München: Den Schrecken zulassen
Zur Perfidie des
Terrors gehört, dass er in dem Moment, in dem er neue Bilder erzeugt, zugleich alte
wieder aufruft. Traumata brechen durch, ein zwischenzeitlich mühsam aufgebautes
Sicherheitsgefühl einer bedrohten Gruppe implodiert.
Im Falle jenes Mannes, der am
Donnerstagmorgen das Feuer auf Polizisten nahe des israelischen Generalkonsulats
in München eröffnete, muss man – auf den Tag 52 Jahre nach dem Münchner
Olympia-Attentat auf israelische Sportler und Betreuer – von
Absicht ausgehen, auch was diesen Aspekt der Psychologie betrifft. Das ist an sich grausam und grauenhaft. Es wurde noch grausamer und grauenhafter, weil
der Moment des Schusswechsels fast in Echtzeit eine größere Öffentlichkeit erreichte. Ronen Steinke, Journalist bei
der Süddeutschen Zeitung, teilte am
Donnerstag um 9.37 Uhr – also nur 25 Minuten, nachdem der Täter unschädlich gemacht worden war – mit seinen rund 40.000 Followerinnen auf der Plattform X ein Video, das mutmaßlich die Szene vor dem Konsulat
zeigte. Auf einer ansonsten menschenleeren Straße, zwischen geparkten Autos und
einem eher steril wirkenden Bürogebäude, sah man – wackelig aus der Deckung eines
Wohnungsfensters gefilmt – eine Person wegrennen. Entscheidend
aber war der Ton: Beklemmend laut hallten Schüsse durch die ansonsten totenstille
Stadtlandschaft.