Luftfahrt und Klimakrise: Jetzt beginnt der Kampf gegen die Privatjets

Vom Münchener Großflughafen zum kleinen Flugplatz Oberpfaffenhofen sind es knapp 50 Kilometer Luftlinie. Es gibt eine S-Bahnverbindung und einen Autobahnanschluss. Und trotzdem wurde diese Mini-Strecke tatsächlich im vergangenen Jahr mehr als 100-mal mit dem Flugzeug zurückgelegt. Nicht mit einem großen Airbus, sondern mit Privatflugzeugen mit mehr als drei Sitzplätzen. Hinzu kamen 20 Flüge von Oberpfaffenhofen nach Augsburg über eine ähnliche Distanz. Zwischen Friedrichshafen und dem nahen schweizerischen Altenrhein flogen die Jets 39-mal.

Dyrk Scherff

Redakteur im Ressort „Wert“ der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Solche Auswertungen, hier von der Nichtregierungsorganisation CE Delft, erregen in der Klimadebatte zunehmend die Öffentlichkeit. Denn solche Flüge sind keine Seltenheit. Auch im Ausland gibt es regelmäßig Ultra-Kurzflüge. Viel häufiger sind genauso klimaschädliche Kurztrips von unter 500 Kilometern, die in Europa 40 Prozent aller Privatflüge ausmachen. Gemeint sind damit Flüge in kleinen Business-Fliegern, in denen manchmal nicht einmal zehn Passagiere sitzen. Das kann der Manager auf Dienstreise sein, der Werksverkehr von Großunternehmen oder einfach nur ein Vermögender, der sich den Luxus des unabhängigen Reisens gönnen will. Die CO2-Emissionen je Passagier in solchen Flügen sind je nach Berechnung bis zu 14-mal so hoch wie in einem normalen Flugzeug und 50-mal höher als in einem Zug.

Amsterdam verbannt die Privatflieger

Nun wird die Debatte auch auf EU-Ebene schärfer. Österreich, Frankreich und die Niederlande haben vor ein paar Tagen in einem Brief an die Europäische Kommission strenge EU-Klimaschutzregeln für Flüge mit Privatjets gefordert. Geschäftsreisen und private Luxusreisen mit Privatjets hätten einen exzessiven Kohlenstoff-Fußabdruck je Kopf und ständen daher zu Recht in der Kritik. „Vor diesem Hintergrund sind jüngst erhobene Forderungen nach Schritten wie dem Verbot von Reisen mit Privatjets verständlich und müssen adressiert werden“, heißt es im dem Schreiben. „Privatjet-Flüge sind ein Hobby von Superreichen“, sagte die grüne österreichische Klimaschutzministerin Leonore Gewessler.

Ihr Land hat das Thema auf die Tagesordnung des EU-Verkehrsministertreffens am Donnerstag setzen lassen. Ihre Äußerungen zeigen, dass neben der Umweltwirkung auch immer wieder soziale Aspekte in den Streit einfließen. Schließlich können sich solche Privatflüge nur reiche Menschen leisten. Daher fordern auch linke Politiker wie der Linke-Vorsitzende Martin Schirdewan schon länger Einschränkungen. Klimaaktivisten der „letzten Generation“ besprühten vor wenigen Wochen am Berliner Flughafen Privatflugzeuge mit orangener Farbe, nachdem sie durch ein selbstgeschnittenes Loch im Flughafenzaun aufs Vorfeld gelangt waren. Die Gruppe schrieb dazu ebenfalls vom „Luxus der Superreichen“.

Auch die Politik taugt nicht immer als Vorbild. Friedrich Merz reiste vergangenes Jahr im Privatjet zur Hochzeit von Christian Lindner nach Sylt. Und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen flog zusammen mit EU-Ratspräsident Charles Michel ausgerechnet zur UN-Klimakonferenz in Ägypten mit dem Geschäftsflieger. Es wird über Kosten von 100.000 Euro für diesen Flug spekuliert. Michel wird besonders kritisch beäugt. Bis zu viermal höher als bei seinen Vorgängern sollen die Reisekosten sein. Häufig nutzt er dabei den Privatjet. Für das kommende Jahr soll das Reisebudget des Präsidenten sogar noch weiter um mehr als ein Viertel auf 2,6 Millionen Euro angehoben werden.

Solche Einzelfälle sorgen für Aufsehen, aber das Problem ist größer als das. Die Privatjets machen derzeit rund zehn Prozent der Flugbewegungen an deutschen Flughäfen aus und die Branche boomt. Während der Pandemie wuchs sie stark, denn sie ermöglichte Reisen mit sehr geringen Corona-Auflagen. Doch auch nach ihrem Ende bricht das Flugaufkommen nicht ein. Es ist im ersten Quartal zwar etwas gesunken im Vergleich zu den ersten drei Monaten 2022, liegt aber höher als 2019.

Der Amsterdamer Flughafen ist nun der erste größere, der Geschäftsflieger komplett verbannen will, wobei wohl eher Personalmangel und Kapazitätsprobleme den Ausschlag gaben. Düsseldorf erwägt ähnliche Schritte. Politisch passiert hingegen wenig. In der EU hatten sich Europa-Parlament und Kommission Ende 2022 sogar darauf verständigt, die Ausnahmen für Privatflieger im EU-Emissionshandel beizubehalten, die den Verwaltungsaufwand kleinhalten sollen.

Denn eigentlich müssen für Flüge auf innereuropäischen Strecken CO2-Zertifikate erworben werden, die nur noch teilweise kostenlos zugeteilt werden. Werden die Privatjets aber von gewerblichen Firmen verliehen, müssen sie die Zertifikate nicht erwerben, wenn ihre Flugzeuge im Jahr weniger als 10.000 Tonnen ausstoßen. Die meisten Betreiber überschreiten diese Grenze nicht. Bei nichtgewerblichen Flügen, zum Beispiel dem Werksverkehr von Unternehmen, sind 1000 Tonnen frei. „Niedrigere Grenzen würden wir akzeptieren, aber das ebenfalls diskutierte komplette Verbot von kurzen Flügen lehnen wir ab, denn auch für sie kann es eine gute Begründung geben. Flüge unter 100 Kilometern ergeben allerdings wirklich selten Sinn“, sagt dazu der Geschäftsführer des deutschen Geschäftsfliegerverbandes GBAA, Andreas Munsinger, der F.A.S.

Von den reichen Nutzern der Privatjets hört man angesichts der Debatte erstaunlich wenig. Große Umweltbemühungen kündigen sie nicht an. Zum diesjährigen World Economic Forum, auf dem sich Hunderte Manager und Politiker in Davos zum Meinungsaustausch trafen, reisten die meisten wieder im Privatjet an, die Jets stauten sich auf dem Flughafen in Zürich. Immerhin SAP-Chef Christian Klein setzte nach Kritik von Greenpeace ein Zeichen und reiste im Zug an.

Forderung nach höheren Flughafengebühren und Flugverbote

Das wünscht sich der verkehrspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion viel häufiger. „Auch Privatflieger sind aufgefordert, Bahn zu fahren oder zumindest Linie zu fliegen“, sagt Stefan Gelbhaar auf Anfrage der F.A.S. Er fordert zudem eine stärkere Kostenbeteiligung. „Privatjet-Flüge werden von der Allgemeinheit mitbezahlt, durch die mitgenutzte Infrastruktur und vor allem durch die Schäden an Gesundheit, Klima und Umwelt. Diese Belastungen müssen minimiert und können etwa durch höhere Flughafengebühren finanziell ausgeglichen werden.“ Für die verbleibenden Flüge sollten sich die Privatjetnutzer bemühen, mehr nachhaltigen SAF-Treibstoff zu tanken. „Sie haben die finanziellen Mittel, endlich mal Initiativen für eine e-fuels-Produktion anzustoßen. Vorreiter sein und nicht Nachzügler ist hier Pflicht.“ Ein Verbot von kurzen Privatflügen hält er für rechtlich schwierig.

Auch das Bundesverkehrsministerium ist dagegen: „Unser Anspruch ist, Deutschland zum Vorreiter des CO2-neutralen Fliegens und damit Überlegungen für ein Verbot von Flügen in Privatjets entbehrlich zu machen.“ Das Bundesumweltministerium hält sich vager: „Der Luftverkehr muss wie alle Sektoren seinen Beitrag zur Umsetzung der Pariser Klimaziele leisten. Dabei wird kein Segment des Luftverkehrs ausgeschlossen.“ Das zeigt: Der Streit in der Öffentlichkeit tobt, aber zumindest aus Deutschland drohen derzeit kaum Einschränkungen.