Netflix-Serie „Fubar“: Wenn es trotzdem kracht
Arnold Schwarzenegger ist bei Netflix gelandet, in „Fubar“ spielt er einen alternden CIA-Agenten. Dämlicher dürfte das TV-Jahr nicht mehr werden, und das ist doch schön.
Wenn es trotzdem kracht – Seite 1
Die Netflix-Serie Fubar
handelt von allem, was sich kurz und klein schlagen lässt, sie hat aber
auch eine große Botschaft: Als Vater ist man immer der Gearschte. Luke Brunner
zum Beispiel hat seinem Nachwuchs eine Kindheit voller Geigenunterricht und selbst
gebackenem Kuchen ermöglicht, einem Ziehsohn sogar das Studium an einer
europäischen Bonzenuni. Die Frau hat sich trotzdem scheiden lassen und den
Kindern sind im Erwachsenenalter auch nur typische Kinderdinge eingefallen:
Start-up-Träume in der Hoffnung auf elterliche Investments (der Sohn), illegale
Boxkämpfe mit schlechtem Ausgang für den Geigenarm (die Tochter), die Gründung
einer Terrororganisation im südamerikanischen Regenwald (der Ziehsohn). Was man
halt so mitmacht als Erziehungsberechtigter.
Am Anfang von Fubar
steht Brunner kurz vor der Pensionierung. Arnold Schwarzenegger hingegen
kehrt für seine erste Serienhauptrolle aus dem Teilzeitruhestand zurück. Er
spielt Brunner als gearschtes Familienoberhaupt und Opa im kleinkarierten
Freizeithemd, als menschlichen Boomer-Bausatz, den schon der Nachname, den alle
immerzu Brooner aussprechen, zu verraten scheint. Eher zufällig
funktioniert seine Aufregung über fluchende Töchter und sensible Schwiegersöhne
aber auch als Tarnung. Seit Jahrzehnten ist Brunner CIA-Agent und in dieser
Funktion unter anderem dafür verantwortlich, dass sein terroristisch
veranlagter Ziehsohn Boro (Gabriel Luna) überhaupt zum Waisenkind wurde. Der
eigenen Familie verschweigt er seinen wahren Beruf. Sie hält Brunner für einen
Geschäftsmann, der Fitnessgeräte verkauft.
Netter Witz also: Der
Fake-Job des Agenten verweist in Fubar auf einen alternativen Lebensweg
für dessen Darsteller, wenn es nicht geklappt hätte mit Bodybuilding, Mister
Universum und Hollywood. Es hat aber geklappt, weshalb Schwarzenegger zu Conan
wurde und zum Terminator, zu Mr. Freeze, dem Gouverneur von Kalifornien und
dann wieder zum Schauspieler, der niemals nur einen CIA-Agenten spielt, sondern
immer all seine Actionrollen zusammen und obendrein sich selbst. Jeder Spruch
verweist in Fubar doppeldeutig auf Leben und Werk Schwarzeneggers.
Wie gerade erst Sylvester Stallone in der Mafiaserie Tulsa King schwingt
auch er sich zu einem möglichen letzten Rodeo auf, das zugleich die Geschichte
eines letzten Rodeos erzählt.
Nicht nur Brunner ist
nämlich heimlicher CIA-Agent, sondern auch seine boxerisch veranlagte Tochter
Emma (Monica Barbaro). Der Geheimdienst hat sie als Söldnerin in Boros Miliz
untergebracht, befürchtet nun jedoch die Enttarnung der Spionin. Brunner soll
deshalb rein in den Regenwald, die Sache klären und auch noch eine
aktenkoffergroße Atombombe sicherstellen, die sein Ziehsohn gern an den
höchstbietenden Diktator verkaufen würde. Im Actionkino der Achtzigerjahre wäre
Fubar damit noch ein ganz normales Familientreffen gewesen.
Flugzeugträger wären explodiert, Schwarzenegger hätte seine Einzeiler aufgesagt
und am Ende irgendeinen russisch anmutenden Superirren beseitigt. Vielleicht
wäre auch Danny DeVito in unklarer Funktion durchs Bild gewatschelt.
Der Serienschöpfer
Nick Santora greift mit Fubar Elemente einer solchen Story auf, spielt
am Beispiel Brunners aber auch deren paradoxe Eigenarten durch. In den
Actionszenen des Projekts gibt Schwarzenegger einen Weltkriegsverhinderer, der
auf Motorhauben und Zugdächern anspruchsvolle Kampfsport- und Physikaufgaben
löst. Da geht es ab, das macht was her. Die lustig gemeinten Szenen von Fubar
kreisen hingegen um die Abgehängtheit der Figur. Brunner verachtet den Freund
seiner Tochter, weil dieser sein Auto nicht selbst reparieren kann. Der Tochter
selbst, die er jahrzehntelang belogen hat, verübelt er, dass sie ihn seit
Jahren belügt. Die Frau, die ihn verlassen hat, will er auf ein Boot locken und
dort mit seiner Mannes- und anderer Überzeugungskraft zurückgewinnen.
Hochkomplex und zugleich sehr, sehr dämlich
Wie die Serie selbst
ist also auch ihre Hauptfigur zugleich hochkomplex und sehr, sehr dämlich: der
ideale Repräsentant eines Projekts, das schon mit seiner Auftaktsequenz alles
abräumt, was im bisherigen Jahr an hirnverbranntem Überwältigungsfernsehen
versendet wurde. Brunner löst in dieser Sequenz zunächst einen Brand in
Antwerpen aus, der ihm ermöglichen soll, als Feuerwehrmann in den
Diamantendistrikt der Stadt einzurücken. Dort verabschiedet er sich in die
Kanalisation, um von unten in eine Bank einzudringen, wo er diverse
Schließfächer sprengt, was schließlich zur Erbeutung eines Sacks voller
Diamanten führt. Die Edelsteine dienen dann als Lockmittel für einen
Juwelendealer, den Brunner aber nicht festsetzt, sondern gleich erschießt,
wofür er sich mit einem der geklauten Diamanten belohnt, den er wiederum an
seine Enkelin verschenkt. Und das sind nur die ersten zwölf Serienminuten.
In einem Interview
mit dem Hollywood Reporter hat Schwarzenegger kürzlich anklingen lassen,
dass er sich ein Projekt wie Fubar und eine Figur wie Brunner für sein Netflixdebüt
gewünscht habe. Actionreich sollte die Serie sein, was geklappt hat, aber auch
witzig, was immerhin in vielen Szenen geklappt hat, die wahrscheinlich gar
nicht dafür vorgesehen waren. Auch sein Alter wollte der bald 76-Jährige auf
keinen Fall verschwiegen oder gar digital heruntergeschraubt, sondern als
wichtigen Teil der Story verhandelt wissen. Der Generationenkonflikt, den Fubar
um Brunner und dessen Nachwuchs strickt, gehört jedoch zu den schwächsten
Aspekten der Serie. Er erschöpft sich in prüden und gestrigen Tiraden des
Vaters, die man als Zuschauer ebenso gelangweilt aussitzt wie die Tochter.
Andere Drehbücher –
und Schauspieler – hätten aus dieser Konstellation vielleicht eine Geschichte
über Männer gemacht, die es ihr ganzes Leben lang nach Belieben krachen lassen
durften und nun mit dem eigenen Bedeutungsverlust hadern. Fubar und sein
Hauptdarsteller machen eine Geschichte daraus, in der es trotzdem kracht. Im
53. Berufsjahr agiert Schwarzenegger genauso flexibel wie eine Eiche, die schon
immer in der Landschaft herumstand, ist aber auch genauso prächtig anzusehen.
Seine Sprache hat sich je nach Blickwinkel als steirisch-amerikanische Neuschöpfung
verselbstständigt oder in wunderbare Unverständlichkeit aufgelöst. Seine
Brunner-Figur könnte von österreichischen, deutschen, schweizerischen,
niederländischen oder belgischen Vorfahren genauso abstammen wie direkt vom
Terminator.
Die babylonischen
Verhältnisse, die daraus entstehen können, zeigen sich gleich in der ersten Folge
von Fubar, wenn Brunner einen Gegenspieler als „Bengel“
bezeichnet. Weder die englischen Untertitel noch der Schauspieler, mit dem
Schwarzenegger interagiert, scheinen mit dem Wort etwas anfangen zu können. Beinahe kommt es zu einem Moment der unangenehmen Stille. Aber dann fliegt doch wieder ein Auto in die Luft.
Die acht Folgen von „Fubar“ sind bei Netflix verfügbar.