Jüdischer Journalistenverband: Es geht um Solidarität und Aufklärung

Es gibt zwei Problemkreise, die sie angehen wollen, beide haben mit ihrem Metier zu tun: Der im vergangenen November in Frankfurt gegründete „Verband Jüdischer Journalistinnen und Journalisten“ (JJJ) will sich in der medialen Berichterstattung und im redaktionellen Miteinander für Jüdinnen und Juden einsetzen.
Der Ko-Vorsitzende Lorenz Beckhardt sagt im Gespräch mit der F.A.Z., dass „seit dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 primitivste und grundlegendste Regeln des Journalismus verletzt werden“. Um Kollegen zu schützen und sich mit ihnen zu solidarisieren und um in der Berichterstattung zu sensibilisieren, wurde der Verband gegründet. Nach einer Findungsphase in einer Whatsapp-Gruppe, in der ein „Austausch über Erfahrungen und auch Kritik an der, zum Teil hausinternen, Berichterstattung“ stattfand, wurde es konkret.
Als Beispiel für die prekäre Situation nennt Beckhardt einen Journalisten, der Berufsanfänger ist. Der Zeitungsjournalist leide unter dem Meinungsklima in der Redaktion zum Nahen Osten. Ratsuchend wandte er sich an den Verband, der ihm zur Seite stehen, „vielleicht auch aus erfahrener Position heraus Ratschläge“ geben und „im schlimmsten Fall direkte Kommunikation zu der Redaktion“ suchen will.
Jeder meint, er könne über Nahost mitreden
Den Verband unter jüdischen Journalisten bekannt zu machen, stelle laut Beckhardt kein Problem dar, lediglich „an ein paar befreundete Pressevertreter“ habe er die Pressemitteilung zur Gründung gegeben. Die jüdische Community sei „zwar winzig, aber gut vernetzt“, weshalb sich der Verband schnell in seinem geplanten Wirkungsbereich, in Deutschland, Österreich und der Schweiz etabliere.
Besorgt sieht Beckhardt, der für den WDR arbeitet, die Genese der öffentlichen Meinungsbildung zu Israel und Palästina: „Es ist ähnlich wie bei Fußballweltmeisterschaften, wo wir 80 Millionen Bundestrainer haben. Wir haben auch vielleicht 50 Millionen Nahost-Experten in Deutschland. Von denen waren aber 99 Prozent noch nie in Israel oder Palästina. Der Unterschied zwischen den Bundestrainern und den Nahost-Experten ist, dass ein Großteil der Bundestrainer schon einmal im Stadion oder woanders ein Fußballspiel gesehen hat. Über Nahost dagegen kann jeder reden, Recherche scheint da nicht so wichtig zu sein.“ Es ist deshalb eine Studie geplant, „die sich die Berichterstattung seit dem 7. Oktober 2023 noch einmal dezidiert ansieht, da der Verdacht besteht, dass ein paar professionelle Standards nicht eingehalten wurden“.
Der Verband hat vor, die Jüdische Akademie in Frankfurt als Kooperationspartner zu gewinnen. Es sollten Synergien entstehen, die Akademie könne bei der Logistik, mit Ressourcen und Mitteln helfen, der Verband werde inhaltliche Beiträge leisten. Weitere Ideen reichen von Diskussionsveranstaltungen bis zu einem journalistischen Studentenaustausch, der ausdrücklich auch Nichtjuden inkludieren soll. Der Verband hat bereits Anmeldungen für eine Diskussion auf der „re:publica“ im Mai in Berlin und bei der „Netzwerk Recherche“-Jahreskonferenz im Juli in Hamburg versendet – bisher noch ohne Zusage. Auch wenn sich die politische Lage im Nahen Osten irgendwann hoffentlich beruhige, sieht Beckhardt den Verband gefragt: „Antisemitismus ist ein Phänomen, das nie verschwindet.“
Source: faz.net