News des Tages: Drohnen über Moskau, Wolfgang Kubick, Gebäudeenergiegesetz, Kosovo und Serbien
1. Rauch über Moskau
Als der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj kürzlich Finnland besuchte, wies er Spekulationen zurück, sein Land sei verantwortlich für den Drohnenangriff auf den Kreml Anfang Mai: »Wir greifen weder Putin noch Moskau an. Wir kämpfen auf unserem eigenen Territorium. Wir verteidigen unsere Dörfer und Städte.« Vor knapp vier Wochen war ganz in der Nähe des Arbeitszimmers des russischen Präsidenten ein Feuerball zu sehen, verursacht durch ein Flugobjekt, von dem bis heute nicht geklärt ist, wie es da hinkam. Manche vermuteten den ukrainischen Geheimdienst hinter der Aktion, andere glaubten, der Kreml selbst stecke hinter der Aktion.
In der Nacht zu Dienstag kam es erneut zu Angriffen mit unbemannten Flugobjekten in der russischen Hauptstadt. Einem hochrangigen russischen Politiker zufolge wurden drei Drohnen über Teilen des Nobel-Vororts Rubljowka abgeschossen. »Niemand wurde ernsthaft verletzt«, erklärte der Bürgermeister von Moskau, Sergej Sobjanin. Das russische Verteidigungsministerium machte die Ukraine für die Attacke verantwortlich, das Wort »Terror« fiel. Ein Berater Selenskyjs wies eine Verwicklung seines Landes zurück, zeigte sich aber erfreut über die Angriffe.
In ersten Reaktionen heiß es, der Krieg sei nun auch in Moskau angekommen. Derartige Schlussfolgerungen halte ich für überzogen. Fast scheint vergessen zu werden, dass Russland in derselben Nacht offenbar einen der schwersten Drohnenangriffe seit Monaten gegen die Ukraine durchgeführt hat. »Insgesamt wurde der Start von einer Rekordzahl an Kamikaze-Drohnen registriert: 54!«, teilte der Pressedienst der ukrainischen Luftwaffe mit.
Die Attacke galt demnach hauptsächlich Kiew. Nach Angaben der dortigen Militärverwaltung wurden über Kiew 40 Drohnen abgeschossen. Es sei bereits der 14. Angriff seit Anfang Mai, teilte Militärgouverneur Serhij Popko auf Telegram mit. Laut Bürgermeister Vitali Klitschko wurde eine 35-Jährige durch Trümmer einer herabfallenden Drohne verletzt, ein 41-Jähriger kam ums Leben. Mehrere Gebäude wurden beschädigt, es kam zu Bränden.
Wer auch immer für die Drohnenangriffe auf Moskau verantwortlich ist, eines scheint klar: Mit dem Tag, an dem Russland seine kriegerischen Handlungen einstellt, dürfte auch in Moskau Frieden herrschen.
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»Es gab einen ohrenbetäubenden Knall«: Amateuraufnahmen zeigen Explosionen und Rauchwolken über der russischen Hauptstadt, Moskaus Bürgermeister spricht von einem Drohnenangriff. Russland beschuldigt Kiew – und nennt es Terror. Sehen Sie hier das Video.
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Hochhaus in Kiew nach Attacke in Flammen, Ukraine wünscht sich Eurofighter: Nach schwerem Beschuss in der ukrainischen Hauptstadt brennt ein Wohnblock. Und: Kiew drängt auf weitere Kampfflugzeuge aus Europa.
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Nato-Übung über Deutschland – Luftwaffeninspekteur spricht von »glaubwürdiger Abschreckung«: In wenigen Tagen findet über Deutschland die größte Nato-Luftübung der Geschichte statt – mit möglichen Einschränkungen im zivilen Flugverkehr. Die Luftwaffe fordert Verständnis und preist die Manöver.
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2. Wer, wie, was, wieso, weshalb, warum?
Wegen grundsätzlicher Bedenken hatte die FDP verhindert, dass der vom Kabinett bereits beschlossene Gesetzentwurf zum Heizungstausch zum ersten Mal im Bundestag behandelt wurde. Die nächste Sitzungswoche beginnt am 12. Juni. Möglichst noch vor der Sommerpause soll das Heizungsgesetz durchs Parlament. Damit das gelingt, ringt die Ampel-Koalition um einen Kompromiss im Streit um das geplante Heizungsgesetz. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte Bereitschaft für Nachbesserungen gezeigt.
Die Grünen forderten die FDP auf, den Weg für das parlamentarische Verfahren freizumachen. Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch sagte, es komme jetzt darauf an, dass alle pragmatisch an den besten Lösungen arbeiten.
FDP-Vize Wolfgang Kubicki hat seine ganz eigene Interpretation von Pragmatismus. Der 101 Fragen umfassende Katalog der FDP-Fraktion müsse erst schriftlich beantwortet werden, dann müsse die gesamte Fraktion die Antworten bewerten. »Erst auf dieser Grundlage lässt sich seriös abschätzen, wie schnell die weiteren Verhandlungen über das Gebäudeenergiegesetz vonstattengehen können.«
Dabei ist bis heute unklar, ob es diese 101 Fragen tatsächlich überhaupt gegeben hat. Vor einer Woche zeigte sich das Wirtschaftsministerium noch unwissend, ein solcher Fragenkatalog der Liberalen sei nicht eingegangen. Auch die FDP selbst gab gegenüber der »Zeit« zu, lediglich einige Fragen gestellt zu haben, später werde man weitere hinterherschieben. Doch da hatte die PR von einem umfangreichen Konvolut längst verfangen, mit der die FDP zeigen will, dass sie die Grünen vor sich hertreibt. Die Koalition hatte bereits vor Wochen einen gemeinsamen Fragenkatalog an das Wirtschaftsministerium geschickt – dieser wurde auch am 9. Mai beantwortet. Kubicki erwarte die Vorlage einer zeitlichen Perspektive, wann die von Habeck angekündigten umfangreichen Veränderungen »seines eigenen Gesetzestextes vorgelegt werden.« Habeck versucht derweil, wieder Habeck zu werden, wie es mein Kollege Gerald Traufetter schreibt .
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3. Von wegen Frieden in Europa
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine verstellt mitunter den Blick darauf, dass es auch in anderen Regionen Europas derzeit heftige und zum Teil gewalttätige Auseinandersetzungen gibt. Des Kosovo und Serbien zum Beispiel sind solche Regionen, wo schon lange Konflikte schwelen, die es kaum in die Abendnachrichten schaffen. Am Montag hatten sich bei Protesten in Zvecan italienische und ungarische Kfor-Soldaten serbischen Demonstranten entgegengestellt, die die Stadtverwaltung stürmen wollten. Die Serben im Norden protestieren gegen den Amtsantritt neuer Bürgermeister, die aus der albanischen Volksgruppe kommen.
Die Soldaten wurden mit Steinen, Flaschen und Brandsätzen angegriffen. Die kosovarische Polizei setzte Tränengas ein. Insgesamt 30 Soldaten wurden verletzt, sie erlitten Knochenbrüche und Verbrennungen. Serbiens Präsident Aleksandar Vucic sprach von 52 verletzten Demonstranten.
Im April hatten die kosovarischen Behörden in vier mehrheitlich von Serben bewohnten Orten Kommunalwahlen abgehalten. Die Serben boykottierten die Wahlen jedoch weitgehend, sodass die albanische Minderheit trotz einer Wahlbeteiligung von insgesamt weniger als 3,5 Prozent die Kontrolle über die Gemeinderäte übernahm.
Der kosovarische Ministerpräsident Albin Kurti machte das Nachbarland Serbien für die Ausschreitungen verantwortlich. Mein Kollege Walter Mayr, als Korrespondent in Wien auch für die Balkan-Region zuständig, beobachtet die Konflikte seit Jahren, er berichtet: »Der Gewaltausbruch am Pfingstmontag war nur das vorläufige Schlusskapitel in der Chronik einer sich ankündigenden Katastrophe.«
Der jüngste Konflikt beruht auf einem denkbar banalen Grund. Die serbischen Amtsträger in den Kommunen hatten ihre Funktionen im vergangenen November aus Protest gegen die Regierung in Pristina niedergelegt, weil die damals versucht hatte, dass die Serben im Norden ihre Fahrzeuge mit kosovarischen Kennzeichen statt serbischen ausstatten.
Im gefährlichen Katz-und-Maus-Spiel um die Zukunft des Kosovo, zu dem der Hasardeur in Belgrad den Westen zwingt, drohten leider weitere Episoden, resümiert Walter.
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Lesen Sie hier die ganze Geschichte: Was hinter dem Gewaltexzess im Kosovo steckt
Was heute sonst noch wichtig ist
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KI-Elite warnt vor Ende der Menschheit: Künstliche Intelligenz birgt nach Auffassung Hunderter Experten für die Menschheit das »Risiko der Auslöschung«. Ihre Warnung besteht aus einem einzigen Satz – auch OpenAI-CEO Sam Altman hat unterzeichnet.
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Wahlsieg von Erdoğan sorgt für Wertverfall der türkischen Lira: Viele Türkinnen und Türken erhoffen sich von einer erneuten Amtszeit von Recep Tayyip Erdoğan den Aufstieg ihres Landes zu neuer Größe. Die Finanzmärkte beurteilen die Lage sehr viel nüchterner.
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Urlaub in Südeuropa bis zu 56 Prozent günstiger als in Deutschland: Der Urlaub wird teurer – doch innerhalb Europas gibt es deutliche Preisunterschiede. Wer in den Süden reist, kann günstiger übernachten und ausgehen als daheim.
Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen
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Ohne Habeck und Lindner wäre die Regierung besser dran: Die Ampelkoalition leidet unter dem destruktiven Duell der beiden führenden Männer von FDP und Grünen. Es wird Zeit für unkonventionelle Vorschläge .
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So finden Sie die richtige Sportart für Ihr Kind: Fußball für die vor Energie strotzende Tochter, Judo für den introvertierten Sohn? Für welche Kinder ist Einzelsport besser, für welche Teamsport? Sportpädagogin und Buchautorin Renate Zimmer gibt Tipps für Eltern .
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So leistungsfähig ist der neue KI-Bildgenerator in Photoshop: »Revolutionär«, »magisch«, »die Zukunft«: Adobe bewirbt ein neues Photoshop-Feature vollmundig. Was hat es mit der »generativen Füllung« auf sich? Wir haben die Funktion ausprobiert .
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»Wenn man sich einen Hund anschafft, muss man einen Plan B haben«: Passt ein Australian Shepherd in die Stadt? Was tun, wenn der einst süße Welpe an der Leine aggressiv wird? Und wohin mit dem Tier, wenn man aus dem Homeoffice ins Büro wechselt? Hundetrainer Nick Martens gibt Auskunft .
Was heute weniger wichtig ist
The Quark Side Of The Moon: Begleitet von Protesten und unter strengen Sicherheitsvorkehrungen ist Pink-Floyd-Gründer Roger Waters in Frankfurt am Main aufgetreten. Seit einem halben Jahrhundert macht der Musiker aus seinem politischen Herzen keine Mördergrube, wie mein Kollege Arno Frank schreibt, der das Konzert besucht hat. Man könnte auch sagen: Water redet seit einem halben Jahrhundert ziemlich viel Stuss. Da spielt es dann auch keine große Rolle mehr, ob er gut Gitarre spielen kann. »Wer in den letzten Tagen die Presse verfolgt hat, hat den Eindruck bekommen können, ich sei Antisemit«, sagte Waters auf der Bühne: »Das bin ich nicht. Ich bin es nicht. Ich bin es nicht«
Mini-Hohlspiegel

Aushang im Schaukasten einer Kirchengemeinde in Hamburg
Hier finden Sie den ganzen Hohlspiegel.
Cartoon des Tages

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Illustration: Klaus Stuttmann
Und heute Abend?
Könnten Sie einen Ausflug nach Hamburg planen und sich Tickets für das Elbjazz-Festival sichern, das übernächstes Wochenende stattfindet. Die Konzerte sind über das ganze Stadtzentrum verteilt, vom Großen Saal der Elbphilharmonie bis hin zum intimen Keller des Mojo Clubs. Die Hauptbühne ist aber traditionell auf dem Geländer von Blohm+Voss, dem atmosphärischen Werftgelände südlich der Elbe. Es gibt kaum ein schöneres Festival in Europa – sofern das Wetter mitspielt, was in Hamburg auch mal schiefgehen kann. Ich habe dort schon alles erlebt: stimmungsvolle Sonnenuntergänge zwischen Schiffsschrauben und Containern und stürmische Wolkengüsse, bei denen Konzerte wegen orkanartiger Böen abgebrochen werden mussten. Aktuell sieht es im Norden aber ganz stabil aus.
Das Line-up in diesem Jahr klingt jedenfalls vielversprechend. Von Jose James über Michael Wollny bis hin zur wunderbaren Sängerin Cécile McLorin Salvant, die ihr neues Album »Mélusine« in Hamburg vorstellt. Um sich einzustimmen, könnten Sie ja schon mal reinhören in den ersten Song der neuen Platte »Est-ce ainsi que les hommes vivent« .
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Einen schönen Abend. Herzlich
Ihr Janko Tietz, Ressortleiter Deutschland/Panorama