Ruf, dass die Regel reformiert werden müsse, um mehr Investitionen auch in Verteidigung zu ermöglichen. Selbst der Kanzlerkandidat der Union, Friedrich Merz, schließt das nicht mehr aus. Doch auch Merz übersieht die einfachen ökonomischen Zusammenhänge.
In dem Maße, in dem die Politik die Selbstbindung der Schuldenbremse abstreift und sich mehr schuldenfinanzierte Investitionen genehmigt, öffnet sie Spielräume im steuerfinanzierten Teil des Staatshaushalts. Es ist eine Binsenweisheit, dass diese Spielräume für mehr Staatskonsum und Sozialausgaben genutzt würden.
Die nun wieder populäre Idee, mit goldenen Regeln zwischen Investitionen und Konsum zu unterscheiden, verhinderte schon vor Einführung der Schuldengrenze nicht, dass die Staatsverschuldung im Trend anstieg. Das wäre auch mit einer reformierten Schuldengrenze zu erwarten. Schlimmer aber noch ist, dass mit einer Reform der Schuldengrenze der staatliche Einfluss auf die Wirtschaft noch mehr wüchse, eben weil neben den Investitionen auch der Staatskonsum ausgeweitet würde. Das ist ein Wachstumshemmnis erster Güte.
Klimawende marktwirtschaftlich
Zur Hochzeit des deutschen Wirtschaftswunders, vor rund 60 Jahren, gingen in Deutschland etwa 33 Pfennig jeder erarbeiteten D-Mark durch die Hände der Politik. Heute beansprucht der Staat fast 50 Cent jedes erarbeiteten Euros. In dem Maße greift er in die Produktion und in den Konsum ein. In dem Maße lenkt er die Privatwirtschaft und konkurriert mit ihr um Kapital und Arbeitskräfte. In dem Maße lähmt der Staat unternehmerische Initiative. Die Schuldengrenze dient auch dazu, diesen schädlichen Staatseinfluss zu begrenzen. Wer neue Wachstumskräfte freisetzen möchte, der darf deshalb nicht nur wohlfeil an Deregulierung denken. Der muss auch den Einfluss des Staats durch Steuern und Ausgaben auf die Wirtschaft zurückführen.
Es ist dieser ökonomische Zusammenhang, den auch der dritte Kanzlerkandidat, Robert Habeck von den Grünen, geflissentlich übersieht. Wünsch-Dir-was gilt auch für ihn, weil er gar nicht genug Milliarden Euro in die Finger bekommen kann, um die Wirtschaft klimaenergetisch zu planen, zu lenken, zu regulieren und zu subventionieren. Dabei gelänge die Klimawende marktwirtschaftlich ganz von allein mit der moderaten Lenkung durch die CO2-Steuer.
Der Kern von Habecks Modernisierungsimpuls, mit dem er das Ampel-Aus beschleunigte, liegt in einer wohl schuldenfinanzierten Investitionsprämie von zehn Prozent für die Unternehmen. Es klingt absurd, aber der Wirtschaftsminister will noch mehr Geld in die Hand nehmen und den Einfluss des Staats ausdehnen, um Wachstum zu generieren. Manche Ökonomen preisen das als gute Angebotspolitik.
Auch das zeigt, wie sehr das ökonomische Denken unter die Räder gekommen ist. Dabei sind Steuersenkungen doch ganz einfach. Der amerikanische Präsident Ronald Reagan definierte Angebotspolitik einst auf seine spezielle Art und Weise: „Der Staat ist nicht die Lösung des Problems, der Staat ist das Problem.“ Bei einer Staatsquote von fast 50 Prozent trifft das seit Langem auch auf Deutschland zu.