Kaufland-Skandal geht weiter: Jetzt wurde Hepatitis A in Tiefkühl-Beeren nachgewiesen

Rausschmiss von erkrankten Mitarbeitern, Proteste von Gewerkschaften – und nun das: Kaufland muss eine Tiefkühl-Beerenmischung zurückrufen, weil darin Hepatitis-A-Viren nachgewiesen wurden. Neues aus der giftigen Discounterwelt


Gewerkschaften und Beschäftigte nennen Konkurrenzkampf, Druck und Personalmangel als Hauptursachen für die Ekel-Vorfälle bei Kaufland

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Der Discounter schafft es einfach nicht aus den Schlagzeilen: Jetzt ruft Kaufland eine Tiefkühl-Beerenmischung zurück, weil darin gefährliche Hepatitis-A-Viren nachgewiesen wurden. Hepatitis A ist ansteckend, kann zu Gelbsucht führen und Leber oder Milz vergrößern. Kaufland warnt daher in einer Mitteilung davor, die Beeren zu verzehren: Die Viren könnten „zu grippeähnlichen Symptomen, Übelkeit und Erbrechen führen. Bei schweren Verläufen kann sich eine Gelbsucht entwickeln.“ Wer an Hepatitis A erkrankt, erholt sich teilweise nur innerhalb von zwei bis drei Monaten von der Infektion.

Es ist nur ein weiterer Lebensmittelskandal bei Kaufland. Zuletzt sorgten Mäusekot in den Brötchen, Schimmel in den Kühltruhen und herumliegende Kondome für einen Ekelskandal bei Kaufland. Auch sorgt der Umgang mit Beschäftigten beim Einzelhandels-Riesen für Entsetzen, immer wieder kommt es zu Massenentlassungen. Die jüngste Hiobsbotschaft: Im baden-württembergischen Albstadt droht 80 Kaufland-Mitarbeitenden der Jobverlust.

80 Kündigungen in Albstadt, 320 Kündigungen im bayerischen Donnersdorf

Die betroffene Filiale in der Kientenstraße sollte eigentlich abgerissen und neu gebaut, die Mitarbeiter in der Zwischenzeit in anderen Filialen beschäftigt werden. Nun stehen sie wohl ab Februar kommenden Jahres ohne Job da. Der Konzern begründet dies damit, dass die Bauzeit für eine neue Filiale länger dauere als gedacht. Gegenüber der Schwäbischen Zeitung sagten Mitarbeitende: „Wir sind fix und fertig“.

Laut Berichten soll der Konzern die Beschäftigten Ende Juni bei einer Mitarbeiterversammlung über die bevorstehenden Kündigungen informiert haben. Kaufland hält offenbar noch einen Trostpreis bereit: Das Unternehmen bietet den Beschäftigten eine tägliche 30-Euro-Prämie an, wenn sie weiterarbeiten und nicht sofort das Handtuch werfen.

Es ist nicht der erste Vorfall dieser Art. Anfang des Jahres war bekannt geworden, dass der Konzern 320 Menschen, die bisher an einem Logistikstandort im bayerischen Donnersdorf beschäftigt sind, vor die Tür setzen will. Ersetzt werden sollen sie durch sogenannte Werkvertragsarbeiter – häufig Menschen aus Osteuropa, denen deutlich weniger Lohn gezahlt wird. Ein Modell, das rechtlich mindestens umstritten und in der Fleischindustrie seit 2020 verboten ist.

Bei Hannover schmeißt Kaufland Mitarbeiter nach längerer Krankheit raus

Gegenüber dem Freitag begründete ein Kaufland-Unternehmenssprecher das mit „volatilen Lieferketten“ und einer „wechselnden Artikelzahl“ und beteuerte: An anderen Logistik-Standorten werde es nicht zu ähnlichen Umstrukturierungen kommen. Trotz Protesten und Bemühungen des Betriebsrates, eine andere Lösung zu finden, nahm Kaufland die Kündigungen in Donnersdorf nicht zurück.

Ebenfalls für Wirbel sorgten Kündigungen im Kaufland-Lager in Barsinghausen bei Hannover. Laut Berichten der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi wurden dort im Juni mehrere Dutzend Beschäftigte gekündigt, nachdem sie für längere Zeit wegen Krankheit ausgefallen waren. Grund für die langen Krankheiten war laut Mitarbeitenden und Gewerkschaft die körperlich schwere Arbeit im Lager. Kaufland argumentierte auf Freitag-Anfrage, es handele sich bei den Kündigungen um Einzelfälle, die im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen erfolgten.

Folgen der schlechten Arbeitsbedingungen: Fäkalbakterien auf Fleisch und Mäusebefall

Dass Kündigungen und Druck auf Beschäftigte Kollateralschäden mit sich bringen, wurde im April deutlich. Journalist:innen von RTL und Stern stellten in zahlreichen Kaufland-Filialen massive Hygienemängel fest. Fäkalbakterien auf dem Hähnchenfleisch, Mäusebefall und Schimmel gehörten dazu. Der Konzern zog Konsequenzen und kündigte in Folge unter anderem an, zwei Milliarden Euro in neue Kühlgeräte zu investieren und Schulungen für Mitarbeitende anzubieten. Maßnahmen, die auf ein besseres Arbeitsklima und weniger Leistungsdruck abzielen, blieben dagegen aus.

Dabei beschreiben Gewerkschaften und Beschäftigte Konkurrenzkampf, Druck und Personalmangel als Hauptursachen für den Ekel-Skandal. Auch eine Recherche des Freitag zeigte, dass untragbare Arbeitsbedingungen wohl zumindest zum Teil Ursache des Skandals waren.

Der Umgang mit Mitarbeitenden in Filialen und Märkten ist womöglich auch Folge einer umfassenden Umstrukturierung beim Konzern, der dem reichsten Deutschen, Dieter Schwarz, gehört. Während seit etwa einem Jahr Filialen in ganz Deutschland schließen – zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen und Thüringen –, eröffnen andernorts neue. Wieder andere werden vorübergehend geschlossen und renoviert.

Während die Schwarz-Gruppe 2023 noch ein Umsatzwachstum von 8,5 Prozent verzeichnen konnte, waren es im vergangenen Jahr nur noch 4,9 Prozent. Insgesamt 3,3 Milliarden Euro investierte das Unternehmen also im vergangenen Jahr in seine deutschen Standorte. Im laufenden Jahr sollen sogar 3,7 Milliarden Euro in neue Filialen und Lager gesteckt werden. Am wenigsten scheinen davon die Beschäftigten zu profitieren.

Beschäftigte machen Druck

Dagegen regt sich nun Widerstand. In Barsinghausen klagen Betroffene mit Unterstützung von Verdi gegen die Kündigungen. In Donnersdorf versammelten sich Beschäftigte im Januar vor der Lagerhalle und hielten gelbe Schilder in die Luft: „Werksvertrag? Nein Danke“ und „Wir sind Menschen“ stand darauf geschrieben. Auch im baden-württembergischen Albstadt wollen die 80 gekündigten Mitarbeiter um ihre Arbeitsplätze kämpfen und rechtliche Schritte einleiten.

Gegenüber der Schwäbischen Zeitung sprachen die Betroffenen von einer „geschlossenen Front“. Sogar der Albstädter Oberbürgermeister Roland Tralmer hat sich inzwischen eingeschaltet und laut Schwäbischer Zeitung einen „Draht in Richtung alleroberste Chefetage aktiviert“. Wie erfolgreich die Beschäftigten gegen den übermächtigen Konzern sein werden, bleibt abzuwarten. Doch schon jetzt ist klar: Gelingt dem Konzern kein Austausch auf Augenhöhe, ist der nächste Skandal vorprogrammiert.

Bleibt die Frage, wie viele Menschen heute überhaupt noch bei Kaufland einkaufen wollen.