Konjunkturprognose: Wirtschaftsweise erwarten leichtes Wachstum bei hoher Inflation
Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland erwartet für 2023 ein Wirtschaftswachstum von 0,2 Prozent. Damit fällt die Prognose der sogenannten Wirtschaftsweisen optimistischer aus als der Ausblick vom November: Damals ist das Beratergremium der Bundesregierung noch von einem Rückgang um 0,2 Prozent ausgegangen.
Mit 6,6 Prozent erwarten die Expertinnen allerdings weiterhin eine hohe Inflation in diesem Jahr, die nur um 0,3 Prozentpunkte geringer ausfallen würde als 2022. „Die Inflation
kommt zunehmend in der Breite der Wirtschaft an“, sagte der
Wirtschaftsweise Martin Werding. „Die gestiegenen Erzeugerpreise
und die zu erwartenden Lohnsteigerungen dürften die
Verbraucherpreisinflation noch bis ins kommende Jahr hinein hochhalten.“
Erwartungen für Deutschland unter dem Schnitt des Euroraums
Erst 2024 erwartet das Beratergremium leichte Besserung: Für das kommende Jahr sieht es eine Halbierung der Inflation auf 3,0 Prozent und ein Wirtschaftswachstum von 1,3 Prozent voraus. Auf bessere Daten hoffen die Wirtschaftsweisen nicht: „Der inflationsbedingte
Kaufkraftverlust, die schlechteren Finanzierungsbedingungen und
die sich nur langsam erholende Auslandsnachfrage verhindern
einen stärkeren Aufschwung in diesem und im kommenden Jahr“,
sagte die Vorsitzende des Sachverständigenrates, Monika
Schnitzer.
Die Erwartungen der Ökonomen sehen die Entwicklungen in Deutschland damit unter dem Schnitt des Euroraums: Dafür geben sie ein erwartetes Wachstum von 0,9 Prozent in diesem und von 1,5 Prozent im kommenden Jahr an. Auch die Weltwirtschaft, von deren Entwicklung Deutschland als Exportland stark betroffen ist, werde sich schwächer entwickeln als 2022: Auf ein Wachstum von 2,9 Prozent folge voraussichtlich ein Wert von 2,2 Prozent in diesem und von 2,7 Prozent im kommenden Jahr.
So habe sich das außenwirtschaftliche Umfeld durch das Ende der Null-Covid-Politik in China verbessert, zudem erwarten die Wirtschaftsweisen eine Entspannung bei Lieferketten. Allerdings könnte die in China steigende Nachfrage gleichzeitig die globale Inflation vergrößern. Ein weiterer Risikofaktor sei eine mögliche Zunahme geopolitischer Spannungen.
Reallöhne könnten das vierte Jahr in Folge sinken
Trotz der geringen Wachstumsaussichten ist in der jüngsten Konjunkturprognose von einer stabilen Entwicklung des Arbeitsmarkts die Rede. Die Arbeitslosenquote werde von 5,3 Prozent im vergangenen Jahr nur zeitweise um 0,1 Prozentpunkt ansteigen und 2024 wieder auf 5,2 Prozent sinken.
Für Arbeitnehmerinnen bringe das kommende Jahr jedoch keine guten Nachrichten: 2023 drohe das vierte Jahr in Folge mit sinkenden Reallöhnen. „Mit einem Anstieg der Reallöhne ist erst im kommenden Jahr zu rechnen“, sagte der Ökonom Achim Truber. Dies dürfte dann den privaten Konsum beleben.
Stabilität auf dem Finanzmarkt und bei Staatsfinanzen
Optimistischer blicken die Ökonominnen hingegen auf Finanzmärkte und Staatsfinanzen. Trotz der jüngsten Turbulenzen in der Bankenbranche sehen sie keine Neuauflage der Finanzkrise von 2008 kommen. „Die Unsicherheit an den Finanzmärkten ist zwar durch die Schließung der Silicon Valley Bank und die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS zuletzt gestiegen“, heißt es in dem Ausblick. „Anders als in der globalen Finanzkrise basieren die Schwierigkeiten einzelner Banken aber nicht auf weitgehend wertlosen Finanzprodukten.“ Die Kreditversorgung der Realwirtschaft sei daher nicht bedroht.
Bei den Staatsfinanzen erwartet das Beratergremium deutlich niedrigere Ausgaben für die Entlastung von hohen Energiepreisen als zuvor angenommen. Im laufenden Jahr erwarten sie ein Staatsdefizit von 1,6 Prozent, das 2024 auf 0,4 Prozent schrumpfen soll. Dadurch würde sich der Anteil der Staatsschulden an der Wirtschaftsleistung von 67,4 Prozent im vergangenen Jahr auf 63,5 Prozent im kommenden Jahr verringern.