Israel: Israelischer Präsident Izchak Herzog fordert Stopp von Justizreform

Israels Präsident
Izchak Herzog hat nach tagelangen Massenprotesten zum Stopp der umstrittenen Justizreform
aufgerufen. „Um der Einheit des israelischen Volkes willen, um der
Verantwortung willen, fordere ich Sie auf, die Gesetzgebung sofort einzustellen“,
sagte Herzog an diesem Montagmorgen an Ministerpräsident Benjamin Netanjahu
sowie alle Koalitionsmitglieder gerichtet. Die Menschen seien von tiefer Angst
ergriffen. Die Sicherheit, die Wirtschaft, die Gesellschaft – alles sei
bedroht. „Die Augen des ganzen Volkes von Israel sind auf Sie gerichtet.“

Am Sonntagabend
hatte Netanjahu seinen Verteidigungsminister und Parteikollegen Joaw Galant
entlassen, nachdem dieser ebenfalls die Pläne kritisiert und die Regierung zum
Dialog mit Kritikern aufgefordert hatte. Galant war nach eigenen Angaben vor allem um die nationale
Sicherheit besorgt. Aus Protest gegen seine Entlassung strömten noch am
selben Abend
Zehntausende Menschen in der Küstenmetropole Tel Aviv auf die
Straße, es kam zu Zusammenstößen mit der Polizei.

Netanjahu berät mit Ministern mögliche Einstellung des Gesetzesverfahrens

Israelischen Medienberichten zufolge soll Netanjahu am
Morgen eine Rede an die Nation planen. Der israelische Regierungschef hatte
mehrfach angekündigt, das Gesetzesverfahren nicht verlangsamen zu wollen. Den
Berichten nach soll er in die
Nacht mit mehreren Ministern seines Kabinetts beraten haben, das umstrittene
Vorhaben zu stoppen. An dem Krisengespräch in seinem Büro nahmen demnach Justizminister Jariv Levin, Finanzminister Bezalel Smotrich, Bildungsminister Joav Kisch und der für strategische Fragen zuständige Minister Ron Dermer teil.

Unter Berufung auf Quellen innerhalb von Netanjahus Likud-Partei schrieb die Jerusalem Post weiter, Dermer und Kisch hätten versucht, den Regierungschef zur Aussetzung der Reform zu bewegen.  Justizminister Levin hingegen habe unter Androhung seines Rücktritts darauf bestanden, das Gesetzesvorhaben gegen alle Widerstände durchzuziehen. Der Nachrichtenplattform Ynet zufolge sollen die Koalitionsspitzen der rechtsreligiösen Regierung an diesem Montagmorgen in Netanjahus Büro über das weitere Vorgehen beraten.

Proteste weiten sich aus

Gegen die Reform,
mit der die Macht des Höchsten Gerichts beschnitten und die Machtposition der
Regierung zulasten der unabhängigen Justiz gestärkt werden soll, hat sich die
größte Protestbewegung der israelischen Geschichte gerichtet. Besonders
samstags demonstrieren Hunderttausende im ganzen Land dagegen.

Israelische Universitäten verkündeten am Sonntagabend aus Protest gegen die Entlassung Galants und die Reformpläne einen vorläufigen Unterrichtsstopp. Mehrere Bürgermeister traten in den Hungerstreik und forderten eine sofortige Eindämmung der nationalen Krise. Der Dachverband der Gewerkschaften (Histadrut) setzte für Montag eine Pressekonferenz an, allem Anschein nach zur Verkündung eines Generalstreiks.

Der ehemalige Ministerpräsident Naftali Bennett warnte, Israel befinde sich in der größten Gefahr seit dem Jom-Kippur-Krieg 1973. Arabische Staaten hatten Israel damals überraschend am höchsten jüdischen Feiertag angegriffen. Bennett rief Netanjahu dazu auf, die Entlassung Galants zurückzunehmen, die Reform auszusetzen und einen Dialog mit den Gegnern aufzunehmen. Die Demonstranten ermahnte er, keine Gewalt anzuwenden und Blutvergießen zu verhindern. „Wir sind Brüder“, schrieb Bennett.

Sicherheitsexperten warnen, Feinde des Landes – allen voran der Iran, die libanesische Hisbollah-Miliz sowie militante Palästinenserorganisationen im Gazastreifen – könnten die Situation für Angriffe auf den innenpolitisch geschwächten Staat Israel nutzen.