Michael Wendler: Die Trennung von Wendler und Werk
Es ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit: Der als
Schlagersänger bekannt gewordene Michael Wendler (50) bekommt keine
Reality-TV-Show auf RTL 2. Immerhin hat sich „der Wendler“ in den letzten
Jahren mit einem verschwörungsideologischen Telegram-Kanal hinreichend
unmöglich gemacht. Mit zuletzt rund 94.000 Followerinnen teilte er
seine kruden Thesen, die von absurden Impf-„Theorien“ bis hin zu Holocaustverharmlosungen
reichten. Dass dieser Mensch keinen Platz mehr im deutschen linearen Fernsehen
hat? Man gibt ja auch Attila
Hildmann keine Kochsendung.
Das Problem ist nun, dass RTL 2 zunächst versucht hat,
Michael Wendler zu rehabilitieren. Erst am Dienstag verkündete der Sender die große Sensation:
Der Wendler kommt zurück – mit seiner Laura und einem Kind, das als Highlight
in einer neuen Fernsehshow geboren werden soll. Passend zum Anlass hatte Wendler
seinen Telegram-Kanal geschlossen, wobei das, wenn man die Ankündigung des
Senders wirklich ernst nimmt, gar nicht nötig gewesen wäre: Das geplante Format
sei schließlich „rein privater Natur“. Verschwörungswerk und Autor sind somit,
folgt man dem Sender, strikt zu trennen.
Dabei sind beide Sachen zumindest zeitlich eng
verbunden: Die Karriere des einstigen
Schlagerstars Michael Wendler basierte schließlich, wie häufig bei der
B-Prominenz, in den letzten Jahren weniger auf seinem Kerngeschäft als auf der Sichtbarkeit
anderer Lebensbereiche. Und dazu zählte neben der Beziehung zu der heute
22-jährigen Laura Müller (seit 2018) eben auch die Verbreitung
von Verschwörungserzählungen (seit 2020).
Die Frage ist nun, ob es nicht vollkommen egal ist, wenn ein
Unterhaltungssender in einem Unterhaltungsformat eine unterhaltsame Figur
auftreten lässt. Die neue Wendler-Show sollte von der Rainer Laux Productions
GmbH produziert werden, einem Zusammenschluss von Endemol Shine Germany (auch
bekannt für The Masked Singer, Wer wird Millionär? und Promi
Big Brother) und dem Produzenten Rainer Laux. Laux, der schon 2000
verantwortlich für die erste deutsche Big-Brother-Staffel war und außerdem Promis
unter Palmen, Daniela Katzenberger und Claudias House of Love
verantwortet, ist damit nun seit 2014 verantwortlich für „mehr Fokus“ und „kreative Entwicklungs-Expertise“ für Realityformate.
Was dort zählt, ist Quote. Oder genauer: eine Sendung, die
die Gemüter erregt, die in kleine Stücke zerlegt werden kann und die im
Internet viral geht. Und die ein möglichst großes und diverses Publikum
erreicht: Beim Wendler hätten nicht nur Schlagerfans und Anhänger seiner
Ideologie eingeschaltet, sondern auch Sensationslustige, die sowohl vom
Altersunterschied der werdenden Eltern als auch von Wendlers Weltanschauung gegruselt
und fasziniert sind.
So hat dieser Fall wieder einmal deutlich gemacht, wie wenig
manche Medienunternehmen bereit sind, gesellschaftliche Verantwortung zu
übernehmen, wenn der Preis stimmt. Irrwitzigerweise wirbt Endemol sogar damit, „soziale
Verantwortung mit echtem Engagement“ zu übernehmen: Prideflags wehen auf der
Website, Nachhaltigkeit wird gepriesen. Nach dem nun zunächst geplanten
Format wirkt das Berufen auf soziale Verantwortung doch eher wie ein
Marketinggag.
Am Ende war es schließlich die Allianz aus kritischen
Stimmen bei Social Media, redaktionellen Medien und den RTL-2-Realitystars Robert und Carmen
Geiss, deren Widerspruch dem Einlenken des Senders voranging: „RTLzwei hat sich immer von Extremismus aller Art distanziert und steht
für Weltoffenheit und Toleranz. Es ist uns wichtig, auch nur den Anschein zu
vermeiden, dass der Sender hier zu Abstrichen bereit ist“, hieß es schließlich
in einem Statement am Mittwoch.
Es lohnt sich, wütend zu werden
Dabei geht es aber eben nicht nur um Anschein: Wendlers
Ideologie als etwas abzutun, das aus einem „Wir bekommen ein Baby“-Format
gänzlich rauszuhalten wäre, ist und bleibt gefährlich in einer Zeit, in der
Antisemitismus, Rassismus und das Leugnen von naturwissenschaftlichen Erkenntnissen Konjunktur
haben. Und die gestrige Erklärung, Wendler habe dem Sender versichert, er sei
kein Extremist, ist natürlich eine Farce. Genau wie ein Statement vom Wendler
selbst: Er wolle nach allen Kontroversen, die in letzter Zeit mit seinem Namen
verbunden worden seien, nun einen Neuanfang. Als wäre er gar nicht verantwortlich.
Naiv wäre es nun anzunehmen, der Sender hätte sich doch
inhaltlich mit der Kritik am Wendler auseinandergesetzt und erkannt, dass das
Werk und der Mensch hier nicht zu trennen sind. Eher haben auch Werbepartner
einfach Imagebedenken beziehungsweise kalkuliert man mit ihnen.
Was der ganze Fall aber doch zeigt: Es lohnt sich, Unternehmen
nicht aus der Verantwortung zu entlassen und wütend zu werden. Für diese Erkenntnis
hat es sich fast gelohnt, zum hoffentlich letzten Mal etwas von Michael Wendler
zu hören.