„Mein Vater, der Esel und ich“ im Ersten: Freigeister sind seine Spezialität

Bis Virginia ist er einmal gekommen mit seiner One-Hit-Wonder-Band „The Hardys“. München war ihm zu eng, geschweige, dass er einen Blick gehabt hätte für den Hof im Oberallgäu, die Berge, die Weite. Seine Frau Lulu (Irene Kugler) hat das verstanden und vieles geliebt an ihm, dessen Heimat das Wolkenkuckucksheim war. Geliebt hat sie seine Furchtlosigkeit und seine Ideen. Er war halt ein Herzensbrecher, der Bonanza, bürgerlich Hartmut Zeller (Günther Maria Halmer). Ein Bruder Leichtfuß blieb er fürs Leben. „Hallodri ist er schon, der Hartmut. Mit dem Bonanza, da war die Welt immer leicht, ohne Angst. Gut fürs Gemüt, schlecht für’n Geldbeutel.“ Hart war auch, dass er sich gar nicht mehr hat blicken lassen, seit elf Jahren, und dass Tinka (Isabell Polak) ohne Vater aufwachsen musste, auf dem Traditionshof mit den gestickten Herrgotts-Sprüchen an den Wänden.
Älterwerden und Lebenskunst
Freilich ist Lulu dement und färbt die rücksichtslose Rockstar-Attitüde womöglich rosarot. Aber den Optimismus, den hat Hartmut immer noch zu Beginn der Familienkomödie „Mein Vater, der Esel und ich“. Er hat gerade ein Studio gebucht, fürs tausendunderste Comebackvorhaben der Band. Das Outfit (uraltes Band-T-Shirt, Silberschmuck, Stiefel in Schlangenlederoptik und abgerockte Lederjacke) stimmt. Retro ist Trend, verklickert er dem Rest der Band, darunter dem skeptischen Eisi Gulp, im Biergarten. Für ihre Musik, irgendwo zwischen Wolfgang Ambros und Spider Murphy Gang, gibt es junges Publikum. Noch immer spielt im Radio ihr Uralt-Hit. Außerdem ist er ein paar Tage jünger als Mick Jagger. Sagt er wenigstens.
Dass der gebürtige Rosenheimer Günther Maria Halmer Anfang des Jahres achtzig Jahre alt wurde, sieht man ihm an. Dass er noch immer imstande ist, die obercoole Socke und den Lebenskünstler vor dem Herrn zu geben, ist allein schon bemerkenswert. Älter werden mit Lebenskunst zu verbinden und glaubwürdig darzustellen gelingt nur wenigen.
Seit Halmer Mitte der Siebzigerjahre in Helmut Dietls „Münchner Geschichten“ den Schwabinger Lebenskünstler „Tscharlie“ gab, spielte er immer wieder die Rolle des entschlossen Sorgenfreien, mal mit mehr Tiefe, mal mit weniger. Dass er Mitte der Achtziger „Tatort“-Kommissar (Sigi Riedmüller) war, wissen nur wenige, aber in den Mediatheken kann man ihn wieder entdecken. Zuletzt glänzte er in Lars Kraumes Tragikomödie „Familienfest“ und spielte an der Seite von Hannelore Elsner in ihrem letzten Film „Lang lebe die Königin“ ihren Lebensgefährten.
Es bleibt das Geheimnis der Programmierung der ARD, warum man Ende Mai den Film „Mein Vater, der Esel und ich“ als Geburtstagsgabe ankündigt, obwohl der Geehrte bereits am 5. Januar achtzig Jahre alt wurde. Sei es drum. Die Komödie ist ansehnlich und hält glücklicherweise nicht, was die Inhaltsangabe, die man in hundert Variationen zu kennen glaubt, verspricht. Das liegt auch am klugen Drehbuch von Melanie Brügel, der gut beobachtenden Regie von Imogen Kimmel und der Bildgestaltung von Guntram Franke, die immer wieder mit witzigen Detailbeobachtungen punktet. Es liegt an Dialogen, die Schweres leichter nehmen als erwartet und Leichtes nicht einfach abtun. Es liegt daran, dass weder das Buch noch die Schauspieler unbedingt schlauer sein müssen als die Zuschauer, sondern Raum für Sympathie und Antipathie geben, ihre Figuren für emotionale Zwischentöne öffnen, ohne den Film mit der üblichen ARD-Freitagskomödien-Verzuckerung zu verkleben. Manchmal erzählen hier die Bilder mehr als Worte, beispielsweise wenn der vor einer hartnäckigen Gerichtsvollzieherin (Saskia Vester) aus München geflohene Hartmut mit seinen unpraktischen Rockstarstiefeln zum Gipfelkreuz klettert, um einmal richtig nachzudenken. Überhaupt verbindet „Mein Vater, der Esel und ich“ gedeihlich Würde mit Leichtsinn.
Ein alter Narr wird freilich nicht mehr weise, auch dieser nicht. Bei der Flucht aus München gabelt Hartmut einen Vater, Nikos (Adam Bousdoukos), und seine Tochter, die ängstliche Marie (Panka Simon), auf und nimmt sie gegen ihren Willen mit zum Hof von Lulu und Tinka, die dort mit Lulus Sohn Florian (Zethphan Smith-Gneist) leben. Der Bonanza braucht Geld, was sonst. Geld hat der Bankfilialleiter und Bürgermeisterkandidat Richard (Florian Odendahl), der „unter Freunden“ gerne gibt, aber nichts ohne Gegenleistung tut.
Es entspinnt sich ein Geschehen um die Begleichung alter emotionaler Rechnungen. Die Haltungen reichen von der Ängstlichkeit des Versicherungsmathematikers Nikos bis zur Zukunftsoffenheit Florians. Dass der Bonanza als verantwortungsloser Vater viel Leid, besonders bei seiner Tochter Tinka, verursacht hat, darum geht es auch. Zum Glück für den Film spielt der Esel, ein Tier mit Namen Franz, bloß als stummer Beichtvater des alten Hartmut eine Rolle. Nichts gegen Tiere in Komödien, aber man kann das Emblematische auch übertreiben. Hier bleibt das Eselhafte hübsch eingekoppelt. Alles endet, wo es begonnen hat, nämlich im Biergarten, und mit der Einsicht, dass Günther Maria Halmer auch als achtzigjähriger Freigeist noch eine sehr gute Figur macht.
Mein Vater, der Esel und ich läuft heute, Freitag 26. Mai, um 20.15 Uhr im Ersten.
Source: faz.net