New York denn Blaupause für jedes Berlin? Der große Miet-Irrtum jener Linken
Zhoran Mamdani hat den New Yorkern im Wahlkampf einen „Mietenstopp“ versprochen – und begeistert damit Regulierungsbefürworter in Deutschland. Die übersehen jedoch, dass der künftige Bürgemeister auch andere Pläne hat. Besonders in Berlin sollte man die richtigen Schlüsse aus der Wahl ziehen.
„Diese Stadt gehört euch!“, rief Zhoran Mamdani am Dienstagabend seinen Unterstützern zu, die in Brooklyn zusammengekommen waren, um dessen Sieg bei der Bürgermeisterwahl von New York zu feiern. Wie er es geschafft hat, mehr als 50 Prozent der Stimmen zu bekommen – dazu gibt es viele Erklärungen, von Enttäuschung oder Entsetzen über Donald Trump, über smarte Social-Media-Kampagnen bis zu einem engagierten Häuserwahlkampf seiner Mitstreiter.
Ein Aspekt stand für Mamdani stets im Vordergrund. Er ließ ihn bei seinem Siegesruf anklingen, und deutsche Politiker und Amtsinhaber sollten dringend einen genaueren Blick darauf werfen, wenn sie im kommenden Jahr verhindern wollen, dass antidemokratische oder antimarktwirtschaftliche Parteien wie AfD oder Linke ihre Stadtparlamente übernehmen: Mamdani gewann mit dem Versprechen einer bezahlbaren Stadt für alle.
Angemessene Mietenregulierung
Dagegen ist nichts einzuwenden. In jeder Metropole benötigen Normal- und auch Geringverdiener bezahlbare Wohnungen und Lebensmittel. Gerade im öffentlichen Dienst, in Gesundheit und Pflege, bei Polizei, an Schulen und Feuerwehren oder auch im Handwerk und im Einzelhandel arbeiten Menschen, die keinen finanziellen Spielraum oberhalb von Mietspiegelpreisen haben.
Der Marktzugang für möglichst viele Einkommensschichten zum Mietwohnungsmarkt ist somit auch im Interesse der Gutverdiener. Eine angemessene Regulierung von Wohnungsmieten ist deshalb richtig.
Mamdani bringt nun als wesentlichen Hebel für die Bezahlbarkeit einen Mietenstopp („rent freeze“) ins Spiel. Die Reaktionen bei der betreffenden politischen Klientel in Deutschland ließ nicht lange auf sich warten.
Nächstes Jahr im September sind Abgeordnetenhauswahlen in Berlin. Und auch wenn bei genauerem Hinsehen nur wenig Vergleichbares zwischen beiden Städten zu finden ist: Die politische Erfolgsformel aus New York würden manche gerne auch in Berlin anwenden, gewissermaßen den Schwung mitnehmen.
In der Linkspartei, die bei der Bundestagswahl mit 19,9 Prozent den höchsten Stimmenanteil in Berlin bekam und auch in aktuellen Umfragen nur knapp hinter der CDU liegt, herrscht Frohlocken: „Sein Wahlkampf ist wie eine Blaupause für die Wahlen nächstes Jahr in Berlin“, sagte Parteichef Jan van Aken. „Der Sieg von Zohran Mamdani gibt uns Rückenwind.“
Bewusst missverstanden
Spitzenkandidatin und damit Anwärterin auf das Amt des Regierenden Bürgermeisters ist die 44-jährige Abgeordnete Elif Eral. Auf einem Landesparteitag am 15. November soll sie bestätigt werden. Auch sie glaubt Parallelen zwischen den Städten zu sehen: „Wenn ein Linker in New York gewinnen kann, dann genauso gut in Berlin.“
Ob absichtlich oder aus Versehen: Van Aken und Eral übersehen, dass Mamdani auch andere Pläne für den Wohnungsmarkt hat und dass New York selbst nach einem zeitlich begrenzten Mietenstopp immer noch liberaler wäre als es der Berliner Markt bereits heute ist.
Zunächst kann ein „rent freeze“ in New York nur für jene Wohnungen eingeführt werden, die bereits preisgebunden sind („rent-stabilized apartments“). Das sind geschätzt etwa 40 Prozent des Marktes. Vergleichbar sind diese Apartments mit deutschen Sozialwohnungen, die bereits eigene Preisobergrenzen haben. In Berlin gab es außerdem bereits ein zweijähriges Mietenmoratorium für die 370.000 Wohnungen der landeseigenen Wohnungsunternehmen, auch die nicht preisgebundenen.
Zusätzlich aber gilt in Berlin und anderen deutschen Städten auch die Kappungsgrenze für laufende Verträge und die Mietpreisbremse für Neuverträge (es sei denn sie fallen unter bestimmte Ausnahmetatbestände). Beide Instrumente würde die Linke gerne verschärfen und damit weit über das hinausgehen, was der als links geltende künftigen New Yorker Bürgermeister vorhat.
Der hat auch noch ganz andere Ideen: „Wir werden in den nächsten zehn Jahren 200.000 neue dauerhaft bezahlbare und preisgebundene Wohnungen bauen“, versprach er im Wahlkampf. Spätestens hier dürfte Mamdani seine Vorbildfunktion für die Linke verloren haben. Neubaupläne in vergleichbarer Größenordnung, die helfen würden, die Angebotsknappheit in Berlin zu beseitigen, sind jedenfalls nicht in Sicht.
Stattdessen diskutiert man in der Hauptstadt über milliardenschwere Programme für Neuanpflanzungen von Stadtbäumen, stellen die Naturschutzbehörden bei Neubauprojekten das Interesse von Reptilien über das von Wohnungssuchenden, verheddern sich Bau- und Verkehrsbehörden in Grundsatzdiskussionen. Eine nicht funktionierende Verwaltung und fehlender Wille zum Neubau treiben enttäuschte und auch junge Wähler erwartbar zu den Randparteien.
In New York liegt die Durchschnittsmiete laut Marktportalen bei 4000 Dollar für Ein-Zimmer-Wohnungen. In Berlin dagegen liegt die durchschnittliche Angebotsmiete zurzeit bei 13 Euro pro Quadratmeter. Für viele Haushalte in Berlin ist sogar ein solches Preisniveau unerreichbar.
Eine funktionierende Regulierung etwa beim Thema Wuchermiete oder bei der Mietpreisbremse ist deshalb angemessen. Selbst der Chef des Wohnungskonzerns Vonovia, Rolf Buch, hält eine ausgewogene Mietpreisbremse für richtig.
Entscheidend sind aber eine funktionierende Verwaltung und mehr Neubau. Wer verhindern will, dass Randparteien die stärkste Kraft bei den anstehenden Wahlen werden, sollte die richtigen Schlüsse aus der Mamdani-Wahl ziehen.
Dieser Artikel wurde für das Wirtschaftskompetenzzentrum von WELT und Business Insider erstellt.
Michael Fabricius beschäftigt sich mit Immobilienthemen und schreibt für WELT über alles, was Eigentümer, Mieter und Investoren betrifft. Gemeinsam mit Michael Höfling ist er für den Immobilien-Newsletter „Frage der Lage“ verantwortlich. Sie können ihn hier abonnieren.
Source: welt.de