Interview mit Elton Ollerhead, Director der Asos Media Group: „Wir treten bei Retail Media in eine neue Phase ein“

Elton Ollerhead: „Wir verbessern sowohl das Targeting als auch die Messung der Display-Anzeigen, und zwar sowohl auf unseren Seiten als auch auf den Seiten anderer Unternehmen.“
Der britische Online-Modekonzern Asos baut die Vermarktung seiner Werbeflächen in diesem Sommer kräftig aus. Dabei arbeiten die Londoner mit dem französischen Retail Media-Spezialisten Criteo zusammen. Die TextilWirtschaft unterhielt sich mit dem Chef der Asos Media Group, Elton Ollerhead, über die Gründe für die relativ späte Offensive in dem Geschäftsbereich, die Vorteile der neu eingeführten Werbetechniken und Ollerheads Pläne für Retail Media.
TextilWirtschaft: Asos gehört unter den großen E-Commerce-Konzernen zu den Nachzüglern in Sachen Retail Media. Warum haben Sie so lange gezögert?
Elton Ollerhead: Wir betreiben das Retail Media-Geschäft schon seit einigen Jahren. Wir haben damit vor Covid angefangen. Dabei ging es vor allem um die Kreativität. Wir haben ein ziemlich großes Produktionsteam, das mit einer Reihe unserer führenden Marken bei der Einführung neuer Produkte zusammenarbeitet. Dabei geht es vor allem darum, ihre Produkte zu fotografieren und zu filmen, um sie für unser Publikum, das um die 20 Jahre alt ist, modisch aufzubereiten.
Online-Werbung
Asos startet Retail Media-Offensive
Großer Aufschlag mit Ads: Asos geht beim Wachstummarkt Retail Media in die Vollen. Der britische Online-Modekonzern hat eine Partnerschaft mit dem französischen Werbetechnik-Dienstleister Criteo geschlossen, der das Retail Media-Sortiment von Asos um Sponsored Ads ergänzt und die Reichweite von Display Ads deutlich erhöht. Zudem sollen das Targeting und die Messung der Kampagnen verbessert werden.
Wir können also diese Marken durch die Modebrille betrachten. Das ist etwas anderes als die Art und Weise, wie diese Marken ihre eigenen Produkte sowohl auf ihren eigenen Websites als auch anderswo im Internet positionieren. Das ist der Modefokus, das ist die Modesicht, die wir einbringen. Und als Einzelhandelsunternehmen haben wir uns sehr auf große Bilder und Videos konzentriert, die wir auf unserer Website, in unseren Apps und in den Sozialen Medien eingesetzt haben.
Zum Beispiel in Form von Push-Benachrichtigungen, die auf Mobiltelefone geschickt werden. Und in Form von E-Mails. In den vergangenen Jahren haben wir Display-Anzeigen in den Asos-Shops und in der App eingeführt. Das war eine Art Einführungsangebot für Display-Anzeigen. Das Spannende für uns ist, wie die Partnerschaft mit Criteo und die Ad-Tech, die das Unternehmen mitbringt, uns dabei helfen wird, diese Inhalte realitätsgetreu zu präsentieren. Unsere Marken sind sehr daran interessiert, diese Inhalte auf einer Targeting-Basis zu präsentieren. Die Messbarkeit der Performance dieser Kampagnen ist uns sehr wichtig.
Modemarketing
Reibach mit Retail Media
Das Geschäft mit der Vermarktung von Werbeflächen auf E-Commerce-Plattformen, das Asos jetzt kräftig ausbaut, gehört zu den größten Wachstumsmärkten der vergangenen Jahre. Nicht nur innerhalb der Werbebranche, sondern auch innerhalb des Online-Handels. Die TW stellt die größten Player vor und gibt einen Überblick über die Prognosen für Retail Media in Europa und weltweit.
Warum kommt die Partnerschaft mit Criteo gerade jetzt?
Wir investieren in Retail Media, weil unsere Marken ein großes Interesse daran haben, ihre großen Kampagnen nicht nur – wie üblich – zweimal im Jahr auf den Markt zu bringen. Unsere Marken wollen viel mehr Produkteinführungen machen und sicherstellen, dass sie unsere Kunden erreichen und ansprechen können. Wir müssen also sicherstellen, dass wir die Nachfrage unserer Marken befriedigen. So können wir das Wachstum unserer Markenpartner unterstützen.
Ja, das stimmt. Retail Media ist auch für die Unterstützung des Wachstums von Asos sehr gut.
„Es besteht bei den Marken eine große Nachfrage nach einem breiteren Angebot an Werbeprodukten, damit sie gezieltere Kampagnen durchführen, bessere Ergebnisse erzielen und diese Ergebnisse natürlich auch eindeutig messen können.“
Hat der starke Ausbau von Retail Media vielleicht auch etwas mit den enttäuschenden Geschäftszahlen im vergangenen Jahr und im sonst so umsatzstarken Weihnachtsquartal zu tun?
Die Modeindustrie hat eine schwierige Zeit hinter sich und steht immer noch unter einem großen Druck. Die Entscheidung für Retail Media ist aber nicht erst kürzlich gefallen. Wie gesagt: Es besteht bei den Marken eine große Nachfrage nach einem breiteren Angebot an Werbeprodukten, damit sie gezieltere Kampagnen durchführen, bessere Ergebnisse erzielen und diese Ergebnisse natürlich auch eindeutig messen können. Zudem erwarten sie, dass ihre Anzeigen in den Suchergebnissen erscheinen. Das ist etwas, das sie sich schon seit einiger Zeit wünschen. Und es braucht natürlich etwas Zeit, um das zum Laufen zu bringen und den richtigen Partner zu wählen. Und genau das haben wir in den letzten sechs bis zwölf Monaten getan, indem wir unsere Optionen geprüft haben.
Von Amazon zu Asos
Vor seinem Wechsel hat der gebürtige Südafrikaner fast sieben Jahre lang, von März 2015 bis Dezember 2021, bei Amazon in London als Head of Ad Sales von Amazon Ads UK gearbeitet. Dort hat er verschiedene Werbe- und Datenanalyseprodukte gelauncht, darunter Display- und Video-Anzeigen und Werbung auf internetfähigen Fernsehern (Connected TV).
Beim südafrikanischen Medienkonzern Mediamark fungierte der Online-Manager von 2021 bis 2015 als Managing Director. Weitere Stationen seiner Laufbahn waren unter anderem der britische Bezahlsender Sky, die britische Tochter des italienischen Telekommunikationskonzerns Tiscali und der Halbleiter-Hersteller TSMS gewesen. Bei der Sky-Tochter Sky Digital Media war Ollerhead zuletzt Head of Commercial Partnerships gewesen, bei Tiscali Head of Client Sales. Bei TSMS bekleidete er die Position des Agency Group Head.
Ollerhead hat seinen Bachelor in Wirtschaft, Handel und Wirtschaftspsychologie an der University of South Africa gemacht. Es folgte ein E-Commerce-Aufbaustudium in London.
Man kann also sagen, dass Sie in den vergangenen Jahren nur ein bisschen Retail Media gemacht haben. Und jetzt kommt ein ganz breiter Ansatz.
Ganz genau. Wir treten beim Thema Retail Media in eine neue Phase. Wir haben uns bislang sehr stark auf die Top-Marken konzentriert und werden das auch weiterhin tun. Wir haben bei der Asos Media Group ein Verkaufsteam, das sich auf die 150 wichtigsten Marken konzentriert. Auf dieser Liste befinden sich alle großen Mode-, Sportbekleidungs- und Kosmetikmarken. Die größten globalen Unternehmen sind unsere größten Retail Media-Partner.
Denken Sie an all die großen Unternehmen der Welt! Zum Beispiel Nike, Adidas, Puma, L’Oréal, Estée Lauder. In unseren Online-Shops und Apps sehen Sie die ganze Bandbreite dieser Marken. Insgesamt arbeitet Asos mit mehr als 900 Herstellern zusammen. Das Retail Media-Geschäft konzentrierte sich aber zunächst nur auf eine kleinere Gruppe von Marken.
Modeaktien wieder auf Pluskurs
Asos-Aktie trotzt Börsenturbulenzen
Nach dem abrupten Ende des starken Zuwachses in der vorvergangenen Woche haben sich die Modeaktien wieder gefangen. Der Branchenindex MAI weist ein leichtes Plus von 0,8% auf, performt damit sogar besser als der DAX (plus 0,2%). Im MAI sticht vor allem ein Titel heraus.
Können auch Asos-Mitbewerber Anzeigen auf ihren Werbeflächen schalten? Einige Mitbewerber ziehen es vor, Werbung anderer Branchen zu platzieren, um eine Konkurrenzsituation zu vermeiden.
Wir arbeiten bei Retail Media mit allen Marken zusammen, die auf Asos verkaufen. Das Wichtigste, das neu hinzugekommen ist, sind Sponsored Ads, die wir bislang nicht gehabt haben, und über deren Einführung wir uns sehr freuen. Wir verbessern sowohl das Targeting als auch die Messung der Display-Anzeigen, und zwar sowohl auf unseren Seiten als auch auf den Seiten anderer Unternehmen. Bei den Marken ist die Nachfrage nach Retail Media groß: Wir haben zum Beispiel in der Vorweihnachtszeit zusammen mit Adidas eine große Kampagne gefahren. Die darin beworbenen Produkte konnte man in allen unseren Anzeigenformaten sehen. Wir werden auch künftig mit der Sportmarke Adidas zusammenarbeiten, da diese zu den Brands gehört, die eine große Nachfrage nach neuen Werbeformaten wie Sponsored Ads und einer gezielteren Display-Werbung gezeigt haben.
Digitaler Absatzkanal
Asos: Partnerschaft mit Offprice-Plattform Secret Sales
Der in Schieflage geratene Fast Fashion-Online-Retailer Asos hat eine Vereinbarung mit dem Offprice-Marktplatz Secret Sales zum Abverkauf von Lagerbeständen getroffen.
Was ist genau der Unterschied zwischen den Anzeigenformaten, die Sie bisher verwendet haben und denen, die Criteo einführt?
Unsere Palette an Anzeigenprodukten enthielt bisher keine Sponsored Ads. Das ist eine Neuerung, die man bald in unseren Suchergebnis-Listen sehen kann. Wenn Sie in unserem Online-Shop das Wort Turnschuhe in die Suchmaske eintippen, sehen Sie über den Suchergebnissen Sponsored Ads. Das ermöglicht unseren Marken, sehr gezielt Menschen anzusprechen, die nach ihrer Art von Marke oder ihrem Produkt suchen. Das ist nicht nur für die Marken gut, sondern auch für die Kunden, da sie ein Produkt zu sehen bekommen, nach dem sie suchen.
Warum machen Sie das nicht selbst? Sie sind ein großes Unternehmen. Ich hätte erwartet, dass Sie – ähnlich wie Amazon, Zalando und die Otto Group – eine eigene Retail Media-Unit haben.
Wir haben ein sehr großes Technikteam, so wie man es sich für ein großes Tech-Unternehmen vorstellen kann. Für das Retail Media-Geschäft haben wir aber beschlossen, dass es eine wirklich gute Idee wäre, mit einem erfahrenen Ad-Tech-Unternehmen wie Criteo zusammenzuarbeiten. Dieses kann nachweislich eine Erfolgsbilanz vorweisen. Das Unternehmen betreibt die gleiche Art von Retail Media-Infrastruktur für eine Reihe anderer Einzelhändler auf der ganzen Welt. Daher arbeiten wir mit Criteo zusammen.
„Unsere Handelspartner lieben das Twenty Something-Modepublikum, das wir haben. Und sie wollen sicherstellen, dass sie diese Kunden mit der Botschaft, die sie ihnen vermitteln wollen, auch richtig ansprechen können.“
Seit wann arbeiten Sie an dem neuen Retail Media-Konzept?
Wir haben in den vergangenen zwölf Monaten über Retail Media nachgedacht. Und darüber, wie wir das Geschäft vorantreiben können. Ich bin vor knapp einem Jahr zum Unternehmen gekommen. Ich vermute, dass man mich eingestellt hat, um herauszufinden, wie wir unser Geschäft voranbringen und unsere Marken bedienen können, die nach anspruchsvolleren Werbeprodukten verlangen. Die Marken wollen unser Publikum gezielt ansprechen. Sie lieben das Twenty Something-Modepublikum, das wir haben. Und sie wollen sicherstellen, dass sie diese Kunden mit der Botschaft, die sie ihnen vermitteln wollen, auch richtig ansprechen können.
Modeaktien mit starken Ausschlägen – in beide Richtungen
Kostensparpläne beflügeln Asos-Aktie
Viele Wochen lang hielt die Aktie von Asos die rote Laterne. Nun führt der britische Online-Händler die zweite Woche in Folge den Modeaktienindex an – mit einem abermals zweistelligen Kurssprung. Dabei vermeldete das Unternehmen in der vergangenen Woche ein schwaches Weihnachtsgeschäft. Offenbar beflügelte die Vorstellung weiterer Kostensparmaßnahmen die Fantasie der Anleger.
Criteo ist also eher für die Suchmaschinentechnik und die Anzeigentechnik zuständig und Sie machen die Vermarktung?
Unsere Partnerschaft mit Criteo konzentriert sich auf die Bereitstellung der Anzeigentechnologie. Also die technische Seite. Und die Marken, die wir im Moment nicht im eigenen Haus verkaufen. Criteo wird uns dann helfen, den Long Tail dieser Marken anzusprechen.
Wie viel Prozent der Unternehmen, die auf Ihrer Plattform Werbung schalten, kommen nicht aus der Modebranche?
Im Moment sind es fast nur auf Mode fokussierte Marken, die ihre Produkte auf Asos selbst verkaufen. Es gibt also nur sehr wenige Unternehmen, die etwas anbieten, was man nicht auf Asos kaufen kann. Aber wir haben Pläne, die Möglichkeit zu erweitern, sodass auch Marken, die weder Mode noch Lifestyle-Produkte verkaufen, die Asos-Kunden ansprechen können. Das ist etwas, das Sie vielleicht in den kommenden Monaten sehen werden. In einer zweiten Phase.
Nach einem enttäuschenden Weihnachtsgeschäft
Asos setzt Hoffnung auf Kostensparplan
Der zuletzt schwächelnde Online-Modekonzern Asos will nach dem Ende des pandemiebedingten Online-Booms die Rendite über das Umsatzwachstum stellen und die Kernzielgruppe der jungen modebewussten Kunden zurückgewinnen.
Das heißt: Man kann fast alles, was man in den Anzeigen sieht, auch bei Asos kaufen?
Ja, im Moment ist das Angebot noch sehr auf die Händler ausgerichtet, die auf Asos verkaufen. Aber wir sind auf dem Weg, das Portfolio auszuweiten.
Wie viel Umsatz haben Sie 2022 mit Retail Media gemacht?
Das sind sensible Informationen, die ich nicht teilen kann. Aber was ich sagen kann: Retail Media wird ein immer bedeutenderer Teil unseres Geschäfts. Und unsere Marken sind sehr fokussiert auf diese Werbung. Die Nachfrage ist da. Wir freuen uns daher, dass wir den Marken dabei helfen können, mit ihren Kunden zu interagieren. Aber auch, dass wir die Rentabilität und das Wachstum von Asos unterstützen können.
Amazon macht etwa 7% des gesamten Umsatzes mit Retail Media. Ist das bei Asos ähnlich? Oder ist das eine Zahl, die Sie mittelfristig auch anstreben?
Nun, Amazon ist schon sehr lange im Bereich Retail Media tätig. Es handelt sich also um ein sehr fortgeschrittenes Geschäft. Wir wollen unser Retail Media-Geschäft ausbauen. Aber im Moment wollen wir nur die Marken unterstützen und sind daher nicht so sehr auf die tatsächlichen Wachstumsraten konzentriert.
Es gibt also keinen detaillierten Plan, was Sie innerhalb eines Jahres erreichen wollen?
Wir haben einen detaillierten Plan, aber ich kann Ihnen keine Details nennen, weil die Informationen sensibel sind.
Wir groß ist die Reichweite der Anzeigen im Asos-Kosmos?
Asos hat 26 Millionen Kunden weltweit. Unser größter Markt ist Großbritannien mit über 10 Millionen Kunden. Europa ist unser zweiter Schwerpunkt, wo wir weitere 9 Millionen Kunden haben. Der dritte Schwerpunkt sind die USA. Wir sind also weltweit tätig, aber die vier Kernmärkte, in denen wir mit der Ad-Tech-Lösung von Criteo an den Start gehen, sind Großbritannien, die USA, Deutschland und Frankreich. Das neue Retail Media-Angebot wird in all diesen Märkten gleichzeitig gelauncht, und zwar in diesem Sommer, hoffentlich schon im Frühsommer.
Und Amazon hat im Oktober 2022 mit Retail Media-Videoanzeigen begonnen. Bieten Sie jetzt auch gesponserte Videoanzeigen an?
Die Videos, die wir derzeit anbieten, gehören zu unserem Social-Media-Angebot, das außerhalb dieser technischen Integration liegt. Aber natürlich ist die Anzeigentechnologie von Criteo in der Lage, Videos außerhalb der Asos-Plattformen zu schalten, was wir in den kommenden Monaten ebenfalls in Betracht ziehen werden.
Können Sie sich auch vorstellen, gesponserte Werbung auf Metaverse-Plattformen wie Roblox oder Live-Streaming-Portalen wie Twitch zu platzieren?
Im Moment konzentrieren wir uns sehr auf die von Asos betriebenen Shops und Plattformen, die wir mit der Ad-Tech erreichen können. Aber wer weiß, was in der Zukunft passiert. Ich denke, das wird noch Jahre dauern.
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