Linke: Gregor Gysi sieht eigenes Verschulden für Zustand der Partei

Gregor Gysi im SPIEGEL-Studio
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Linken-Mitbegründer Gregor Gysi sieht bei sich eine Mitverantwortung für den miserablen Zustand seiner Partei. »Vielleicht habe ich nicht genug darauf geachtet, wer mir folgen soll«, sagte Gysi im SPIEGEL-Spitzengespräch mit Moderator Markus Feldenkirchen. Nachfolgerinnen und Nachfolger zu finden sei das Schwierigste.
Mit Dietmar Bartsch als Fraktionsvorsitzendem habe man »einen Guten«, auch dessen Co-Vorsitzende Amira Mohamed Ali und die beiden Parteivorsitzen Martin Schirdewan und Janine Wissler »geben sich große Mühe«. Damit ließ Gysi diplomatisch formuliert durchblicken, dass er mit dem aktuellen Führungspersonal der Linken nicht zufrieden ist. Die Linke müsse sich auf einige wenige Themen fokussieren, sagte Gysi weiter.
Die Partei steckt seit Jahren im Umfragekeller und flog bei der Bundestagswahl 2021 fast aus dem Parlament. Vor allem der Streit um die bekannteste Genossin Sahra Wagenknecht eskalierte immer wieder. Die lotet derzeit aus, ob sie im Herbst eine neue Partei gründen kann. Wagenknechts Ehemann, der Ex-Linkenchef Oskar Lafontaine, trat bereits aus. Auch dazu äußerte sich Gysi.
»Er ist ja letztlich gescheitert«, sagte Gysi über seinen alten Gefährten. Lafontaine sei Oberbürgermeister, Ministerpräsident, Bundesfinanzminister und Vorsitzender von SPD und Linken gewesen, jetzt sei er in keiner Partei mehr. Er sei ein Gescheiterter. »Er tut mir leid. Das hat er auch nicht verdient, obwohl er selbst dafür die Ursachen geschaffen hat.« Lafontaine hatte im vergangenen Jahr im Unfrieden seinen Austritt aus der Partei bekannt gegeben.
Gysi und Lafontaine führten und prägten die Linke in den für die Partei erfolgreichen Jahre nach 2005. Zu den möglichen Plänen Wagenknechts, eine neue Partei zu gründen, äußerte sich Gysi zurückhaltend. Für die Bundestagswahl müsste Wagenknecht 16 Landesverbände gründen. »Wer soll das alles organisieren?«, so Gysi.
Gysi äußerte sich in dem Gespräch auch zu den Durchsuchungen bei den Klimaaktivsten der »Letzten Generation« in Bayern . Gegen sieben Mitglieder der Gruppe gibt es Ermittlungen wegen Verdachts auf Bildung einer kriminellen Vereinigung. Gysi verteidigte als Anwalt einen 24-jährigen Vertreter der umstrittenen Gruppe in Berlin vor Gericht. Die »Letzte Generation« sei keine kriminelle Vereinigung, stellte Gysi klar. »Die spitzen zu, wir spitzen zu, dann spitzen die weiter zu«, sagte Gysi.
Das Vorgehen der Behörden bezeichnete er als falsch. »Der umgekehrte Weg muss gegangen werden. Mit ihnen reden«, sagte Gysi. Er warnte davor, dass sich durch eine Radikalisierung der Justiz auch die Aktivisten radikalisieren würden.