Koalitionsausschuss: Darauf haben sich die Ampel-Parteien geeinigt

Schnellere Planung bei Bahn, Stromnetzen, aber auch bei Autobahnen
– und darüber hinaus weitreichende Änderungen im Klimaschutzrecht. Und sogar für das Streitthema Heizungen wurde eine Lösung gefunden. Lange haben SPD,
Grüne und FDP benötigt, um sich in den strittigen Fragen zu einigen. Am Ende
haben sich die Regierungsparteien auf diese Punkte verständigt:
Übersicht:
- Schnellere Planungsverfahren
- 144 Autobahnprojekte sollen schneller umgesetzt werden
- Mehr Geld für die Bahn
- Erhöhung der Lkw-Maut
- Mehr Flächen für erneuerbare Energien
- Ausbau von Elektromobilität und E-Fuels
- Ziele für den Klimaschutz sollen künftig sektorübergreifend gelten
- Weg von fossilen Heizungen, aber keine Umsteigepflicht
- Neues Energieeffizienzgesetz
- Mehr Freiheiten im Naturschutzrecht
- Keine zusätzlichen Kosten für den Haushalt
Schnellere Planungsverfahren
Die Planungsverfahren für alle großen Infrastrukturprojekte
sollen gestrafft und schneller vorangetrieben werden. Für welche Vorhaben das
gelten soll, darüber gab es vor allem zwischen Grünen und FDP einen Dissens. Nun wollen
die Regierungsparteien nicht nur den Bau von Bahntrassen schneller möglich
machen, sondern auch „eine begrenzte Auswahl“ von Straßen früher fertigstellen.
144 Autobahnprojekte sollen schneller umgesetzt werden
Bei Straßen soll dies für 144 Autobahnprojekte gelten. Der
Schwerpunkt liegt dabei auf der Beseitigung bereits vorhandener Engpässe. Dafür
soll künftig ein „überragendes öffentliches Interesse“ gelten.
Erhalt und Sanierung soll Vorrang vor Neubau haben. Die Umsetzung der im
Bundesverkehrswegeplan enthaltenen Projekte soll neu priorisiert werden. Auch
soll es dafür einen umfassenden Dialogprozess mit Verbänden und Wirtschaft
geben.
Mehr Geld für die Bahn
Um den heiß ersehnten Deutschlandtakt – der ursprünglich 2030 kommen sollte, sich aber voraussichtlich weiter verschiebt – umsetzen zu können, braucht es mehr Geld. Insgesamt gegen die Ampel-Parteien bei der Bahn von einem Investitionsbedarf in Höhe von 45 Milliarden Euro bis 2027 aus. Auch hier gilt: Für wichtige Schienenprojekte sollen Planungsfristen verkürzt werden. Zudem sollen ÖPNV-Angebote
ausgebaut werden, vor allem im ländlichen Raum.
Auch der Schienengüterverkehr soll
attraktiver werden und bis 2030 einen Marktanteil von 25 Prozent erreichen.
Dafür will die Ampel-Koalition Terminals für kombinierten Verkehr ausbauen.
Was Vielfahrer freuen dürfte: Das künftige 49-Euro-Ticket soll ohne Aufpreis in
die Bahncard 100 integriert werden, sodass diese in allen Städten auch für den
Nahverkehr genutzt werden kann.
Erhöhung der Lkw-Maut
Um all das zu finanzieren, soll die Lkw-Maut ab 2024 um
einen CO₂-Aufschlag erhöht werden, der dann auch für kleine Lkw ab 3,5 Tonnen
gelten soll. 80 Prozent dieser Mehreinnahmen sollen laut Grünenchefin Ricarda Lang dem Ausbau des Schienennetzes sowie dem Bahnverkehr insgesamt zugutekommen. Langs Parteikollege Robert Habeck kalkuliert mit zusätzlichen Einnahmen von rund sechs Milliarden
Euro pro Jahr. Fünf Milliarden Euro davon sollten jährlich in den Ausbau des
Schienenverkehrs fließen, sagte der Bundeswirtschaftsminister im ZDF. Emissionsfreie Lkw sollen hingegen
bis Ende 2025 von der Maut befreit werden, ab 2026 soll es einen Rabatt von 75
Prozent geben. Auch „Handwerksbetriebe werden ausgenommen“, heißt es im Papier.
Mehr Flächen für erneuerbare Energien
Für den Ausbau erneuerbarer Energien sollen noch mehr
Flächen zur Verfügung gestellt werden. Die Kommunen bekommen demnach mehr
Spielraum, um Flächen auszuweisen. An Schienen, Autobahnen und Bundesstraßen
sollen mehr Windräder und Solaranlagen gebaut werden. Bei neuen Autobahnen soll
verpflichtend die Möglichkeit zum Bau von Solaranlagen in deren Randbereich
genutzt werden.
Ausbau von Elektromobilität und E-Fuels
Die Elektromobilität soll durch einen Ausbau der
Ladesäuleninfrastruktur vorangebracht, Stromnetze entsprechend ausgebaut
werden. Betreiber von Tankstellen sollen gesetzlich verpflichtet werden, „binnen
fünf Jahren mindestens einen Schnellladepunkt pro Tankstelle zu errichten“, heißt
es in dem Papier des Koalitionsausschusses. Für die Betreiber kleinerer
Tankstellen wird es Ausnahmen geben. Zugleich will die Koalition eine Strategie
für Einfuhren von E-Fuels entwickeln, also CO₂-neutrale synthetische Kraftstoffe. Das war vor allem ein Anliegen der FDP. E-Fuels sollen künftig an
Tankstellen verkauft werden können. Die Forschung zu den Kraftstoffen, die
bisher nicht in großem Maßstab produziert werden, soll ausgeweitet werden.
Außerdem sollen im Steuerrecht alle CO₂-neutralen Fahrzeuge gleich behandelt
werden. Das Ziel von 15 Millionen vollelektrischen Fahrzeugen bis 2030 wird
in den Beschlüssen des Koalitionsausschusses bekräftigt.
Ziele für den Klimaschutz sollen künftig sektorübergreifend gelten
Bislang gibt es strikte jährliche Emissionsvorgaben für
einzelne Bereiche wie Energie, Industrie, Verkehr und Gebäude. Besonders der Verkehr
hat diese Vorgaben zuletzt zweimal verfehlt. Künftig soll es möglich sein, dass ein Sektor die Zielverfehlungen eines anderen ausgleichen kann. Zudem soll statt fester
Jahresziele stärker auf einen längeren Zeitraum geblickt werden. Dazu soll eine
Regierung jeweils im ersten Jahr der Legislaturperiode ein umfassendes Programm
vorlegen. Werden die Ziele verfehlt, sollen aber vor allem aus den
dafür verantwortlichen Sektoren Nachbesserungen vorgeschlagen werden – was zu
neuen Debatten zwischen den Ministerien führen dürfte. Bekräftigt wird, dass
Deutschland bis 2045 klimaneutral sein soll.
Weg von fossilen Heizungen, aber keine Umsteigepflicht
Die Ampel-Koalition bleibt bei ihrem Ziel, künftig von fossilen Heizungen wegzukommen – und den Umbau für alle, die sich das nicht
leisten können, sozial abzufedern. Weiterhin gilt, dass ab 2024 neu
eingebaute Heizungen „möglichst“ zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien
betrieben werden sollen. Möglich bleiben sollen aber auch
Heizungen, die mit „grünem“ aus erneuerbaren Energien oder „blauem“ CO₂-neutral aus Erdgas gewonnenem Wasserstoff oder mit
Biomasse betrieben werden. Es werde genügend Übergangsspielräume geben. Untere
und mittlere Einkommen sollten unterstützt werden, solange Wärmepumpen noch
teurer seien, sagte Robert Habeck. Die Bürger
sollten nicht draufzahlen. Gefördert werden soll der Umstieg mit Mitteln aus
dem Klima- und Transformationsfonds. „Man kann sagen: Niemand wird im Stich
gelassen“, sagte Ricarda Lang. Was nicht kommen wird: eine Austauschpflicht für bestehende
Heizungen.
Neues Energieeffizienzgesetz
Das bereits mehrfach angekündigt Gesetz zum sparsamen Umgang
mit Energie soll schnell kommen. „Neben dem beschleunigten Ausbau der
erneuerbaren Energien muss Energie in Zukunft deutlich effizienter eingesetzt
werden als bislang“, heißt es im Beschluss der Ampel-Parteien. Nachdem die
EU bereits Vorgaben gemacht hat, sollen auf dieser Basis auch in Deutschland
die Regelungen in Deutschland verschärft werden. „Die Bundesregierung wird
deshalb … ein Energieeffizienzgesetz vorlegen, das die Erreichung der
Effizienzziele mit Blick auf 2030 sicherstellen soll und dieses für 2040 und
2045 vorschattiert.“
Mehr Freiheiten im Naturschutzrecht
Zur Planungsbeschleunigung von Großprojekten sollen auch Änderungen im
Naturschutzrecht beitragen. Der bisherige Grundsatz, wonach es als „Realkompensation“ für den Verlust von Naturflächen Kompensationen
auf anderen Flächen geben muss, soll aufgeweicht werden. Stattdessen soll die
Kompensation auch in Form einer Geldleistung erfolgen können. Damit sollen
größere, zusammenhängende Biotop-Verbünde geschaffen werden können, organisiert
in Verantwortung des Umweltministeriums. Dieser überregionale Ansatz soll die
Wirksamkeit für den Natur- und Artenschutz erhöhen.
Keine zusätzlichen Kosten für den Haushalt
Die beschlossenen Maßnahmen sollen keine zusätzlichen Kosten
im Bundeshaushalt verursachen. Möglich sein soll das durch das Heranziehen des
Klima- und Transformationsfonds sowie der Lkw-Maut und der Einnahmen aus dem
Emissionshandel.