„MaPa“: Papa muss ein Cowboy sein

Papa muss ein Cowboy sein – Seite 1

„Papaaa, bitte, noch eine Geschichte.“ – „Na gut, also, es war einmal ein sehr, sehr müder Cowboy …“ – „Nein, der Cowboy ist nicht müde!“ – „Okay, also ein sehr wacher Cowboy lebte mit seiner Tochter auf einer Ranch …“ Es wird noch viele Male hin- und hergehen in der Serie MaPa,
bevor Metin (Max Mauff) mit seiner fünfjährigen Tochter Lene (Pola Friedrichs) in
den Sonnenuntergang galoppiert. Und natürlich schläft der Vater am Ende ein
im Kinderbett, während sich seine Freundin im Nebenzimmer dafür verflucht, dass
sie eine Affäre mit einem alleinerziehenden Vater begonnen hat.

Metin muss manchmal ein Cowboy sein, der coolste
Messerwerfer des Wilden Westens, damit er seinen Alltag erträgt. In der ersten
Staffel von MaPa stand der junge Vater nach dem plötzlichen Tod seiner Freundin
(Lia von Blarer) auf einmal allein da mit der einjährigen Tochter. In der
Fortsetzung, die nun in der ARD-Mediathek läuft, ist Lene fünf und will immer
noch nicht alleine einschlafen. Metin wiederum sehnt sich danach, sein Leben zurückzuhaben
und sich vielleicht sogar mal wieder zu verlieben.

Die Serie MaPa, geschrieben von Alexander Lindh, ist
eine dieser raren Produktionen im deutschen Fernsehen, die es geschafft haben,
nicht kreativ beschnitten zu werden, und sich irgendwie durchgewuselt haben durch
die Programmierungsmaschinerie der Sendeanstalten. Dabei sei die Serie nicht leicht zu verkaufen gewesen, sagt die Produzentin Laura Bull bei einem Treffen des kreativen Teams und der Hauptdarsteller in Berlin. „Als wir MaPa vorgestellt haben, waren viele berührt von
der Geschichte, aber dann hat es am Ende doch nicht geklappt“, erinnert sich der Headautor Lindh. „MaPa war den meisten zu großstadtproblemig
– es hatte kein klares Genre und war schwer zu formatieren in einem Mainstream-Fernsehbild.“

Kerstin Freels, Redakteurin
für Film und Serien des koproduzierenden rbb, erinnert sich daran, dass sie den Pitch von MaPa damals aus einem
Riesenstapel von Einreichungen herausgezogen habe. „Es war ein schmales Papier, aber
sehr aussagekräftig: Da ist ein Vater und ein Kind und Punkt. Ehrlich und pur. Ich
habe sofort gesagt: Das müssen wir machen.“ Für eine alleinige Finanzierung gab
es jedoch zu wenig Geld, das kam schließlich von der damals recht neuen
Streamingplattform Joyn der Mediengruppe ProSiebenSat1. Kurz vor der Pandemie, im Winter
2019, wurde MaPa abgedreht und startete mitten im ersten Lockdown, im April
2020.

Die Premiere fiel coronabedingt aus, aber eine
Minivorführung gab es doch: in einem Ferienhaus in Eberswalde, in das die
Produzentin Laura Bull mit ihrem Partner,
dem Regisseur Jano Ben Chaabane, der gemeinsamen Tochter und einer
befreundeten Familie während des Lockdowns geflüchtet war – verbotenerweise
damals. Heimlich sei er dann nachgereist, erzählt Lindh, habe den Wagen an
einer unauffälligen Stelle geparkt, damit die misstrauischen Nachbarn das
Berliner Nummernschild nicht bemerkten.

Genau so, nur noch etwas überspitzter, beginnt die zweite
Staffel von MaPa: Man sieht Metin, wie er mit Lene über die Grenze
Berlin-Brandenburg rübermacht und im Schutz der Nacht im Ferienhaus seiner Freunde aufgenommen wird. Es ist ein sehr lustiger Einstieg, weil sich
im Exil auch die Paar- und Kinderkonstellationen neu sortieren. Metins
Vertraute Matha (Maryam Zaree) wird auch Mutter: Ihre Partnerin Susi (Mari Bloching) erwartet ein Kind, und während sich
Metin plötzlich fragt, ob er auf schwangere Frauen steht, hadert die
freiheitsliebende Matha mit der Vorstellung, nun doch in ein heteronormatives
Modell von Elternschaft gezwängt zu werden. Mehr noch als die erste Staffel,
in der es vor allem um Metins Bewältigung der Trauer ging, handelt die Fortsetzung von Elternschaft
und in welchen Formen sie gelebt werden kann.

Realität und Fiktion verschränken sich bei MaPa häufig. Nicht nur die Corona-Episode ist aus dem wahren Leben gegriffen, die Kinder des Regisseurs und der Produzentin, des Drehbuchautors und Hauptdarstellers – alle zwischen 5
und 7 Jahren alt – standen immer wieder Pate für die Figur der Lene. „Meine Tochter hat sich sofort wiedererkannt und fand es total
toll“, sagt Lindh.
Er ahnt aber, dass sich das schon bald ändern könnte.

Das Revolutionäre an MaPa ist aber sein männlicher
Protagonist. Bei all den Diskussionen über die stereotype Darstellung von Frauen
im deutschen Film und Fernsehen wird nämlich immer vergessen, dass dies für
Männer genauso gilt – oder sogar noch mehr. Im typisch deutschen TV-Programm begegnen einem männliche Protagonisten entweder als bindungsunfähige Partner, emotional verstümmelte
Ermittler oder gewalttätige Psychopathen.

Für ihn sei es ungewohnt gewesen, einen so empathischen und
verletzlichen Typ Mann zu spielen, sagt der Darsteller Max Mauff bei einem
Treffen des Teams vor der Premiere in Berlin. „Mich hat es umgetrieben, wie
wenig man mit so einer Figur gewinnen kann“, sagt er rückblickend. „Der
Arbeitsalltag mit Kind ist extrem unheroisch, und es geht nur wenig um einen
selbst, da sieht man nicht blendend aus oder hat tolle Konflikte zu erzählen.“ 

„Die denken jetzt sicher alle, dass ich keinen Job habe“: Alexander Lindh, Headautor von „MaPa“

Daher auch die Ausflüge seiner Figur Metin ins Fantastische? Mauff, Lindh und der Regisseur Jano Ben Chaabane gucken sich an und grinsen. „Ich glaube, dass wir schon gerne dieses Cowboygefühl
haben und uns reindenken wollen in eine heldenhafte Rolle“, sagt Lindh. In der Realität sei es ja auch so, dass eher Väter den „Schulterklopfer“
für ihre Erziehungsarbeit bekämen als Mütter. „Da denkt man: Stimmt, ich bin ja voll der Held und mache
das viel besser als die anderen. Dabei ist das einfach meine Aufgabe,
die ich erfüllen muss. Dafür sollte ich nicht noch extra Lob bekommen.“

Chaabane stimmt ihm zu: „Ich glaube, es kommt
daher, dass wir es besser machen wollen als unsere eigenen Väter. Und in dem
Moment ist immer eine Stimme in einem drin, die sagt: Dafür will ich auch
ein bisschen Lob haben. Das ist natürlich Quatsch, aber es liegt daran, dass
die meisten Väter in unserer Generation diese Rollen noch nicht übernommen haben.“

Wie sehr die traditionellen Geschlechterbilder auch seine eigene
Denkweise beeinflussten, das treibe ihn um, sagt Lindh: „Auch wenn ich es tausendmal
reflektiert habe, fühle ich mich trotzdem manchmal weich und schwach in der
Kümmerer-Rolle.“ Wenn er als einer der wenigen Väter sein Kind von der Schule
abhole, ertappe er sich manchmal bei dem Gedanken: „Oh Mann, die denken jetzt
sicher alle, dass ich keinen Job habe.“

Für „MaPa“ wurde die Viertagewoche am Set eingeführt

Träumen sich weg: Metin (Max Mauff) und seine Tochter Lene (Pola Friedrichs) in der Serie „MaPa“

Es ist eine schöne Koinzidenz, dass Staffel 2,
inzwischen federführend produziert vom rbb und der ARD Degeto, nun eine
Punktlandung genau zum Vatertag hingelegt hat. Ab 18. Mai werden sechs neuen
Folgen in der Mediathek ausgestrahlt, eine Woche später folgt die lineare
Ausstrahlung im Ersten.

Ein weiterer Zufall vor dem Hintergrund der Debatte um schlechte Arbeitsbedingungen an deutschen Filmsets: Laura Bull hat für MaPa die Viertagewoche am Set eingeführt. Die von ihrer Firma Readymade Films produzierte Serie MaPa ist laut Crew United, dem Netzwerk für Filmschaffende, damit die erste große TV-Produktion, bei der das getan wurde (neben dem ebenfalls sehr sehenswerten, aber deutlich überschaubareren Zehn-Minüter-Serienformat Lu von Loser).

Schon bei den Dreharbeiten in einem stillgelegten Krankenhaus in
der Nähe des Wannsees im vergangenen Sommer schien eine recht ausgelassene
Stimmung zu herrschen. Die Darstellerin der Lene spielte in den Drehpausen mit
der Tochter von Bull und Chaabane. Im Rückblick sagt dieser: „Das hat wirklich
zu einer schönen Atmosphäre am Set und in der Produktion beigetragen.“ Die Viertagewoche, darauf legt der Regisseur Wert, habe für die komplette
Produktionszeit gegolten, also auch für Vorbereitung und Postproduktion. Normalerweise
arbeite das Szenenbildner-Team in den drei Wochen vor Drehstart durch.

„Wenn keiner mehr Lust hat, dann können wir es eh vergessen“: Produzentin Laura Bull über die Veränderungen in der Film- und Fernsehbranche

Die Entscheidung für dieses Konzept traf seine Partnerin Laura Bull nicht etwa, weil es einfacher gewesen sei für die
Kinderbetreuung. Sondern weil sich nach zwei Jahren Corona auch in der
Filmbranche etwas geändert hatte. Einige ehemalige Kollegen hatten umgesattelt: „Die sind per Quereinstieg Lehrer geworden, eine arbeitet jetzt als
Busfahrerin bei der BVG“, erzählt Bull. „Da habe ich gemerkt: Die Arbeitsbedingungen
werden ja total unattraktiv. Und wenn keiner mehr Lust hat, dann können wir es
eh vergessen, dann bringt auch Geld nichts mehr.“

Was etwas brachte, war die Idee, einen Tag in der Woche freizuhaben. Am Anfang sei sie skeptisch gewesen, sagt Bull, schließlich sei die
Rechnung für alle Beteiligten eine andere: Zwar verdiene man in etwa das
gleiche Geld, müsse dafür aber eine längere Drehdauer in Kauf nehmen, während
der man keine anderen Engagements annehmen könne. „Es war ein Experiment“, sagt
Bull. „Aber es hat sich total bewährt.“

All die Probleme, die Filmschaffende derzeit monieren, dass es
zu wenig Zeit gebe, der Ton harsch werde, dass Fehler
passierten, Verletzungen physischer oder psychischer Art, sind – auch da sind
sich viele in der Branche einig – vor allem auf eine Verdichtung der Arbeit und
großen Zeitdruck zurückzuführen.

Mit dem Viertagekonzept sei „alles einfach ein bisschen
entspannter“ gewesen, sagt Chaabane. „Es waren nicht alle auf 180.
Und irgendwann hat man halt gedacht: Okay, dann machen wir’s einfach Montag.“
Nicht nur für die Arbeit mit den Schauspielerinnen und Schauspielern sei die
Entzerrung der Arbeitswoche förderlich gewesen, sagen sowohl der Regisseur als auch die Hauptdarsteller, sondern auch für die Entwicklung und Umsetzung eines stringenten
visuellen und erzählerischen Konzepts. Man hatte Zeit, auch noch Änderungen am Buch vorzunehmen, eine Szene anders zu denken. Oder wie es
Lindh auf den Punkt bringt: „Empathie kostet Zeit und Diktatur kostet eben keine
Zeit.“

In der Serie schlägt dem Vater Metin nicht allzu viel Empathie
entgegen. In seinem Writers Room (MaPa ist nämlich auch noch eine
selbstironische Insiderbetrachtung des Serienschreibens) wird er vor die Wahl
gestellt, zwangsbefördert oder rausgeschmissen zu werden. Keiner versteht, dass
er überhaupt kein Teamleiter werden will, dass er einfach nur froh ist, dass die Dinge gerade mal laufen. Für Männer muss es doch
immer nach oben gehen. Oder? Eine von vielen Fragen, die man sich am Vatertag mal
grundsätzlich stellen könnte.

Die beiden Staffeln von „MaPa“ sind in der ARD-Mediathek abrufbar.
Die lineare Ausstrahlung erfolgt am 26. Mai im Ersten.