Jacob Elordi: Noch funkelt er nicht
Der australische Schauspieler Jacob Elordi kann den
Menschen gut in die Augen gucken. In der Serie Euphoria zum Beispiel als manipulativer Sohn aus gutem Haus, der mit Blicken zwischen eiskaltem Engel und
zorniger Eskalation nicht nur seine Mitschüler das Fürchten lehrt, sondern auch das Teenie-Soap-Klischee des Highschool-Starquarterbacks zertrümmert. Außerdem in dem
viel gehypten Eat-the-Rich-Thriller Saltburn als strahlender Schönling,
der durch vergrübelte Blicke und scheinbar sanftes Schmunzeln seine Abgründe andeutet. Oder eben, wenn man ihn zum Interview trifft. Dann ist Elordi sehr ernst und ein bisschen schüchtern – aber den Blick senkt er nicht. Unter gekrümmten Augenbrauen schaut er einen an, bis man selbst woanders hinguckt.
Elordi spielt die Hauptrolle im Kriegsdrama The Narrow
Road to the Deep North (zu sehen bei Sky und Wow), gemeinsam mit dem Regisseur Justin Kurzel gibt er deshalb schon im vergangenen Februar Interviews am Rande der Berlinale, wo die Serie Premiere feiert. Sie beruht auf einem gleichnamigen Roman des australischen Schriftstellers Richard Flanagan aus dem Jahr 2013 (deutscher Titel: Der schmale Pfad durchs Hinterland) und erzählt die
Geschichte des australischen Militärarztes Dorrigo Evans, der während des Zweiten Weltkrieges in japanische Gefangenschaft gerät.
Elordis Karriere ist bisher eine jener Glaub-an-dich-Geschichten, die gerne erzählt und gehört
werden. Der heute 27-Jährige wuchs in Brisbane als Sohn eines
Malers und einer Kantinenangestellten auf. Durch Schulaufführungen und
Musicals entdeckte er früh seine Leidenschaft für die Schauspielerei. Einen US-amerikanisch anmutenden Akzent trainierte er sich an, indem er versuchte, wie der Actionstar Vin Diesel zu
sprechen. Mit 19 Jahren zog Elordi in die USA, schlief zunächst in seinem Auto oder auf den Sofas von Freunden. Dann verschaffte er sich –
unter anderem nach einem Komparsenauftritt in Fluch der Karibik:
Salazars Rache – mit der Rolle des Teenie-Schwarms Noah Flynn in der
Netflix-Romcom The Kissing Booth (2018) erstmals größere Aufmerksamkeit.
Über die Filmreihe, die wegen ihres Erfolgs zur Trilogie wurde,
sagte Elordi später einmal, sie sei „lächerlich“. Sein Image prägt sie jedoch bis heute, vielleicht sogar so weit, dass der Schauspieler inzwischen aktiv dagegen anspielt. Jacob Elordi ist 1,95 Meter groß, hat Augen, die von Fans als tiefgründig und/oder traurig beschrieben werden und eine dieser Kieferpartien, mit denen man vermutlich Glas zerschneiden könnte. Weil er am Flughafen auch schon einmal beim Büchershoppen gefilmt wurde, gilt er außerdem als belesen. Mehr brauchte es nicht, um ihm die Zuschreibung des perfekten Internet-Boyfriends einzubringen – eines jungen Mannes also, mit dem man sich per Social-Media-Content gern eine Beziehung herbeifantasiert.
Elordi hat dazu Meinungen, aber veröffentlichen darf man sie nicht. Bei der Autorisierung des Interviews werden all seine Antworten gestrichen, die nicht unmittelbar mit The Narrow Road to the Deep North zu tun haben. Sicher ist nur: Die Rolle des Highschool-Schönlings und
Starathleten interessiert ihn nur noch, wenn sie – wie im Fall seiner Euphoria-Figur Nate (seit 2019) – mit narzisstischen Eigenschaften und Brüchen verknüpft ist. Je höher sich das Internet in sein Beziehungspotenzial versteigt, desto mehr scheint Elordi mit Auftritten als toxic boyfriend gegensteuern zu wollen.