Klimaschutz: Verfehlte Ziele im Verkehr und bei Gebäuden – Jetzt wird es eng – und disruptiv

Unwetter in Schwäbisch Gmünd in Baden-Württemberg im Juni 2021: »Dass alles nicht noch desaströser ist, liegt vor allem an Dingen, für die die Ampel nichts kann«

Unwetter in Schwäbisch Gmünd in Baden-Württemberg im Juni 2021: »Dass alles nicht noch desaströser ist, liegt vor allem an Dingen, für die die Ampel nichts kann«


Foto: Marius Bulling / onw-images / IMAGO

Seit drei Jahren ist der 15. März der Tag des jüngsten Klimagerichts. Am Mittwochvormittag war es folglich wieder so weit: Das Umweltbundesamt (UBA) veröffentlichte die neuen Emissionsdaten für Deutschland. Auch in der dritten Runde dieses im Klimaschutzgesetz vorgesehenen Prozedere gibt es keine guten Nachrichten: Die Emissionen in Deutschland sind um weniger als zwei Prozent gesunken. Das ist viel zu wenig. Laut UBA-Präsident Dirk Messner müssten es pro Jahr ab jetzt mindestens sechs Prozent sein.

Zwei Sektoren rutschen wiederholt in die roten Zahlen, der Verkehr verfehlte sein Ziel um ganze neun Millionen Tonnen, beim Gebäudesektor sind es rund fünf Millionen Tonnen. In den ersten beiden Jahren hätte man vielleicht noch ein Auge zudrücken können, immerhin muss sich das System der jährlichen Klimaziele erst einpendeln. Langsam wird es aber prekär, aus zwei Gründen.


Sorgenkind des deutschen Klimaschutzes: Der Verkehr

Sorgenkind des deutschen Klimaschutzes: Der Verkehr


Foto: Florian Gaertner / Photothek / Getty Images

Erstens bekommt die Ausrede der Ampelregierung, dass alles die Schuld der Großen Koalition und deren versäumter Klimapolitik sei, Risse. Ein Ende der Verfehlungen oder wenigstens eine minimale Beschleunigung bei den Gesamteinsparungen sind schlicht nicht abzusehen.

Dass alles nicht noch desaströser ist, liegt vor allem an Dingen, für die die Ampel nichts kann: An günstigen Wetterbedingungen durch den warmen Winter 2021/2022, an hohen Gas- und Strompreisen, durch die ebenfalls Energie gespart wurde, an überdurchschnittlich guten Windbedingungen, die zu einem hohen Anteil der Erneuerbaren im Strommix geführt haben. Und am EU-Emissionshandel, dessen Preis pro Tonne CO₂-Zertifikat im Jahr 2022 bei durchschnittlich 80 Euro lag.

Mit Förderprogrammen und Anreizen ist es nicht getan

So konnte etwa der Energiesektor – trotz des ungeplanten Hochfahrens von Kohlekraftwerken aufgrund des Ukrainekriegs und des Ersatzes für russisches Gas – seine Ziele knapp einhalten. Aus den genannten Gründen hat auch die Industrie ihre Ziele sogar übererfüllt – zu dem Preis, dass die Produktionszahlen teilweise rückläufig waren.

Die zweite Lehre aus den Zahlen ist für die Ampel ebenfalls ein Problem: In den Bereichen außerhalb des bisherigen EU-Emissionshandels – wo man mit politischen Maßnahmen durchgreifen müsste – sieht es mau aus. Die Verkehrs- und Wärmewende bleiben die Stiefkinder der deutschen Klimapolitik. Damit sich dort etwas bewegt, reichen keine günstigen Windbedingungen oder warmen Winter.

In beiden Sektoren ist ein radikaler gesellschaftlicher Umbau notwendig, da sind sich Klimaforscher und Energieexperten einig. Mit ein paar Förderprogrammen oder seichten Marktanreizen ist es nicht getan. Deshalb kann man am Status quo bei Verkehr und Wärme auch so gut ablesen, wie ernst es eine Regierung mit der Transformation meint. Oder ob es nur um ein paar Änderungen im bestehenden System geht.


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Ein neues Gutachten zur Wärmewende  aus dem Bundeswirtschaftsministerium, das Robert Habeck allerdings nicht an die große Glocke hing, macht die Dringlichkeit deutlich: Der »Lösungskorridor« werde »sehr eng und auch steiler« und um überhaupt noch eine Chance zu haben, müssten nun »sehr ambitionierte, teils disruptive … Maßnahmen« her. Klare Worte von Experten, die es wissen müssen: Je knapper die Zeit, desto durchschlagender sind die nötigen Veränderungen. Die Brutalität des Umbaus steigt also mit jedem Jahr, in dem wir zu wenig tun. Zeit also, es endlich richtig anzugehen.