Lufthansa stellt ihre Flüge nachher Peking infrage
Über die Bedeutung der Wirtschaftsbeziehungen zu China wird viel gesprochen, doch im Flugplan der Deutschen Lufthansa werden die sich wohl künftig weniger niederschlagen. Deren Flüge von Frankfurt nach Peking stehen vor dem Aus. Das hat der Vorstandsvorsitzende Carsten Spohr auf einer Mitarbeiterveranstaltung angedeutet. Offiziell ist noch nichts beschlossen. Entschieden werde im Oktober, sagt ein Konzernsprecher. Doch intern wird kaum noch mit einem unveränderten Fortbestand der Verbindung gerechnet.
Wer mit Lufthansa dann nach Peking will, müsste in München abfliegen. In Frankfurt bliebe das Ausweichen auf die Gesellschaft Air China, die dort schon jetzt mit 17 Flügen je Woche fast dreimal so oft wie Lufthansa gen Peking startet. Der deutsche Konzern hat noch einen täglichen Flug im Plan.
British Airways hat sich schon festgelegt, nicht mehr zwischen London und Peking zu fliegen. Im Lufthansa-Konzern gab man sich zunächst noch überzeugt, an den eigenen Flüge in die Hauptstadt Chinas festzuhalten. Davon ist nun nicht mehr die Rede.
Teurer Umweg um Russland herum
Eine ganze Reihe an Gründen trägt dazu bei. Der erste: Das Passagieraufkommen nach China hat noch nicht das Vor-Corona-Niveau erreicht. Man hatte es anders erwartet, 2023 sorgte der erstarkende USA-Verkehr für volle Flieger, 2024 sollte sich das ostwärts wiederholen. Es kam anders.
Zudem: Lufthansa muss wie alle westlichen Gesellschaften wegen Sanktionen Russland umfliegen, chinesische Airlines nicht. Die sind dadurch schneller am Ziel – und das auch noch zu geringeren Kosten, weil weniger Kerosin verbraucht wird. Lufthansa befliegt die Strecken aktuell mit dem älteren Airbus-Modell A340, das einen höheren Verbrauch hat. Die Auslieferung neuer Langstreckenjets von Boeing ist stark verzögert. Neu sind diese Erkenntnisse allerdings nicht, der Zwang zum Umweg greift seit mehr als zwei Jahren.
Sparprogramm für Lufthansa
Hinzu gekommen ist, dass Lufthansa wegen Verlusten ihrer Kernmarke ein Sparprogramm aufgelegt hat. Bis Juni flog sie vor Zinsen und Steuern ein Minus von 442 Millionen Euro ein, der operative Verlust des Gesamtkonzerns im traditionell schwächeren ersten Halbjahr war weniger als halb so hoch. Offiziell gilt noch das Ziel, dass die Kernmarke ohne Fehlbetrag das Jahr abschließen soll. Doch das werde, wie der Sprecher sagt, „zunehmend anspruchsvoll“.
Nun wird gegengesteuert – auch vor Flugstreichungen wird nicht halt gemacht. Nicht ausgeschlossen, dass die Peking-Flüge ab Frankfurt nach einer Entscheidung sehr kurzfristig fallen. Die Wiederaufnahme der Flüge von München nach Hongkong ist schon aufgeschoben – aus Gründen, die nun für die Frankfurt-Peking-Flüge wieder diskutiert werden.
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Doch nicht nur in Richtung China wird gekürzt. Auf diversen Strecken wird der Doppelstockairbus A380, von dem man gerade den letzten vom Corona-Langzeitparkplatz geholt hat, durch kleinere Flieger ersetzt. Für die reaktivierten Flugzeuge gibt es erstmal weniger Einsätze. Und von München aus geht es im Winter seltener nach New York oder San Francisco. Ab Frankfurt sind indes die Starts nach Kuwait und Bahrain weggefallen.
Lufthansa moniert Wettbewerbsnachteil
Für Lufthansa sind die konzerninternen Herausforderungen aber nur ein Streichkriterium unter vielen. Lauter beklagt der Konzern einen „extrem ungleichen Wettbewerb“ in der Luftfahrt, für den auch der Politik die Verantwortung zugeschoben wird. Der Branchenverband BDL hatte jüngst darauf hingewiesen, dass wegen gestiegener staatlicher Abgaben der Flugverkehr in Deutschland erst 82 Prozent des Vor-Corona-Niveaus erreicht habe, im Rest Europas seien es 102 Prozent.
Und Gesellschaften aus Nicht-EU-Staaten – also Airlines aus den Emiraten, Turkish Airlines mit Drehkreuz in Istanbul sowie Beförderer aus China, genießen laut Lufthansa noch mehr Vorteile. „Alle Airlines aus diesen Staaten profitieren von niedrigen Standortkosten, geringen sozialen Standards und hohen staatlichen Investitionen in den Luftverkehrssektor“, sagt der Sprecher. „EU-Airlines hingegen sind zunehmend mit politischen Rahmenbedingungen konfrontiert, die ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit einseitig schwächen.“
Das soll heißen: Gesellschaften wie Air China sowie China Eastern und China Southern haben ihr Flugangebot schneller hochgefahren, weil es ihnen leichter gemacht wurde. Obendrein kursiert der Verdacht, dass sie mit vielen Plätzen und günstigeren Tickets eine Gelegenheit sehen, westliche Konkurrenten von China-Routen zu verdrängen. Zwar geht das nicht unbegrenzt, die Zahl der Linienflüge zwischen Deutschland und China ist durch ein bilaterales Verkehrsabkommen gedeckelt. Doch während Lufthansa – auch aus wirtschaftlichen Gründen – die Chancen für deutsche Anbieter nicht ausschöpft, nutzen chinesische Airlines den Rahmen des Möglichen stärker – und ab 2025 steht eine stufenweise Aufstockung des Erlaubten um bis zu acht Flüge je Woche an.