Mindestlohn: 15 Euro Mindestlohn sind des Guten zu viel

Die schwarz-rote Regierung hält in ihrem Koalitionsvertrag eine Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro für möglich. Doch davon würden viele Familien mit geringem Einkommen nur wenig haben, schreibt der Ökonom Georg Cremer. Er
ist ehemaliger Generalsekretär des Deutschen Caritasverbandes und lehrt
als außerplanmäßiger Professor für Volkswirtschaftslehre an der
Universität Freiburg.

Koalitionsverträge
sind eine Literaturgattung besonderer Art. Ihre Kompromisslyrik dient dazu, auch
dort Einigung vorzutäuschen, wo es keine gibt. Das trifft auch auf die Passagen
zum Mindestlohn zu. Union und SPD beschwören, an einer „starken und
unabhängigen Mindestlohnkommission“ festhalten zu wollen, und zugleich geben
sie einen Richtwert von 15 Euro vor, der bis 2026 erreichbar sei, wenn sich die
Kommission „im Rahmen einer Gesamtabwägung sowohl an der Tarifentwicklung als
auch an 60 Prozent des Bruttomedianlohns von Vollzeitbeschäftigten“ orientiere.
Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas hat bereits angekündigt, die 15 Euro
gesetzlich vorzugeben, sollte die Kommission in ihrem Beschluss zu stark von
der Vorgabe abweichen. Bei 14,95 Euro werde „es wegen der fehlenden fünf Cent
keinen politischen Eingriff geben“. Das klingt nicht nach Respekt gegenüber der
Entscheidungsautonomie der Kommission.