Kunstwerke aus Odessa: Die Rahmen warten in jener Heimat
Die Thronende Madonna hat eine weite Reise hinter sich. Über 1.700 Kilometer Strecke hat sie in den vergangenen drei Jahren zurückgelegt. Wurde in dunklen Kellern und engen Kisten versteckt, ihres Rahmens entledigt und an geheime Treffpunkte gebracht. Sie musste ihre gegenwärtige Heimat, die Ukraine, verlassen – unter Polizeischutz.
Jetzt hängt die Madonna des italienischen Malers Francesco Granacci in der Berliner Gemäldegalerie. Sie ist Teil der Ausstellung Von Odesa nach Berlin. Europäische Malerei des 16. bis 19. Jahrhunderts. Ernst, aber sanft blickt sie auf das Kind auf ihrem Schoß. Ihr Gesicht wird von warmem Licht angestrahlt, ihr Kleid ist rot. Neben ihr hängt ein zweites Gemälde des Renaissance-Künstlers – die Thronende Maria mit dem segnenden Kind, Johannes dem Täufer und dem Erzengel Michael. Es stammt aus der Sammlung der Gemäldegalerie. Zwischen den beiden Werken liegen Jahrzehnte – die Maria malte Granacci wohl um 1490 herum, die Madonna im Jahr 1519. Wie sie so nebeneinander hängen, wirkt es, als würden die beiden einander wahrnehmen. Stellt man sich weit weg, sieht es sogar so aus, als guckten sie sich an.