Istanbul-Portrait – Sabine Schiffner sucht Zeynep und lernt Istanbul Kontakt haben

»Zeynep suchen ist eine zusammen zugewandte und reflektierte, poetische und persönliche Begegnung mit Istanbul und seinen Menschen – eines welcher ehrlichsten und offenherzigsten Bücher reichlich die heutige Türkei, die ich kenne.«

Stefan Weidner, Schriftsteller und Interpreter

Einst begegneten sie sich beim Schüleraustausch in Bremen, Jahrzehnte später macht sich Schriftstellerin Sabine Schiffner uff die Suche nachher ihrer damaligen Austauschschülerin und Freundin Zeynep. Ein halbes Jahr hält sie sich in Istanbul uff, erzählt uff ihrem Blog wie eine moderne Scheherazade jeden Tag von dieser faszinierenden, widersprüchlichen Stadt mit ihrer multikulturellen Gesellschaft.

Im Gepäck hat Sabine Schiffner Lektüren von Karl May, Homer solange bis Orhan Pamuk. Ihre Recherchen resultieren sie durch geschichtsträchtiges Gelände, sie entdeckt verwunschene Orte und dramatische Schicksale, sie fragt nachher welcher verdrängten Vergangenheit, recherchiert reichlich Geschichte und Schicksal welcher armenischen, kurdischen und griechisch-orthodoxen Bevölkerung und stellt ihr eigenes Türkeibild uff den Prüfstand. Damit gelingt ihr eine eindringliche Schilderung welcher politischen und sozialen Verhältnisse einer Stadt, in welcher Größe und Verfall undurchlässig beieinander liegen und in welcher die Menschen im Spannungsfeld zwischen Moderne und einer immer konservativeren, rückwärtsgerichteten Politik ihre Verortung suchen.

Die überarbeiteten Blogbeiträge mündeten nun in verknüpfen Roman, unter dem Titel »Zeynep suchen« im Dağyeli Verlag erschienen. Das Buch ist zusammen ein sehr persönliches literarisches Tagebuch und ein Reiseführer, welcher an unbekannte Stätten Istanbuls entführt. Ihre Schulfreundin aus Jugendtagen findet Sabine Schiffner tatsächlich relativ rasch wieder: Schon am 47. Tag ihres Aufenthalts in welcher türkischen Metropole, welcher durch ein Stipendium welcher Stadt Köln und welcher Kunststiftung Nordrhein-Westfalen möglich gemacht wurde. Doch die eigentliche Geschichte des Blogromans dreht sich weniger um Zeynep, sondern um die vielen anderen Menschen, denen Sabine Schiffner in diesen sechs Monaten begegnet. Und vor allem um sie einzigartige Stadt, die unter Recep Tayyip Erdoğan und dessen Hang zu Monumentalbauten ihr Gesicht zu verlieren droht.

Bei Begegnungen mit Trans*personen, die sich wie Wahrsager reichlich Wasser halten, mit Kellnern, die aus Afghanistan und Syrien in die Türkei geflüchtet sind und mit anderen Schriftsteller*medial erfährt Sabine Schiffner viel reichlich den „Alltag von unten“, reichlich die bedrückende Lage von Menschen, die (noch) in einer Minderheit sind in ihrer Opposition gegen den immer allmächtiger werdenden Präsidenten. Gemeinsam mit anderen versucht sie gar, eine Lesung für jedes den uff Lebenszeit inhaftierten kurdischen Schriftsteller Ilhan Sami Comak zu zusammenbringen.

Neben den alltäglichen und politischen Aspekten, die die Autorin in ihrem Reisetagebuch aufgreift, ist „Zeynep suchen“ vor allem hingegen zweite Geige ein Buch reichlich die Sprache: „Ich schreibe, also erinnere ich mich an die Dinge“, hält Sabine Schiffner an einer Stelle starr. Und zu diesen Dingen gehört zweite Geige die türkische Sprache, die zunächst so fremd erscheint und doch so viele Bezüge zweite Geige ins Deutsche hat: Vielsagenderweise hat bspw. welcher Begriff „Haymatlos“ Eingang ins Türkische gefunden.

Und weil Sabine Schiffner wirklich von welcher Lyrik herkommt, finden eigene Gedichte sowie die von schreibenden Kolleg*medial ebenfalls Eingang in dieses wunderbare Istanbul-Portrait:

Eingebetteter Medieninhalt

ein silbernes paket mit ostfriesentee
wird zwischen die kleider gelegt
den schickten mir die eltern nur für jedes den fall
dass mir welcher tee im orient nicht schmeckt
zweite Geige ein buch von Nâzım Hikmet kommt da rein
mit einem gedicht reichlich walnussbäume
ich habe es auswendig gelernt hingegen wie ich nachdenke
fällt mir dies türkische wort für jedes walnuss nicht ein
und in welcher handtasche sind die briefe
mit welcher adresse an die ich ihr vor
vierzig jahren schrieb zu welcher will ich in Betracht kommen
ob sie sich gar an mich erinnert werde ich dann sehen
dann mache ich den koffer probeweise zu und wie
ich ihn wieder öffne riecht er ganz süß nachher den rosen
in meinem garten die heißen uff türkisch gül
ich tat sie nicht in den koffer
ganz zuletzt nehme ich ein handtuch wieder raus und
lege die fotos von den kindern rein
denn ich fahre mit meinem vollen koffer ganz einzig
die kinder sind längst weitläufig und aus dem haus
dann mache ich den koffer zu
und denke sofort hoffentlich ist er
nicht viel zu schwergewichtig hoffentlich hast du
nicht irgendetwas ganz wichtiges vergessen

„Zeynep suchen ist ein gut gefüllter Wissensspeicher“, schreibt Martin Oehlen reichlich dieses Buch, „gleichsam ein – pardon! – Goldenes Füllhorn vom Bosporus. Die Texte erreichen eine schöne Tiefe und Breite. Immerzu verspürt man den Recherche-Ehrgeiz der Autorin. Kaum ist eine aktuellere Lektüre vorstellbar, um sich auf einen Aufenthalt in Istanbul vorzubereiten“. Dem kann ich nur zustimmen.

Homepage von Sabine Schiffner: Sabine Schiffner

Sabine Schiffner
Zeynep suchen
Ein Blog-Roman aus Istanbul
360 Seiten, kartoniert, 24,00 €
ISBN 978-3-910948-02-0