Kommunalwahl in Großbritannien: Debakel z. Hd. die Konservativen

In allen landesweiten Umfragen führt Labour derzeit haushoch mit bis zu 20 Prozent Vorsprung vor der Regierungspartei. Kein Wunder, dass Parteichef Keir Starmer die Tories prompt aufgefordert hat, „Platz zu machen“. Muss Premier Rishi Sunak um sein Amt zittern? Gut möglich, dass die Spitzen der Partei ihn stürzen werden, um mit einer letzten Personal-Rochade vor der Parlamentswahl noch Boden gutzumachen. Doch weder eine Ablösung des Regierungschefs noch eine Kabinettsumbildung werden sie vor weiterem Machtverlust bewahren. Dazu fiel das Ergebnis der Kommunalwahlen zu eindeutig aus.

Für Sunak bedeutet dies auch eine persönliche Niederlage. Er hat in den vergangenen Monaten einiges regeln können, dennoch schnitt seine Partei diesmal noch schlechter ab als vor vier Jahren.

Die ultrarechte Konkurrenz hat die Tories in vielen Kommunen Stimmen gekostet

Das war auf dem Höhepunkt der Krise, die das Kabinett von Theresa May ins Taumeln brachte, die kurz darauf zurücktrat. Obwohl Sunak einiges tat, um die britische Wirtschaft nach der Corona- und Ukraine-Krise zu stabilisieren, obwohl sein technokratischer Stil den Briten besser gefällt als das chaotische Agieren seiner Vorgänger Boris Johnson und Liz Truss, obwohl er mit seiner radikalen Ausweisungspolitik gegen Migranten auf der rechten Seite des politischen Spektrums punkten konnte – die Tories haben so stark verloren wie seit 40 Jahren nicht mehr.

Gewählt wurde fast in ganz England, gut 44 Millionen Wähler (von insgesamt 57 Millionen bei nationalen Wahlen) wurden zu den Urnen gerufen. Über tausend Ämter galt es zu erobern, Bürgermeister, Stadträte, Regionalparlamente und weitere Wahlämter waren neu zu besetzen. Das Ergebnis ist klar: Zum ersten Mal seit den Zeiten Tony Blairs ist Labour in England wieder die stärkste kommunalpolitische Kraft.

Im Nordwesten, im Wahlkreis Blackpool-South, hat die Partei zudem eine weitere Nachwahl zum Unterhaus gewonnen. Ihr Kandidat gewann den Sitz mit 26 Prozentpunkten Vorsprung vor dem Tory-Bewerber. Der elfte Sieg Labours bei den 15 Nachwahlen der vergangenen Jahre und einer der eindrucksvollsten. Noch bitterer für die Tories: Bei dieser Nachwahl landete die rechtspopulistische Reform UK, die Neuauflage der Brexit-Partei von Nigel Farage, mit nur 100 Stimmen Abstand knapp hinter den Konservativen auf Platz drei. Die rechte Konkurrenz hat die Tories in vielen Kommunen Stimmen gekostet und das nicht zu knapp. Parteichef Richard Tice erklärte stolz, die Reform UK werde in Zukunft die echte Opposition zu Labour sein, die Tories hätten endgültig abgewirtschaftet.

In London hat sich der Labour-Politiker Sadiq Khan mit 43,7 Prozent eine dritte Amtszeit gesichert. Er galt als Favorit, nur schien zunächst offen, wie sich eine niedrige Wahlbeteiligung der Labouranhänger und der schwelende Unmut über einige seiner umweltpolitischen Initiativen in den Außenbezirken auswirken würden.

Labour hat nur die Hälfte der Wahlämter erobert, die den Konservativen abhandenkamen

Die jüngste Umfrage von Yougov bestätigt den Trend: Da stehen die Tories bei 18 Prozent landesweit, Labour bei 44 Prozent. Nach 14 Jahren an der Regierung werden die Konservativen die Macht verlieren, Labour kann sich auf einen Erdrutschsieg vorbereiten. Einige Wahlforscher sehen das allerdings etwas anders. Sie verweisen darauf, dass Labour in den muslimisch geprägten Regionen an Anhängern verliert. Auch in den Universitätsstädten sind viele mit der Nahost-Politik der Labour-Führung unzufrieden. Tatsächlich hat Labour bei dieser Wahl nicht so viele Stimmen gewonnen, wie nach den Umfragen zu erwarten war.

Von den gut 500 Wahlämtern, die von den Tories verloren wurden, hat Labour nur etwas über die Hälfte erobern können, die anderen gingen an die Liberaldemokraten und die Grünen. In den Städten und Gemeinden zählt eben lokale Wohnungs- und Umweltpolitik mehr als die große Politik, die in Downing Street gemacht wird.