KI-Kunst: Von besoffenen Katzen und zensierten Bade-Slips
Eine 16-jährige Katze sitzt auf einem Vorhang und trinkt Bier. Das ist der erste Satz, den ich im Januar bei Dall-E eingegeben habe: in einen Bildgenerator, der auf künstlicher Intelligenz basiert. Man gibt eine Bildbeschreibung ein, „Prompt“ genannt, und dann hat man es innerhalb von Sekunden auf dem Bildschirm. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte mich das viele Gerede über KI eher genervt. Aber als ich es endlich probierte, haute es mich völlig weg.
Ich bin Bildermacher, seit ich denken kann, aus Leidenschaft. KI hat mir gezeigt, dass mich die Bilder dabei mehr interessieren als der Prozess. Es ist großartig, mir quasi in Echtzeit alles anschauen zu können, was ich in meinem Gehirn finde, ohne das ewige Skizzieren und Malen. Mischwesen zwischen Katzen und Kaninchen. Wohnzimmer mit Wäldern und Sümpfen. Besoffene Katzen auf Vorhängen. Wer weiß schon, warum ich das alles sehen wollte? Egal. Prompt und los. Dann vielleicht noch eine Version als Renaissance-Malerei? Geil.
Bei meinen Kolleginnen stieß ich auf heftige Ablehnung. Die Angst davor, dass KI ihnen die Jobs wegnimmt, ist groß. Zu Recht. Es ist eine Revolution im Gange. Ich weiß von drei Jobs in meinem direkten Umfeld, wo Designer gefeuert wurden und stattdessen auf KI zurückgegriffen wurde. Schon sehr bald werden dadurch die Budgets schrumpfen, und oftmals wird es keine Alternative zu KI geben. Zu teuer, die Menschen. Ich dachte mir: Die anderen sind zwar sauer, aber aufhalten kann man es eh nicht.
Besser also, ich lerne es. Lerne, wie man den KI-Bildern die seltsame Trash-Ästhetik austreibt. Manche Bildgeneratoren beschäftigen Teams, um die KI zu trainieren, nur „schöne“ Bilder zu erzeugen. Was sich dann seltsam übergriffig anfühlt, weil man die sauberen Wattewelten kaum verlassen kann, egal was man ins Prompt schreibt. Das erinnert an die klinisch saubere Selbstdarstellung mancher Influencer bei Instagram.
Ein weiterer Kampf: Gegen das Normative. Bitte keine stolzen, in die Ferne blickenden Muskelmänner nebst winzigen Wespentaillenfrauen mehr. Das Wort „queer“ hat dabei Wunder gewirkt, aber stattdessen wurden mir dann eben reihenweise Queer-Klischees präsentiert. Als wäre man gefangen in der Welt der Werbegrafiker: Saftige Wiesen in Abendstimmung, ein schöner Dinnertisch mit einer lachenden Familie … Ich wollte da raus. Und stieß schnell an Grenzen: Fast alle Plattformen zensieren Prompts. Zu viel Sex oder Gewalt bedeutet schlechte Publicity für die Plattform und wird deshalb gnadenlos rausgefiltert. Aber: Was ist „zu viel“ Sex? Wann beginnt Gewalt? Und: Wer entscheidet das? Nicht einmal das Wort „Speedo“ durfte ich verwenden. Es beschreibt eine knappe Männerbadehose. Für mich, der ich mit leerem weißem Papier aufgewachsen bin, das ich alleine in meinem Zimmer vollgemalt habe, ist es ziemlich irritierend, dass mir jemand zuschaut und sagt, nein, das malst du bitte nicht. Ich frage mich, wann das Bildprogramm Photoshop anfängt, meine Arbeit zu kritisieren, „dieses Bild könnte irritieren, bitte den Strich woanders setzen“.
Auch fand ich die KI-Porträts sehr irritierend, komischerweise auch, je fotorealistischer die Bilder wurden. Unstimmig irgendwie. Als hätte man Leute zusammengenäht, die aus völlig unterschiedlichen Kontexten stammen.
300 tote Bilder
Trotz dieser Hindernisse begann ich mit einer Jagd auf Echtheit. War auf immer mehr Plattformen unterwegs, machte immer mehr KI-Bilder, Tausende, vielleicht Zehntausende. Ich versuchte, Menschen zu erzeugen, denen ich glauben konnte. Bei denen ich das Gefühl hatte, sie könnten von sich aus handeln, sie hätten vielleicht Geheimnisse, sie hätten Tiefe. An einem einzigen Tag erzeugte ich 300 Bilder, dann ging ich abends nach Hause, um mir meine Ausbeute anzusehen. Da passierte es.
Irgendetwas in mir schaltete um. Ich sah die Bilder, und ich sah, sie waren alle leer. Panisch scrollte ich durch meine Sammlung. Nichts lebte hier, das war eindeutig. Die Bilder waren tot.
Sie sind es bis heute. Es fehlt etwas Grundlegendes. Was ist es? Was suche ich denn in Bildern, das nicht da ist? Ich kann es am ehesten mit dem Wort „Verwandtschaft“ beschreiben: ein Wiedererkennen, das ich spüre, jemand fühlt ähnlich über diese Welt. Oder spricht etwas aus, was ich mich nicht traue. Und wenn ich zeichne, bin ich das manchmal selbst: Dann überrasche ich mich. KI überrascht mich nicht auf diese Weise.
An jenem Abend ging ich erschüttert in die Küche, Frustessen. Aber ich war so voll von der Künstlichkeit meiner KI-Arbeit, dass mir auch das Essen zu generisch vorkam. Zu verarbeitet. Nicht mehr zu erkennen, was es mal gewesen ist. Sogar die Äpfel sahen irgendwie fake aus. Ob es in der Zukunft so einen Begriff wie digitale Vergiftung geben wird? Oder werden wir uns alle daran gewöhnen und alles ist wie immer?