Landtagswahlen im Osten: Ein gefährliches Experiment
In Sachsen und Thüringen werden
am Sonntag die Landtage gewählt. Die Alternative für Deutschland (AfD), deren Verbände
in beiden Ländern vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft
sind, und das neu gegründete Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) könnten die großen
Gewinner werden. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Parteien in
Regierungsverantwortung kommen. Was würde dies für Wirtschaft und Gesellschaft
und für die eigenen Wählerinnen und Wähler bedeuten?
Auf Basis des Wahl-O-Mats der
Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) habe ich in einer Kurzstudie die Positionen der beiden
Parteien und wie sich diese voneinander unterscheiden, untersucht. Die Analyse zeigt: AfD und BSW überschneiden sich sehr stark
in der Klima- und der Innenpolitik sowie in manchen Bereichen der
Gesellschaftspolitik. Ihre Positionen sind nicht nur radikal, sondern teils
auch widersprüchlich.
Die AfD inszeniert sich zunehmend
als Ostpartei, auf Bundesebene verfolgt sie aber häufig eine Politik, von der vor
allem Westdeutsche profitieren würden und die den Interessen vieler Ostdeutscher
entgegenstehen: Beispielsweise hatte sich die Partei gegen eine
Mindestlohnerhöhung auf zwölf Euro ausgesprochen. Auch will sie die Erbschaftsteuer
abschaffen, obwohl Menschen in Ostdeutschland viel seltener Erbschaften erhalten
und etwa 98 Prozent der gesamtdeutschen Erbschaftsteuer in Westdeutschland gezahlt
werden. Das AfD-Steuerkonzept aus dem Jahr 2021 sieht außerdem vor, überwiegend hohe Einkommen zu
entlasten. Auch dadurch würden mehr Menschen in West- als in Ostdeutschland
profitieren. In einer Studie zur letzten Bundestagswahl habe ich ein AfD-Paradox aufgezeigt: Die
Positionen der AfD sind nicht nur in vielen Bereichen widersprüchlich, sondern
sie würden den eigenen Wählerinnen und Wählern, vor allem in Ostdeutschland, am
meisten schaden.
Ein kontrollierender Staat, außer beim Klimaschutz
Das ist auch bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen so. Doch was ist mit dem BSW? Auch die Positionen dieser neuen Partei sind teils radikal. Und sie überschneiden sich mit denen der AfD stellenweise stark, etwa bei Fragen der Klima- und Innenpolitik. Beide Parteien lehnen Zuwanderung
ab und sehen Vielfalt und eine offene Gesellschaft höchst kritisch. Beide haben ein konservatives Gesellschafts- und Menschenbild, in dem Vielfalt wenig wertgeschätzt
wird.
Ähnliches gilt für die
Innenpolitik, bei der beide Parteien Rechte von Minderheiten beschneiden und
den Überwachungsstaat ausweiten wollen – sowohl die AfD als auch das BSW stehen für einen starken,
kontrollierenden Staat und sind dafür bereit, Freiheiten und Vielfalt zu beschneiden.
Das BSW vertritt zum Teil
identische Positionen zur AfD, etwa wenn es um eine konsequentere Abschiebung von ausreisepflichtigen Ausländerinnen
und Ausländern geht. Das BSW ist außerdem für Grenzkontrollen, eine Idee, die etwa die Linke ablehnt und worin sich beide Parteien stark unterscheiden. Bei der
Verteidigungspolitik, der Ablehnung von Waffenlieferungen an die Ukraine und
den Sanktionen gegen Russland vertreten AfD und BSW, aber auch die Linke alle drei die
gleichen Positionen.
Einig sind sich AfD und BSW auch beim Klima: Beide Parteien sind strikt gegen
fast jegliche Maßnahme zum Klimaschutz. Sie leugnen entweder den vom Menschen
gemachten Klimawandel oder sehen zumindest kaum eine Notwendigkeit dafür, das Klima und die Umwelt schützen. Entsprechend stehen beide Partien Atomkraft neutral oder positiv gegenüber, sie sind außerdem gegen eine schnellere Erhöhung des CO₂-Preises
und gegen die stärkere Förderung von Fotovoltaik.
Keine Frauenquote, kein Gendern
In der
Gesellschaftspolitik gibt es ebenfalls große Überschneidungen: In Sachsen sind AfD und
BSW beispielsweise beide gegen eine verpflichtende Frauenquote in öffentlichen
Institutionen. Beide Parteien haben sich auch gegen das Gendern ausgesprochen, sie sind also gegen die Möglichkeit, in Schulen geschlechtliche Vielfalt
sprachlich darzustellen. Zudem lehnen beide Parteien eine stärkere Beteiligung von
Kindern und Jugendlichen bei Fragen ab, die Minderjährige direkt betreffen.
Bleibt noch die Wirtschafts- und Finanzpolitik: Hier unterscheiden sich BSW und AfD stark voneinander. Während sich das BSW zwischen den Grünen, der SPD und der Linken positioniert und für den Staat eine Rolle in der Wirtschaft sieht, befürwortet die AfD eine
extrem neoliberale Wirtschafts- und Finanzpolitik mit Steuersenkungen für
Spitzenverdienerinnen und -verdiener. Die AfD will generell weniger Staat und mehr Markt
in fast allen Wirtschaftsbereichen.
Konsistent sind die Positionen
über die Politikbereiche hinweg sowohl bei der AfD als auch beim BSW kaum. So
fordert die AfD etwa Steuersenkungen für Menschen mit sehr hohen Einkommen und will soziale Leistungen abbauen, zugleich will sie die staatliche Unterstützung wiederum erhöhen, beispielsweise für die Landwirtschaft. Das passt nicht so recht zusammen. Auch beim BSW sind
Widersprüche offensichtlich: Bei der Wirtschaftspolitik und vor allem bei der
Sozialpolitik wünscht sich das BSW meist mehr Staat und mehr Staatsausgaben.
Bei der Gesellschaftspolitik vertritt das BSW jedoch eine eher intolerante
Politik, die sich gegen Vielfalt und Toleranz gegenüber Minderheiten richtet. Und nicht konsistent erscheint auch, dass das BSW zwar mehr Staat in der Wirtschafts- und Sozialpolitik fordert, jedoch weniger Staat beim
Klima- und Umweltschutz. Das heißt, das BSW leugnet entweder, dass staatliche
Regulierung beim Klimaschutz notwendig ist, oder es verhält sich
opportunistisch, indem sie auf eine gewisse Wählerklientel abzielt, die Klimaschutz kritisch gegenübersteht. Der Widerspruch ist umso größer, da es
häufig eher BSW-Wählerinnen und -Wähler sind, die besonders stark unter der
Klimakrise leiden.
BSW hat kaum Schnittmengen mit der Linken
Erstaunlich ist, wie stark sich
die Positionen des BSW von der Partei Die Linke, aus der sie erst kürzlich
hervorgegangen ist, unterscheidet. Vor allem bei der Wirtschafts-, der Finanz-
und der Klimapolitik und einigen Bereichen der Gesellschaftspolitik könnten die
Unterschiede zwischen beiden kaum größer sein. Lediglich bei der Sozial- und
der Außenpolitik gibt es größere Überschneidungen: Beide wollen einen starken
Sozialstaat und vertreten eine prorussische Politik.
Dies ist ein bemerkenswertes
Resultat, da das BSW von vielen Politikerinnen und Politikern angeführt wird,
die noch im vergangenen Jahr teils hochrangige Positionen in der Partei Die Linke innehatten. Man fragt sich, wie sie in so kurzer Zeit einen so radikalen
Kurswechsel vollziehen konnten. Oder anders formuliert: Wie konnten sie so
lange hochrangige Positionen in der Partei Die Linke bekleiden, wenn sie in
vielen Bereichen konträre Standpunkte vertreten?
Es stellt sich die Frage, ob die
Positionierungen von AfD und BSW lediglich opportunistisch und wahlstrategisch
sind, oder auch auf politischer Überzeugung beruhen. Viele ihrer Positionen
sind intern jedoch inkonsistent. Das Resultat einer solchen Politik wäre ein Verlust von Arbeitsplätzen, da Wohlstand und Wachstum gefährdet wären. Die Gesellschaft würde außerdem weiter gespaltet. Eine
Regierungsbeteiligung von AfD oder BSW wäre daher ein gefährliches Experiment.
In Sachsen und Thüringen werden
am Sonntag die Landtage gewählt. Die Alternative für Deutschland (AfD), deren Verbände
in beiden Ländern vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft
sind, und das neu gegründete Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) könnten die großen
Gewinner werden. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Parteien in
Regierungsverantwortung kommen. Was würde dies für Wirtschaft und Gesellschaft
und für die eigenen Wählerinnen und Wähler bedeuten?
Auf Basis des Wahl-O-Mats der
Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) habe ich in einer Kurzstudie die Positionen der beiden
Parteien und wie sich diese voneinander unterscheiden, untersucht. Die Analyse zeigt: AfD und BSW überschneiden sich sehr stark
in der Klima- und der Innenpolitik sowie in manchen Bereichen der
Gesellschaftspolitik. Ihre Positionen sind nicht nur radikal, sondern teils
auch widersprüchlich.