Karl Dietrich Seikel: Der langjährige SPIEGEL-Geschäftsführer ist tot

Karl Dietrich Seikel 2006


Foto: Maurizio Gambarini / picture-alliance / dpa

Noch vor wenigen Wochen haben wir uns zufällig getroffen, im Hamburger Presseclub. Karl Dietrich Seikel, mein Vor-Vor-Vorgänger und fast 16 Jahre lang SPIEGEL-Geschäftsführer, war immer noch mittendrin, mischte mit und interessierte sich für alles, was in den Medien passierte, vor allem natürlich im SPIEGEL. Wir haben uns dann zum Essen verabredet, für ganz bald, um weiter zu reden. Daraus wird jetzt leider nichts mehr.

»Kalli« Seikel war ein hochgewachsener Mann mit sonorem Bass. Ein Moderator und Diplomat, den nichts aus der Ruhe brachte. So jemanden brauchte es auch zwischen temperamentvollen Charakteren wie dem Gründer Rudolf Augstein oder dem damaligen Chefredakteur Stefan Aust, der gern mal mit Kündigung gedroht haben soll, wenn ihm etwas nicht passte.

Seikel verströmte etwas Hanseatisches, stammte jedoch aus dem Rheingau. Er studierte Volkswirtschaftslehre, unterrichtete an der Frankfurter Universität und der Fachschule und wechselte 1977 als Personalchef zu einem Maschinenbauer. Für den SPIEGEL entdeckt wurde er bei einer Taufe. Seikel war Pate und hielt eine derart imposante Rede, dass der damalige Verlagsleiter Michael Nesselhauf, der unter den Gästen war, befand: So jemanden brauche man in Hamburg.

Weitsichtiger Hanseat aus dem Rheingau

Seikels Sorge, mit den intellektuellen, selbstbewussten Leuten beim Magazin nicht klarzukommen, erwies sich als unbegründet. Von 1980 an leitete er die Personalabteilung, 1991 wurde er Geschäftsführer. Mit der Berufung ging einher, dass Augstein ihm das Du anbot. Als Seikel ohne Rücksprache mit dem Herausgeber den Kioskpreis für den SPIEGEL anhob, kehrte der zunächst zum Sie zurück, doch noch im selben Telefonat wurden sie füreinander wieder »Karl« und »Rudolf«.

All die Jahre agierte Seikel weitsichtig. In den Neunzigerjahren modernisierte er das Blatt, gegen Widerstände im Gesellschafterkreis: Gedruckt wurde von nun an in Farbe, damals eine Ungeheuerlichkeit. Eine seiner wichtigsten Entscheidungen fiel zu Beginn der 2000er. Die Internet-Blase platzte, viele Verlage verloren das Vertrauen in digitale Medien, die als kostspielig und unsicher galten. Nicht so Seikel. Er glaubte an die Zukunft von SPIEGEL.de, das damals noch SPIEGEL ONLINE hieß.

Als er in Hamburg anfing, so erzählte Seikel einmal, hätten sowohl Augstein als auch Verlagschef Hans Detlev Becker geglaubt, »in höchstens zehn Jahren« werde das Kapitel SPIEGEL beendet sein. Dass es ihn noch immer gibt, seit nunmehr 76 Jahren, ist auch Seikels Verdienst. Karl Dietrich Seikel starb am 29. März in Hamburg.