Nur noch Di bis Do? Die Drei-Tage-Woche ist in Büros bereits Realität
Dienstags, mittwochs und donnerstags sind die Büros im Lloyd’s Building, dem markanten Büroturm des Architekten Richard Rogers in der Londoner City, wieder voll. Doch John Neal, dem Vorstandschef des Versicherungsmarktplatzes, genügt das nicht. „Wir müssen auch den Montag zurückbekommen“, sagte er Anfang März der „Financial Times“.
Neal würde es gerne sehen, dass die Makler und Underwriter, die in den Handelsräumen im Lloyd’s-Turm Spezialversicherungen anbieten und abschließen, wieder vier Tage in der Woche im Haus sind. Während der Hochphase der Pandemie wurde immer wieder die Frage aufgeworfen, ob der Abschluss von Versicherungen und Rückversicherungen in dem Spezialsegment tatsächlich noch von Angesicht zu Angesicht in den traditionellen „Boxen“ stattfinden müsse.
Diese Diskussion habe sich erledigt, ist Neal überzeugt. Persönliche Abschlüsse bleiben weiter wichtig. Aber längst nicht alles muss im direkten Kontakt erledigt werden. Daher arbeite Lloyd’s daran, dass markante Gebäude, bei dem Rohre, Aufzüge und Leitungen an den Außenwänden verlaufen und das seit 2011 unter Denkmalschutz steht, möglichst gut auf die hybride Arbeitswelt auszurichten.
Auch andere Vorstände drängen die Mitarbeiter, wieder öfter ins Büro zu kommen. Ob im Tech-Sektor, zum bei Beispiel Tesla, bei Finanzkonzernen wie J.P. Morgan, Morgan Stanley, Citadel oder der Gastronomie – beispielsweise Starbucks.
Doch der Arbeitsalltag der Menschen sieht heute anders aus. Denn das Muster, drei Wochentage von Dienstag bis Donnerstag ins Büro zu kommen, aber Montag und Freitag von zu Hause zu arbeiten, ist keineswegs eine Besonderheit von Lloyd’s, der Londoner City oder Großbritannien.
Daten von Freespace, einem Anbieter von Technologielösungen zur effizienten Nutzung von Büroflächen, zeigen das gleiche Muster in Deutschland, Großbritannien und den USA. In die Büros sind viele Angestellte zwar längst zurückgekehrt. Die Auslastung ist aber deutlich geringer als Anfang 2020.
In den USA und Großbritannien sind die Unterschiede zwischen den Randtagen und der Mitte der Woche besonders ausgeprägt. An Freitagen sind britische Büros im Schnitt nur zu rund 40 Prozent der Werte von Dienstag bis Donnerstag belegt, in den Vereinigten Staaten zu weniger als einem Drittel. In Deutschland ist der Unterschied etwas weniger ausgeprägt, liegt aber immer noch bei rund der Hälfte.
„Das passt mit anderen Daten zusammen, zum Beispiel den Fahrten von Berufspendlern“, sagt Pawel Adrjan, Volkswirt und Leiter des Europa-Research bei Indeed, einer Plattform für Stellenausschreibungen. Er verweist unter anderem auf Zahlen des Verkehrsbetreibers Transport for London, die montags und freitags weniger Fahrten zeigen als zur Wochenmitte.
Die Anwesenheitszeiten weisen auf Fragen der Koordination. „Schließlich will man nicht im Büro sein, wenn die Kollegen nicht da sind“, erläutert Adrjan. Im Laufe der Zeit bilden sich in den Firmen Muster heraus, die für die meisten Kollegen funktionieren.
Drei Jahre ist es her, seit in der Anfangszeit der Covid-Pandemie von einem Tag auf den anderen große Teile der arbeitenden Bevölkerung für Wochen an die heimischen Schreibtische umgezogen sind. Dort waren sie überwiegend nicht weniger effizient als im Büro. In vielen Unternehmen hat daher auch nach dem Ende der Lockdowns und der Heimarbeitspflicht eine umfassende Diskussion um die Bedeutung des Büros und seiner richtigen Nutzung begonnen.
Viele Unternehmen erlauben inzwischen eine Bandbreite von Arbeitsplatzmodellen. Der Schreibtisch zu Hause ist dabei sehr viel wichtiger geworden, wie aktuelle Daten aus Großbritannien zeigen. Während vor Covid rund zwölf Prozent der Briten ganz oder teilweise von zu Hause gearbeitet haben, sind es heute 40 Prozent – und damit nur neun Prozentpunkte weniger als in den Tagen der strengsten Lockdown-Regeln im Frühjahr 2020.
Laut Daten des Office for National Statistics, die den Zeitraum von September 2022 bis Januar 2023 umfassen, arbeiten 16 Prozent der Beschäftigten ausschließlich von zu Hause, 28 Prozent in einem hybriden Modell, das sowohl Büro- als Heimarbeitstage enthält.
Wahrnehmung von Heimarbeit seit der Pandemie deutlich verbessert
Jüngere Menschen gehen häufiger an einen fixen Arbeitsplatz ihres Arbeitgebers als ältere. In der Gruppe der 16- bis 24-Jährigen sind es fast 80 Prozent. Deutliche Unterschiede gibt es auch je nach Art der Beschäftigung, unter Berufen mit einem höheren Verwaltungs- und Management-Anteil sind die hybriden Varianten am häufigsten.
Arbeiten von zu Hause aus werde dauerhaft bleiben, ist Cevat Giray Aksoy, Ökonom bei der European Bank of Reconstruction and Development (EBRD) überzeugt. Er hat auch den Global Survey of Working Arrangements mitgegründet, eine Initiative, die Erfahrungen und Einschätzungen mit den neuen Arbeitsmodellen sammelt.
Deren Erhebungen in 27 Staaten weltweit zeigen, dass sich die Wahrnehmung von Heimarbeit seit der Pandemie deutlich verbessert hat. „Daher werden die, die von zu Hause arbeiten, heute deutlich seltener als Faulenzer und Drückeberger betrachtet, als vor der Pandemie“, folgern Aksoy und seine Kollegen in einer umfassenden Analyse. Wer die Gelegenheit bekomme, zögere daher weniger als früher, das Angebot von Arbeitstagen von zu Hause auch wahrzunehmen.
Wer einen neuen Job sucht, hat das Angebot hybrider Arbeitsplatzmodelle inzwischen oft von Anfang an im Blick. Die Plattform Indeed verzeichnet die Nutzung des Suchbegriffs „hybrid“ aktuell um 186 Prozent häufiger als vor einem Jahr, sagt Adrjan. Noch eine größere Bedeutung kommt „work from home“ und „remote“ zu.
Dass das Arbeitsmodell von einigen Unternehmen wieder infrage gestellt wird, interpretiert er vor allem als Verhandlungstaktik in einem etwas schwächeren Arbeitsmarkt. Angesichts der Stellenstreichungen bei einer Reihe großer Konzerne weltweit und der anhaltenden Sorge vor einer Rezession könnten Vorstände, die dem hybriden Arbeiten skeptisch gegenüberstehen, versuchen, die Entwicklung zurückzudrehen.
Doch das Interesse bei den Jobsuchenden bleibe sehr hoch, sagt Adrjan. „Hybride Angebote können daher ein smarter Ansatz sein, Bewerber zu locken, vor allem in Unternehmen, die Schwierigkeiten haben, Stellen zu besetzen.“
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Source: welt.de