Junge Wähler: Warum die AfD wohnhaft bei jungen Männern so gut ankommt
Die Europawahlen im Juni und nun die Landtagswahlen
in Thüringen und Sachsen haben einen dramatischen Rechtsruck hervorgebracht. Erklärt
werden kann das vor allem durch das veränderte Wahlverhalten von Männern – insbesondere von jungen Männern. Daher ist es wichtig, die Unterschiede zwischen
Männern und Frauen und vor allem die hohe Unzufriedenheit der jungen Generation
zu verstehen.
In den vergangenen beiden Jahrzehnten hat sich das Wahlverhalten in fast allen
westlichen Demokratien verändert: So waren Männer und Frauen lange sowohl in ökonomischen als auch in soziokulturellen Fragen ähnlich progressiv oder konservativ. Seit 20 Jahren geht das Wahlverhalten von Männern und Frauen in westlichen Demokratien jedoch stark auseinander.
In Deutschland hat diese Entwicklung etwas später
eingesetzt, zeigt sich jedoch seit den Bundestagswahl 2021 überdeutlich. So
ordnen sich Frauen selbst sehr viel häufiger einem linken und progressiven
Spektrum zu, wogegen Männer sich sehr viel stärker im konservativen Lager
verorten. Diese Selbsteinschätzung spiegelt sich auch im Wahlverhalten wider, wie
Ansgar Hudde in seiner jüngsten Studie zeigt. Bei den Europawahlen im Juni und nun bei den
Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen sind diese Unterschiede im
Wahlverhalten von Männern und Frauen nochmals deutlich größer geworden.
AfD-Wähler sind männlich und haben nicht so viel Geld
In keiner Altersklasse wählen Frauen und Männer so unterschiedlich wie bei den Jungwählerinnen und -wählern im Alter von 18 bis 24
Jahren. Ungewöhnlich viele junge Männer und sehr wenige junge Frauen wählen die
FDP. Dagegen stimmen ungewöhnlich viele junge Frauen, aber relativ wenige junge
Männer, für die Grünen. Am größten ist die Dominanz männlicher Wähler – über
alle Alterskohorten hinweg recht stabil – bei der bei AfD (PDF).
In Thüringen erzielte die AfD unter jungen Menschen
zwischen 18 und 24 Jahren mit 38 Prozent einen höheren Stimmenanteil als in
jeder anderen Alterskohorte. Die rechtsextreme Partei war auch in Sachsen bei den Jungen überdurchschnittlich
stark. In Thüringen stimmten 38 Prozent und in Sachsen 35 Prozent aller Männer
für die AfD, im Vergleich zu 27 Prozent und 26 Prozent aller Frauen. Und auch
in anderen Dimensionen gibt es enorme Unterschiede im Wahlverhalten: 47 Prozent
aller Wählerinnen und Wähler mit einfacher Bildung, 49 Prozent aller Arbeiter
und 51 Prozent aller Menschen mit einer schlechten finanziellen Lage haben in
Thüringen ihre Stimme der AfD gegeben.
Um die starken Ergebnisse für die AfD erklären zu
können, müssen wir daher vor allem die Motivation von Männern und insbesondere
jungen Männern besser verstehen. Der Leipziger Sozialpsychologe Oliver Decker
weist in einem Interview mit der taz darauf hin: Umfrageergebnisse des International
Social Survey Panel zeigten, dass die Menschen in
Deutschland – Ost und West – im Gegensatz zu anderen Ländern besonders stolz
auf die wirtschaftlichen Erfolge ihres Landes seien. Die Deprivationsthese besage,
dass Abstiegsängste zu mehr Zustimmung für antidemokratische Ansichten führen. Wirtschaftskrisen,
Rezessionen und Stagnation machen demnach also rechtsextreme Parteien stark.
Junge Frauen ziehen weg
Das zeigt sich auch bei den aktuellen Wahlen: 51
Prozent haben die AfD aufgrund einer persönlichen schlechten Situation gewählt.
Und das gilt besonders für junge Männer, denn heute haben junge Frauen im
Durchschnitt eine bessere Qualifizierung als Männer. Sie haben eine höhere
Wahrscheinlichkeit, die Schule wie auch ihr Studium oder Ausbildung erfolgreich
abzuschließen, und tun dies meist mit besseren Noten. Das sind bessere
Grundvoraussetzungen für eine bessere finanzielle Lage von jungen Frauen.
Hinzu kommt eine regionale Dimension: Es
sind, gerade im Osten, überproportional häufig junge Frauen, die aus strukturschwächeren Regionen
in die Städte abwandern, um dort ihre Ausbildung zu
absolvieren und bessere Optionen am Arbeitsmarkt zu erlangen. Zurück bleiben
häufig Männer, die Schwierigkeiten haben, eine Partnerin zu finden und eine
Familie zu gründen, die weniger mobil und wirtschaftlich verletzlich sind.
Daher ist es nicht überraschend, dass Forderungen der AfD und auch des BSW nach
Grenzschließungen, einem Stopp von Zuwanderung, einer Abschottung von Europa und
einer Zementierung des Status quo vor allem bei Männern in strukturschwachen
Regionen besonders gut resonieren.