Israel: USA drängen Benjamin Netanjahu zur Aufgabe der Justizreform

US-Präsident
Joe Biden hat den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu dazu aufgefordert, die umstrittene Justizreform aufzugeben. „Ich hoffe,
dass er davon abrückt“, sagte Biden. Auch werde er Netanjahu „nicht in der nächsten Zeit“ ins Weiße Haus nach Washington einladen. Zuvor hatte der Botschafter der USA in Israel, Thomas Nides, eine baldige Einladung für Netanjahu ins Weiße Haus nach Washington in Aussicht gestellt.
Seit seinem Amtsantritt im November hat Netanjahu bereits mehrere europäische Länder – auch Deutschland – sowie das Nachbarland Jordanien besucht. Aus den USA, dem traditionell engsten Verbündeten, gab es bislang noch keine Einladung. Beobachter werten dies als Zeichen, dass Biden nicht glücklich mit der Politik der rechtsreligiösen Regierung ist.
Der israelische Ministerpräsident reagierte sofort auf Bidens Äußerung. „Israel ist ein souveränes Land, das seine
Entscheidungen nach dem Willen seines Volkes trifft und nicht
auf Druck aus dem Ausland, auch nicht von den besten Freunden“,
sagte Netanjahu. Seine Regierung bemühe sich um Reformen „durch einen
breiten Konsens“.
Weitere Verhandlungen zwischen israelischer Regierung und Opposition
Netanjahus Koalition will mit der Justizreform den Einfluss des Höchsten Gerichts beschneiden und die Machtposition der Regierung ausbauen. Sie wirft dem Gericht übermäßige Einmischung in politische Entscheidungen vor. Dem Parlament soll es künftig etwa möglich sein, mit einfacher Mehrheit Entscheidungen des Höchsten Gerichts aufzuheben. Kritiker sehen die Gewaltenteilung in Gefahr und warnen vor einer Staatskrise, sollte die Reform so umgesetzt werden.
Am Montag hatte Netanjahu die Umsetzung erst einmal gestoppt, nachdem sich die seit Monaten
andauernden Demonstrationen gegen das Vorhaben nach dem Absetzen
des Verteidigungsministers Joaw Gallant wegen Kritik an der
Reform verschärft hatten.
Im Laufe der Woche wollen Regierung und Opposition weiter verhandeln. Am Dienstagabend waren Vertreter beider Seiten in der Residenz von Präsident Izchak Herzog zusammengekommen. Die Gespräche waren nach rund eineinhalb Stunden „in guter Stimmung“ beendet worden, wie Herzogs Büro anschließend mitteilte.
Proteste gegen Regierungspläne
Unklar war, ob bei den Verhandlungen ein vor wenigen Wochen von Herzog vorgeschlagener Kompromissvorschlag als Gesprächsgrundlage dienen sollte. Netanjahu hatte den umfassenden Vorschlag damals als „unausgewogen“ zurückgewiesen. Die Opposition unterstützt die Idee dagegen.
Trotz der angekündigten Verschiebung der umstrittenen Justizreform führten die Gegner der Regierungspläne ihren Protest weiter. Vor der Residenz des Präsidenten in Jerusalem versammelten sich am Abend Dutzende Menschen, um gegen den Start der Verhandlungen zu protestieren. In Tel Aviv war es am Nachmittag zu Kundgebungen mit Hunderten Demonstranten gekommen.
Nachdem am Montag wegen eines Generalstreiks aus Protest gegen die Reform weite Teile des Wirtschaftslebens stillstanden, kehrte am Dienstag wieder normaler Betrieb ein. Auch am internationalen Flughafen hoben wieder Flugzeuge regulär ab.