„Kiki Beach“ von Verena Stauffer: Aus dem Handy trinken
Verena Stauffers Gedichtband „Kiki Beach“ empfiehlt sich besonders für Lyrik- und Liebesmuffel im digitalen Zeitalter
Verena Stauffer liest demnächst beim Bachmannpreis
Foto: Sasa Felsbach
Liebeslyrik? Man möchte gleich doppelt abwinken, erstens der Liebe wegen, die so gern mit dem Schmerz einhergeht, zweitens der Lyrik wegen, die häufig mit Unverständlichkeiten wedelt, wie eine Ziege mit ihrem Schwanz. Und ja, es muss in diesem Fall eine Ziege sein, denn Verena Stauffer, geboren 1978 im österreichischen Kirchdorf an der Krems, wählt für ihren neuen Gedichtband dieses Tier, das seit der Antike mit Fruchtbarkeit, Eigensinn, List und Zähigkeit assoziiert wird, als Wappentier.
In Kiki Beach, (Kookbooks, 72 S., 24 €) wo das Animalische nie weit entfernt ist von dem, worauf Menschen sich gelegentlich ziemlich viel einbilden, lockt sie ihre Leser zunächst nach Zypern. Gleich im ersten Gedicht steht leitmotivisch: „Wenn keiner weiß, wo das Orangental liegt / Dann ist der Trick, dem Instinkt zu folgen / Sich nicht abbringen zu lassen von der Ahnung / Weiterzugehen und nicht daran zu denken / Was passiert, wenn es der falsche Weg war.“
„Außer sich geraten, verwildern!“, könnte man als Formel finden für das, was in den sieben Kapiteln des Bandes geschieht. Kann man poetisch sprechen, aufklärerisch dichten und dennoch lustvoll, unbändig, utopisch und radikal? Verena Stauffers Band wagt dieses Unterfangen, er tut es insbesondere im Bereich des Eros, der sich im Zeitalter des Digitalen nicht selten zunächst über das Handy Bahn zu brechen versucht: „Kann das sein? Hallo, Sprachnachricht. Tonfall, Klangfarbe, Stimme / Inhalt, Wendungen. Wow. Ein neuer Mensch ist ein neuer Anfang! / Merken, wie der Ton aus dieser Kehle kommt, auffüllt / Worte aus dem Handy zu trinken, Biss und Blut, ich will. Ich will“, heißt es in Einsamkeit, dann du.
Die Verse zucken zwischen Zypern und dem Metaversum, sie verankern sich in ihrem lustvollen Zelebrieren des Animalischen und einer queeren Erotik dabei tief in literarischen Traditionen, die sich für Überschreitungen interessieren. Eine Art Überschreitung ist auch die formale Gestaltung, denn zu jedem Kapitel finden sich Anmerkungen, die einen Einblick in den Entstehungsprozess dieses Bandes geben, der die Liebe eher als Spiel denn als Schmerz inszeniert.