König Charles III spricht erstmals im Bundestag

Mit Rückgriffen auf die Vergangenheit von Shakespeare bis Kraftwerk wirbt König Charles für die deutsch-britische Freundschaft und deutsch-britische Führung. Die Rede ist persönlich gefärbt, aber das politische Anliegen ist klar.

Dass ein König im Parlament spricht, kommt nicht alle Tage vor, genauer gesagt: im Deutschen Bundestag noch nie. Charles hat hier zwar bereits eine Rede gehalten, zum Volkstrauertag 2020. Aber damals war er noch Prinz und es galten Corona-Regeln, der Bundestag war so gut wie leer.

Jetzt ist er König, Charles III., und Bundestagspräsidentin Bärbel Bas lächelt ein bisschen, als sie die „Majestäten“ begrüßt. Bei der Erwähnung von Charles‘ Frau Camilla verspricht sie sich kurz und heißt „die Gemahlin“ willkommen, bevor sie sich korrigiert: „Königin-Gemahlin“, so lautet Camillas Titel. Bas betont, Charles spreche als König und zugleich als „Repräsentant einer der ältesten Demokratien der Welt“.

Auch die Linke applaudiert
Tatsächlich ist es schon ein bisschen seltsam, dass hier ein Monarch spricht, ein Staatsoberhaupt, das nicht gewählt wurde, sondern lediglich aufgrund seiner Abstammung amtiert. Einer, der allen Ernstes „von Gottes Gnaden“ König ist und im Mai, bei seiner Krönung, mit heiligem Öl „gesalbt“ wird.

Aber darum geht es hier nicht. Selbst die Linksfraktion, aus deren Reihen vor der Rede republikanische Kritik am Auftritt des Königs zu hören war, erhebt sich und applaudiert für Charles. „Großbritannien hat einen unverzichtbaren und großen Beitrag zur Befreiung Europas vom Nationalsozialismus geleistet“, sagt Bärbel Bas. „Dafür sind wir alle zutiefst dankbar.“

Charles hält seine Rede abwechselnd auf Deutsch und auf Englisch. Zu Beginn scheint er nicht so recht zu wissen, wohin mit der linken Hand. Ein paar Mal steckt er sie in die Tasche seines Jacketts, aber das sieht ein bisschen zu leger aus. Er nimmt sie also wieder raus. Wie Bas erinnert auch Charles an seine Rede zum Volkstrauertag – und an seine Mutter, die Deutschland mehrfach besuchte, erstmals in den 1960er Jahren auf einer elftägigen Reise durch die gesamte Bundesrepublik.

Kritik an Sunak für den „Schmooze“-Kurs
Im Vergleich zur Eröffnungsrede im britischen Parlament, die in den vergangenen Jahrzehnten seine Mutter gehalten hat, ist Charles‘ Auftritt im Bundestag geradezu locker. Vor den eigenen Abgeordneten hat er ja nicht einmal das Recht der freien Rede: Die „King’s Speech“ wird vom Premierminister geschrieben und im britischen Oberhaus gehalten. Das House of Commons, den wichtigeren Teil des britischen Parlaments, darf der König nicht betreten.

Auch auf Charles‘ Vortrag im Bundestag dürfte Premierminister Rishi Sunak Einfluss genommen haben, wenn auch weniger streng, da es hier nicht um die Vorstellung eines Regierungsprogramms geht. Aber auch in Deutschland ist Charles nur ein Werkzeug: Schon die Idee, den König nach Deutschland zu schicken, geht auf Sunak zurück, um Europa nach dem Brexit-Streit zu „umgarnen“, wie die „Daily Mail“ im Februar schrieb – „schmooze“ heißt das auf Englisch, Honig ums Maul schmieren. In seiner konservativen Partei kam das nicht bei allen gut an, denn normalerweise geht die erste Reise eines britischen Monarchen in ein Mitglied des Commonwealth of Nations, einer Verbindung ehemaliger britischer Kolonien. Aber das Signal, dass London wieder die Nähe Europas sucht, war wohl wichtiger.

Sunaks Auftrag wird schnell deutlich: Charles will „die Bande der Freundschaft“ zwischen Deutschland und Großbritannien erneuern, wie er sagt. Er spricht über seine eigenen verwandtschaftlichen Beziehungen nach Deutschland, über seinen ersten Besuch hier im Alter von 13 Jahren und über die gemeinsame Unterstützung der Ukraine, ein Land, über das der russische Angriffskrieg großes Leid gebracht habe. „Die Sicherheit Europas ist ebenso bedroht wie unsere demokratischen Werte. (…) Aber wir können Mut schöpfen aus unserer Einigkeit zur Verteidigung der Ukraine, des Friedens und der Freiheit.“ Deutschland und das Vereinigte Königreich hätten „eine wichtige Führungsrolle übernommen“ und Entscheidungen getroffen, „die früher vielleicht unvorstellbar gewesen wären“, sagt er, mutmaßlich stärker mit Blick auf Deutschland als auf Großbritannien. Die deutsche Waffenhilfe für die Ukraine lobt er als „überaus mutig, wichtig und willkommen“.

Von der Hanse bis zu den Beatles
Charles geht zurück zur Hanse des Mittelalters, um zu zeigen, wie eng die deutsch-britischen Beziehungen sind. Er weist darauf hin, dass Deutsch die erste Sprache gewesen sei, in die Shakespeare übersetzt wurde. Zugleich merkt der König an, dass jüngere Generationen, wenn es um die kulturellen Beziehungen gehe, wohl eher an die Beatles oder an Kraftwerk denken würden als an den Komponisten Brahms oder den Dichter Lord Byron, „aber das Netz unserer Verbindungen ist stabil wie eh und je“. Wie bereits am Abend zuvor, erwähnt er die Silvestersendung „Dinner for One“, die „hoffentlich kein korrektes Bild des modernen Großbritannien vermittelt“, und erneut erntet er Lacher allein durch die Erwähnung von Miss Sophies „same procedure as every year, James“.

Als Öko-König spricht Charles auch über den Klimawandel und erneut darüber, dass Deutschland und Großbritannien eine „Führungsrolle zur Sicherung unserer gemeinsamen Zukunft“ übernommen hätten, weil sie die größten Produzenten von Offshore-Windenergie in Europa seien und den Ausbau der Wasserstoffwirtschaft vorantrieben. „Solche Innovationen sind unverzichtbar, um die uns alle betreffenden Herausforderungen des Klimawandels und der Erderwärmung zu bewältigen.“ Charles spricht auch den Kindertransport an, die Aufnahme Tausender jüdischer Kinder aus Deutschland in Großbritannien, und sagt, dass er am Freitag ein Denkmal in Hamburg besuchen werde, das an den Kindertransport erinnert – und dass er in Hamburg auch der Opfer der Bombardierung durch die Alliierten gedenken werde.

Am Ende seiner Rede ruft Charles dazu auf, die noch „ungeschriebenen Kapitel“ der gemeinsamen Zukunft „mit einem unermüdlichen Streben nach einer besseren Zukunft“ zu füllen. Dafür gibt es stehende Ovationen. Und dann müssen König und Königin-Gemahlin schon weiter, zum nächsten Termin.

NTV