KI nebst Suchmaschinen – welches ändert sich im Verhalten?

Ein Finger tippt auf das Feld der Google-Suche auf einem Smartphone.

Stand: 16.10.2025 12:40 Uhr

Auch Google hat nun einen KI-Chatbot. Damit ändern sich die Antworten von Suchmaschinen und das Verhalten der Nutzer. Aber welche Auswirkungen hat das auf die Meinungsvielfalt?

Von Anna Dannecker, BR

KI-Zusammenfassungen oder -Chatbots bieten im Vergleich zu den „klassischen“ Suchmaschinen neue Möglichkeiten: Suchende können komplexere Fragen formulieren und erhalten meist detailliertere Antworten.

Tippt man in eine „klassische“ Suchmaschine beispielsweise „Trainingsplan Muskelaufbau“ ein, erhält man eine Liste an Ergebnissen. Aktuelle Suchmaschinen mit KI-Funktion nehmen Befehle entgegen wie: „Erstelle mir einen Trainingsplan für acht Wochen, Zeitkapazität vier Stunden pro Woche, im Fitnessstudio, Ziel Muskelaufbau.“ Der Chatbot erstellt dann einen konkreten Trainingsplan mit Übungen, wenn gewünscht als PDF- oder Excel-Datei.

Traffic-Verlust von bis zu 50 Prozent

Dirk Lewandowski von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg beschreibt dieses Phänomen in seinem Gutachten, das von der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten in Auftrag gegeben wurde. Er sieht das als eine der großen Veränderungen bei aktuellen Suchmaschinen: „Wir sprechen davon, dass sich die Aufgabengrenze verschoben hat, was man mit Suchmaschinen jetzt machen kann“, erklärt der Professor für Information Research & Information Retrieval. Auch wenn KI-Anwendungen weiterhin anfällig für Fehler sind: Es kämen neue Möglichkeiten für die Suchanfragen hinzu.

Außerdem beobachtet der Wissenschaftler, dass Produzenten von Inhalten, speziell Nachrichtenanbieter, Traffic verlieren. Die Anzahl der Besucher, die über Suchmaschinen vermittelt werden, gehe zurück, sagt Lewandowski. Suchende klicken nicht mehr so häufig auf die Links, sondern lesen oft nur die von der KI erstellte Zusammenfassung. Die Sichtbarkeit anderer Treffer werde so beeinflusst.

Konkret konnte Lewandowski Traffic-Verluste zwischen 18 und 50 Prozent beobachten. Das könne dazu führen, dass journalistische Geschäftsmodelle in Gefahr geraten. Denn die Suchmaschine entwickelt sich vom reinen Informationsvermittler zum Informationsproduzenten.

Mehr Informationsvielfalt oder weniger?

Ob wir durch die KI-Zusammenfassungen oder KI-Bots im Schnitt mehr oder weniger Informationen oder Meinungen zu sehen bekommen, ist für Dirk Lewandowski jedoch noch eine offene Forschungsfrage, die im Gutachten nicht empirisch untersucht wurde.

„Man kann annehmen, dass es möglich ist, dass man in so einer KI-Antwort sehr vielfältige Perspektiven zusammenfasst. Das würde weitergehen, als das, was wir bisher haben“, so der Informationswissenschaftler. Denn bei der Einschätzung müsse man das jeweilige Nutzungsverhalten miteinbeziehen. Da Nutzende oft nur auf ein oder zwei Ergebnisse klicken, könne eine KI-Antwort auch weitergehend als das sein.

Ökonomische Schwierigkeiten durch KI?

Je nach Nutzungsverhalten könne sich das jedoch auch in die gegenteilige Richtung entwickeln, also zu weniger Meinungs- und Informationsvielfalt führen. Vor allem, weil durch die Chatbot-Antworten die zugrunde liegenden Quellen nicht mehr direkt geklickt werden, sagt Lewandowski. „Wenn die Inhalteanbieter nicht mehr in der Lage sind, Inhalte zu produzieren, weil sie sich schlicht nicht refinanzieren können, dann sind nicht mehr viele Aspekte vorhanden, die man repräsentieren kann in diesen Antworten.“

Einige Anbieter seien im Gegensatz dazu nicht auf direkte Refinanzierung angewiesen und könnten ihre Inhalte weiterhin zur Verfügung stellen. Dazu gehörten unter anderen Parteien, PR-Agenturen, Verbände oder Nichtregierungsorganisationen. Eine mögliche weitere Verschiebung der Inhalte.

Was kommt nach der Suchmaschinenoptimierung?

Wenn für die Öffentlichkeit zudem nicht bekannt ist, wie die KI-Zusammenfassungen entstehen, sei das ein weiteres Problem, sagt Mario Haim, Professor für Computational Communication Research an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Die KI-Zusammenfassungen öffneten Tür und Tor zu Experimenten, wie Anbieter in die Zusammenfassung einbezogen werden.

Bei „klassischen“ Suchmaschinen sei inzwischen bekannt, was Anbieter tun müssen, um weit oben bei den Ergebnissen angezeigt zu werden – auch dank dem Untersuchungsfeld der Suchmaschinenoptimierung. Bei den KI-Zusammenfassungen ist jedoch bislang nicht transparent, welche Informationsanbieter in die Antwort integriert werden.

„Das sehe ich schon als Gefahr, wenn das dann weniger glaubwürdige Anbieter sind oder die glaubwürdigen Anbieter darauf vertrieben werden“, so der Kommunikationswissenschaftler.

Mehr Transparenz für die Wissenschaft

Um die Vielfalt an verfügbaren und glaubwürdigen Informationen im Netz aufrecht zu erhalten, ist es dem Experten zufolge deshalb wichtig, dass die Algorithmen der KI-Zusammenfassungen transparent und möglichst nachvollziehbar sind. Auch für die Wissenschaft.

Der Kommunikationswissenschaftler hat in der Vergangenheit schon traditionelle Medien wie Zeitungen, Fernsehen oder Radio danach untersucht, wie viele Perspektiven zu bestimmten Themen eingebracht werden. Ähnliche Forschung sei auch zu angezeigten Ergebnissen von „klassischen“ Suchmaschinen durchgeführt worden. „Das müssen wir jetzt auch auf den neuen KI-Modus transferieren“, meint Mario Heim. Der KI-Modus stellt die Wissenschaft jedoch vor eine größere Herausforderung, da Akteure wie Google sehr sparsam damit seien, welche Daten sie weitergeben.

Rechtlicher Rahmen für die Forschung

Wissenschaftler Haim erwartet sich jedoch Verbesserungen. Insbesondere das EU-Gesetz über digitale Dienste, der Digital Services Act, könnte dem Experten zufolge Wissenschaftlern mehr Zugang zu Plattformen wie Google, Bing, ChatGPT oder Perplexity.ai gewähren. Das Gesetz über digitale Dienste regelt unter anderem Online-Vermittler und Online-Plattformen wie soziale Netzwerke oder Content-Sharing-Plattformen. Ein Ziel des Gesetzes ist es, die Verbreitung von Desinformation zu verhindern.

Source: tagesschau.de