Krieg im Sudan: Unsere Freunde?
Die Kriege unserer Zeit sind aus dem Weltall zu sehen. Mit Satellitenbildern dokumentieren Forscher der US-amerikanischen Yale-Universität, was sich in diesen Tagen in der sudanesischen Stadt Al-Faschir abspielt: Rote Flecken auf den Straßen erweisen sich als Blutlachen, Ansammlungen heller Striche als Leichen. Nach der Eroberung durch die paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) werden offenbar systematisch Männer und Jungen im wehrfähigen Alter ermordet. Menschenrechtler warnen vor einem möglichen Völkermord – in Echtzeit dokumentiert.
Seit zweieinhalb Jahren bekriegen sich im Sudan die nationale Armee und Paramilitärs. Einst bildeten sie ein Bündnis zum Erhalt eines diktatorischen Regimes und gegen eine Demokratiebewegung. Jetzt kämpfen sie gegeneinander. Geschätzte 150.000 Tote, die weltweit größte humanitäre Krise mit 14 Millionen Vertriebenen und akuter Hungersnot in immer mehr Gebieten – das ist die aktuelle Zwischenbilanz. Es geht um Macht und um wirtschaftliche Pfründe. Beide Seiten begehen Verbrechen an der eigenen Bevölkerung. Die Paramilitärs, die nach der Eroberung von Al-Faschir fast die gesamte Region Darfur kontrollieren, befinden sich derzeit im Blutrausch. Wem das bekannt vorkommt: Die Region war in den 2000er-Jahren schon einmal Schauplatz eines Völkermords. Damals massakrierten arabische Reitermilizen noch gemeinsam mit der Armee Menschen afrikanischstämmiger Ethnien. Aus diesen Milizen sind die RSF hervorgegangen, die nun im Alleingang jagen und vertreiben.
Afrika ist nicht irgendwo da hinten – es ist unsere unmittelbare Nachbarschaft
Die internationale Reaktion? Schweigen und hilfloses Achselzucken. Den Hunderttausenden, die in Europa gegen Israels Kriegsführung in Gaza auf die Straße gegangen sind, hat es offenbar die Sprache verschlagen. Und ihre Regierungen bieten wenig mehr als verbale Betroffenheit und ein paar klägliche Summen aus den geschrumpften Budgets für humanitäre Hilfe. In den Ohren der Sudanesinnen und Sudanesen hört sich das an wie ein Spendengroschen für ihr eigenes Begräbnis.
Jeder, der es wissen will, weiß: Dieser Krieg tobt nicht irgendwo weit weg, sondern auf unserem Nachbarkontinent. Das heißt, dass diese Flüchtlingskrise bald auch Europa erreichen wird. Und jeder, der es wissen will, weiß, dass westliche Verbündete diesen Krieg mit Waffenlieferungen und anderer Unterstützung massiv anheizen.
Aufseiten der sudanesischen Armee sind das unter anderem Ägypten und Saudi-Arabien, aufseiten der RSF die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). Ihre Regierungen sehen diese Allianzen als geostrategische Realpolitik. Nicht nur den Kriegsparteien, auch ihren Sponsoren geht es um regionale Dominanz, um den Zugang zu Häfen und Rohstoffen. Offene Kritik aus Brüssel, London oder Berlin bleibt bislang aus. Allein die Trump-Regierung hat zuletzt mit etwas mehr Nachdruck versucht, Ägypten, Saudi-Arabien und die VAE auf Deeskalationskurs zu bringen. Die Gräueltaten in Al-Faschir haben diese Bemühungen vorerst sabotiert. Für immer zum Scheitern verurteilt sind sie nicht.
Darin liegt die bitterste Erkenntnis dieser Tage, die vielleicht auch Hoffnung gibt: Jeder weiß, was passieren muss, um die Verwüstung des Sudan, wenn schon nicht zu stoppen, so doch einzudämmen. Donald Trump müsste die arabischen Komplizen dieses Krieges so unter Druck setzen, wie er im Fall von Gaza Israels Premier Benjamin Netanjahu und die Hamas unter Druck gesetzt hat.
Die USA zusammen mit europäischen und afrikanischen Staaten könnten humanitäre Korridore für Zivilisten erzwingen – auch mit militärischen Drohungen. Die EU könnte trotz knapper Kassen die riesigen Flüchtlingslager in den Nachbarländern des Sudan versorgen und im Land selbst die lebenswichtigen lokalen Hilfsnetzwerke finanziell und die demokratische Zivilgesellschaft politisch unterstützen. Die gibt es immer noch – allem Horror zum Trotz.
Und wem der Schutz der Menschenrechte wichtig ist, der muss begreifen: Nichts fürchten die Golfstaaten, allen voran die VAE, so sehr wie den Verlust ihres Images als Oasen des Friedens und des Konsums mit Formel-1-Rennen, Werbung auf den Trikots europäischer Fußballklubs und Konzerten westlicher Musikstars. Wo man spielt, singt oder kauft, ist eben auch eine politische Entscheidung. Eine, die Kriege verlängern oder Leben retten kann. In diesem Fall das der Menschen im Sudan.