Klimaschutz im Luftverkehr: Der neue Preis des Fliegens
Flugzeuge tragen nur rund zwei Prozent zu den weltweiten Kohlendioxidemissionen bei. Vernachlässigbar, könnte man meinen. Doch die Zahl verharmlost die Klimaschädlichkeit der Luftfahrt. Zum einen wird der CO2-Anteil in den nächsten Jahren deutlich steigen, weil der Verkehr am Himmel überdurchschnittlich wächst und die Möglichkeiten, Emissionen stark zu reduzieren, noch begrenzt sind. Zum anderen ist Kohlendioxid nicht der einzige Verursacher des Treibhauseffekts, der die Erde aufheizt. Noch gefährlicher sind andere Emissionen, die Flugzeuge ausstoßen. Für die müssen die Fluglinien künftig bezahlen, und das dürfte Flugtickets teurer machen.
Die Pläne dafür werden von der EU-Kommission vorangetrieben. In diesem Jahr werden dazu wichtige Entscheidungen fallen. Ins Visier genommen hat die EU dabei die sogenannten Nicht-CO2-Emissionen, also Rußpartikel, Schwefel- und Stickoxide sowie Wasserdampf, die zur Bildung von Kondensstreifen führen. Sie entstehen, wenn sich Eiskristalle um kleine Kohlenstoffteile bilden, die aus Flugzeugturbinen stammen. Solche Kondensstreifen bilden sich für einige Minuten bis zu 18 Stunden. Sie können die Wärme länger als gewollt in der Atmosphäre halten und so das Klima aufheizen.
Jetzt beginnen die Tests, 2028 wird endgültig entschieden
Die EU plant, um die Jahreswende 2027/2028 einen Vorschlag zu unterbreiten, wie solche Emissionen in den europäischen Emissionshandel integriert werden können. Dort müssen die Fluggesellschaften bisher nur Zertifikate für jede Tonne Kohlendioxid erwerben, die ihre Flugzeuge ausstoßen. Die Menge an Zertifikaten ist gedeckelt, so dass der CO2-Ausstoß der EU in den betreffenden Bereichen eine Obergrenze hat. Noch werden die Zertifikate zum großen Teil kostenlos zugeteilt, doch dieser Anteil sinkt jedes Jahr. Künftig sollen die Fluglinien dann auch für die Nicht-CO2-Emissionen Zertifikate kaufen müssen. Die Kosten dafür dürften sie auf die Flugtickets umlegen, sodass sie am Ende vom Passagier zu zahlen sein werden. Fliegen dürfte dadurch teurer werden.
Diese Pläne wirken sich schon jetzt aus. Vom kommenden Jahr an sollen die Fluglinien verpflichtet werden, Daten über den Ausstoß von Nicht-CO2-Emissionen ihrer Flugzeuge zu sammeln und auszuweisen. Das soll die Kommissionsentscheidung Ende 2027 vorbereiten. Wie die Daten genau ermittelt werden müssen, will die EU in den kommenden Monaten festlegen.
Die Deutsche Lufthansa reagiert deweil schon mit einem neuen Preisaufschlag auf wachsende Kosten für Umweltauflagen. Die ersten Kunden werden dem Umweltkostenzuschlag schon an diesem Mittwoch begegnen. Wie Lufthansa bestätigte, wird der Zuschlag zwar erst für Starts im Jahr 2025 fällig, erhoben wird er aber schon vom 26. Juni an für die Tickets, die für Flüge im kommenden Jahr ausgestellt werden. Je nach gewähltem Tarif und Streckenlänge beläuft sich der Zuschlag mindestens auf einen bis in der Spitze auf 72 Euro.
Widerstand der Fluggesellschaften
Schon jetzt regt sich in der Flugbranche wiederum Widerstand gegen die EU-Pläne. Brüssel will die Datensammelpflicht für alle Flüge einführen, die von Europa starten oder dort landen. Der IATA, der Vereinigung der Fluggesellschaften weltweit, geht das zu weit. Sie empfiehlt eine lediglich freiwillige Datenerhebung durch die Airlines und eine Begrenzung auf innereuropäische Flüge. Schon der Emissionshandel mit CO2-Zertifikaten wurde wegen des außereuropäischen Widerstands auf Flüge auf dem Kontinent begrenzt, Langstreckenflüge sind ausgenommen.
Für die Datensammlung erwägt die EU nun eine zweijährige Ausnahme für Langstreckenflüge, ab 2027 müssten dann auch deren Emissionen erfasst und gemeldet werden. Auch die Lufthansa möchte nach eigenen Angaben die Meldungen auf EU-Flüge beschränken, um nicht gegenüber außereuropäischen Fluggesellschaften benachteiligt zu werden. Billigflieger wie Ryanair, Easyjet und Wizz Air, die nur in Europa fliegen, wollen hingegen eine Einbeziehung aller Flüge, weil sie sich sonst gegenüber den weltweit operierenden Fluggesellschaften diskriminiert sehen. Auch für die wissenschaftliche Qualität der Daten wäre es sinnvoll, möglichst viele Flüge einzubeziehen. In der Großschifffahrt gibt es schon solch eine Meldepflicht für Klimaemissionen – für alle Strecken, auch die außereuropäischen.
Unsichere wissenschaftliche Basis
Die IATA begründet ihre Ablehnung mit unsicheren wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Wirkung der Emissionen auf das Klima. „Jeder politische und regulatorische Rahmen, der dem wissenschaftlichen Verständnis vorauseilt, birgt die Gefahr, dass er zu falschen Ergebnissen führt, einschließlich unbeabsichtigter Klimafolgen“, warnt die Organisation. Es sei denkbar, dass die Fluglinien durch den Versuch, Kondensstreifen zu vermeiden, ihre CO2-Emissionen erhöhten, zum Beispiel indem sie andere Flugrouten wählten.
Für die bremsende Argumentation der IATA dürften wirtschaftliche Erwägungen eine Rolle spielen, aber auch die wissenschaftlichen Bedenken sind teilweise nachvollziehbar. Denn in der Tat „ist die Klimawirkung von Kondensstreifen und Stickoxiden viel schwieriger zu berechnen als die von Kohlendioxid“, sagt Volker Grewe, Professor für die Klimawirkung des Luftverkehrs an der Universität Delft und Forscher für das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Die CO2-Emissionen werden heute relativ einfach aus der Tankmenge errechnet. Die Emissionen von Stickoxiden hingegen hingen vom Flugverlauf ab, insbesondere davon, wie oft der Pilot den Schub des Flugzeugs verändert. In größerer Flughöhe schadeten sie zudem mehr, weil sie dann länger in der Luft blieben.
Die Wirkung von Kondensstreifen
Die Bildung von Kondensstreifen wiederum wird auch von meteorologischen Umständen beeinflusst. Kalte, feuchte Luft begünstigt sie, gerade in Höhen von neun bis 12 Kilometern, wo viele Flugzeuge unterwegs sind. Das gilt vor allem für die mittleren Breiten, also etwa Mitteleuropa, und weniger für tropische oder skandinavische Regionen. Kondensstreifen können aber auch eine kühlende Wirkung haben. „Die Unsicherheit über die Klimawirkung von Kondensstreifen ist ungefähr achtmal so groß wie bei Kohlendioxidemissionen“, räumt Volker Grewe ein. „Wir wissen zum Beispiel noch nicht ganz genau, wann ein Kondensstreifen lange erhalten bleibt und wann er sich schnell auflöst und welchen Anteil ein einzelnes Flugzeug an der Bildung der Streifen hat. Oder wie lange sich die Stickoxide in der Luft halten. Hier müssen wir noch weiter forschen, um präziser zu werden.“
Während die IATA daraus ihren Widerstand ableitet, ist die EU mutiger. Sie glaubt, dass sie in den kommenden drei Jahren genug Erkenntnisse sammeln kann, um danach einen Vorschlag für die Bepreisung der Nicht-CO2-Emissionen über einen Emissionshandel unterbreiten zu können. Ob die dann im bestehenden Handelssystem für den CO2-Ausstoß oder über ein separates System erfolgt, ist noch nicht entschieden. Es ist auch unklar, wie teuer die Emissionsrechte und damit das Flugticket werden.
Fluglinien müssen jetzt Daten sammeln und melden
In der kommenden Testphase müssen die Fluglinien Daten zu Flugzeug-, Triebwerk- und Treibstoffeigenschaften sowie die Flugrouten angeben, damit die Emissionen sämtlicher Flüge bestimmt werden können. Technisch ist das machbar, hat das DLR in Tests festgestellt. Im Laufe des Jahres 2025 soll auch eine Infrastruktur bereitstehen, um die Daten für die ganze Branche zu sammeln, die Klimawirkungen der Emissionen – mit den bekannten Unsicherheiten – zu berechnen und danach in CO2-Äquivalente umzurechnen. Das heißt, man vergleicht dann die Nicht-CO2-Emissionen mit dem Kohlendioxidausstoß. Das ist wichtig, um einen gemeinsamen Preis für beide Emissionsgruppen festlegen zu können. Bei all diesen Berechnungen hilft das DLR. Die Umrechnung in CO2-Äquivalente erfolgt dabei testweise auf drei verschiedene Weisen. Sie unterscheiden sich in der Dauer der Klimawirkung, die den Emissionen unterstellt wird. 20, 50 und 100 Jahre sind dabei angedacht. Das ist nicht übertrieben lange, die Emissionen wirken ewig.
Die EU-Kommission wird dann die schwierige Aufgabe haben, für ihren Vorschlag Ende 2027 das fairste und praktikabelste Rechenmodell für die Bepreisung der Nicht-CO2-Emissionen herauszufinden. Wissenschaftliche Bedenken könnten berücksichtigt werden, indem etwa immer der minimalste Wert für die Klimawirkung gewählt wird und manche Flüge bei sehr großen Unsicherheiten unberücksichtigt bleiben. Eine große Herausforderung sind auch die hohe Datenmenge und die Zusammenarbeit vieler Institutionen wie mehrerer europäischer Flugsicherungsorganisationen, mehrerer Wetterdienste und Fluggesellschaften.
Nur für innereuropäische Flüge?
Sehr politisch wird die Frage werden, ob nur innereuropäische Flüge für die Emissionen zahlen müssen, wie es bei Kohlendioxid derzeit noch der Fall ist. Fürs Klima wäre das fatal, weil Langstreckenflüge am klimaschädlichsten sind. Die Lufthansa plädiert aus Wettbewerbsgründen für eine weltweite Lösung, die aber nicht in Sicht ist: „Das globale Phänomen von Nicht-CO2-Effekten ist ein gutes Beispiel für die Notwendigkeit globaler Lösungen. Mit europäischen Insellösungen ist weder dem Klimaschutz gedient noch den Unternehmen, die die wichtige Aufgabe der Transformation erfolgreich meistern sollen“, sagt Kay Lindemann, Leiter Konzernpolitik. Auch einzelne Regionen, in denen Kondensstreifen eher auftreten als in anderen Gegenden, könnten sich benachteiligt fühlen.
Bis zu einer Bepreisung der Nicht-CO2-Emissionen, egal in welcher Form, müssen die Fluglinien aber nicht tatenlos bleiben. Sie können schon jetzt die Klimafolgen mindern. Ein Weg dazu ist die Veränderung von Flugrouten. Die Flugzeuge können besonders kalte und feuchte Gebiete meiden oder in einer anderen Höhe fliegen, um die Bildung von Kondensstreifen zu verhindern und die Wirkung der Stickoxide zu verringern. Dazu hat das DLR zusammen mit der Flugsicherung und mehreren deutschen Fluggesellschaften im März einen Feldversuch mit 100 Flügen gestartet. In Japan ergab eine Studie, dass schon geänderte Routen von zwei Prozent der Flüge den Wärmeeffekt von Kondensstreifen um 60 Prozent reduzieren würden.
Solche klimaoptimierten Flüge sind aber komplex. Sie verlangen sehr aktuelle Wetterdaten über klimasensitive Gebiete und deren Einbeziehung in die Flugplanung der Fluglinien. Es muss dabei auch abgewogen werden, ob leicht höhere CO2-Emissionen durch längere oder tiefere Flugrouten in Kauf genommen werden sollten. Angesichts des hohen Verkehrsaufkommens in manchen Flugkorridoren ist auch nicht jede klimaoptimale Flugroute realisierbar.
Als Anreiz für die Ausstattung der Flugzeuge mit klimafreundlicher Technik erwägt die Flugsicherung, solche Flugzeuge im Landeanflug zu bevorzugen. Bisher gilt das Prinzip: Wer zuerst kommt, wird zuerst nach unten gelotst. Es wäre eher eine kleine Maßnahme im großen Ringen um mehr Klimaschutz in der Luftfahrt.