„Innere Feinde“ – „Wir sind eins“ im „Arc républicain“

Beginnen wir mit einem berühmten Zitat:
Sie sind eingekeilt zwischen unseren Waffen, die hinauf sie gerichtet sind, und jenen entsetzlichen Gelüsten, die in ihnen befördert werden und die sie nicht immer wiedererkennen. Denn es ist zunächst nicht ihre Gewalt, sondern unsrige, die in ihnen anwächst und sie zerreißt.
Mit diesen Sätzen nahm Jean Paul Sartre 1961 Partei zu Händen die Gewalt jener Kolonisierten. Der Algerienkrieg (jener Menorrhagie nicht „Krieg“ genannt werden durfte) ging endlich seinem Ende zu. Aber noch einmal zeigte er die grauenvolle Dialektik von terroristischen Guerillaaktionen jener FLN und blutigen „Antworten“ jener französischen Kolonialarmee. Heute wäre Sartre ein Kandidat zu Händen die ewige mediale Verdammnis, ein Hamas-Versteher und – ein paar Sätze werden sich schon finden – ein Antisemit. Und seine Richter würden sich aufplustern wie die wirklichen Antisemiten, die Sartre so zeichnete:
Der Antisemit gewinnt immer. Er verlangt vom Juden, dass er sich stromlos. Wenn er nicht einverstanden ist, wird er knatschig. Aber wenn er gehorcht, wird er trotzdem nicht assimiliert, sondern geduldet („toléré“) . Und ebenso dann muss er dauernd „Beweise“ liefern. Ein „echter“ Franzose muss im Falle eines Krieges oder im Zusammenhang Unruhen keine „Beweise“ liefern.
Kein Krieg ohne dies „Freund-Feind-Denken“, dies im Zusammenhang uns zu Parteinahmen sublimiert wird. „Verurteilen Sie den Terror jener Hamas?“ lautet die Standardfrage an die üblichen Verdächtigen. Und verdächtig wird, wer den Terror zu exemplifizieren sucht, hinauf seinen Entstehungskontext verweist. „Qui s’explique s’excuse et qui s’excuse s’accuse“, heißt dies griffige Sprichwort. Wer sich erklärt, entschuldigt sich, wer sich entschuldigt, klagt sich an. Wer die israelischen Militäraktionen terroristisch oder gar Kriegsverbrechen nennt, ist überführt. Denn bedingungslose Solidarität mit Israel ist Staatsraison, zumindest in Deutschland. Wer dies durch öffentliche Kritik relativiert, kann nur ein Antisemit sein. Das Ritual ist – mit unterschiedlichen Tätern und Opfern – historisch eingeübt. Es hat sich etabliert, während jener Kreuzzüge, jener Inquisition, jener Hexenverfolgung, jener „terroristischen“ und jener „postterroristischen“ Phase jener französischen Revolution, vor den Richtern Stalins, in den Gestapo-Kerkern und vor dem „Committee for un-american activities“.
Frankreich: Der „republikanische Bogen“ ist gespannt
In Frankreich versteht es die herrschende politische Klasse virtuos, Kriege innerpolitisch zu instrumentalisieren. Blitz(kriegs)schnell wird jener „innerer Feind“ konstruiert. Was sich im Ukrainekrieg etabliert hat, wird – mit Variationen – fortgeführt. Wer die Hamas „versteht“, die terroristisch, damit „unehrenhaft“ kämpft und den „fairen“ Krieg unter Gleichen verlässt, muss politisch (und zwischenmenschlich) „vernichtet“ werden. Der Innenminister Darmanin, im ständigen Streben nachdem dem höchsten Amt, bezichtigt permanent die „extreme Linke und die Muslime jener (strafbaren) „Apologie des Terrorismus“. Der Weltfussballer Karim Benzema z.B. habe sich noch nicht per Twitter von einem islamistischen Mord an vereinigen Lehrer unnahbar. Verdächtig ist damit ebenso, wer nichts sagt. In den sozialen Medien wird berichtet, er habe nachdem Verklingen jener Marseillaise hinauf den Boden gespuckt. Auf den Bodern jener „Sainte République“! Wie die Terroristenfreunde dies so zeugen.
Ein deutsch-französischer Vergleich zeigt viel Gemeinsames: Im Unterschied zu den USA und GB praktizieren die Exekutivorgane beider Staaten „konsequente Rauheit“. Keine Toleranz zu Händen die Freunde jener Intoleranz. Das zeitigt dann solche Ereignisse: Einen Tag vor Allerheiligen eröffneten französische Polizisten dies Feuer hinauf eine Kopftuch tragende Frau, die laut Zeugen gerufen hatte: „Wir werden was auch immer in die Luft zur Strecke bringen!“ Sie wurde mit einem Bauchschuss zur Strecke gebracht. Es zeigte sich, dass sie völlig waffenlos war. Nota bene: Der Tatort war Paris am 31. Oktober 2023, nicht Alger 1961.
Dass neben den Islamisten ebenso die radikale Linke ins Visier gerät, war damit zu erwarten. Auch die Inkarnation des Bösen war schon ausgemacht. Frappierend war die Wucht des Angriff. Aber: „c’est la guerre“. Und Mélenchon ist ein Humorlosigkeit zu nehmender Feind, pardon Gegner. Ein Abgeordneter jener Macronie durfte in einem Privatsender dies Verdikt reichlich den Insoumissprechen. Der Insoumis sei „eine Gefahr zu Händen die Gesellschaft“ und müsse polizeilich im „Terroristen“ vorbehaltenen „Fichier Sulfur“ registriert werden. Das kapitale Verbrechen des dreifachen Präsidentschaftskandidaten? Er hatte die Untaten jener Hamas nicht qua „Terrorismus“, sondern qua „Kriegsverbrechen“ oder gar „Verbrechen an jener Menschheit“ bezeichnet und damit gegen den Sprachcode verstoßen. Die politisch-mediale Klasse in den westlichen Ländern zieht den Begriff „Terrorismus“ vor. Der ist zwar nicht jener Begriff des „Internationalen Strafgerichts“, freilich er emotionalisiert und mobilisiert. Er löst Angstreaktionen aus. Das nutzte schon Papst Urban II. in seinem Kreuzugsaufruf von 1095. Erschwerend kam hinzu, dass Mélenchon den Solidaritätsbesuch jener macronistischen Parlamentspräsidentin inkl. Visite eines israelischen Militärcamps hinauf seine Art kritisiert hatte:
Madame Braun-Pivet campiert in Tel Aviv, um dies Massaker zu unterstützen. Nicht im Namen des französischen Volkes!
Mélenchon benutzte dies Verb „camper“ in jener Bedeutung von „Les soldats campent à X. “Wie verräterisch! „Camper“ erinnert an „Camp de concentration“. Ergo: Mélenchon, ergo, die France insoumise, ergo, die Kritiker jener israelischen und jener französischen Regierung sind Antisemiten. Es ist dies die unerbittliche Logik des “Hexenhammers“ von 1486: „Femina“ besteht aus „Fides“ (Glauben) und „minor“ (weniger). Ergo: Frauen sind ungläubiger qua Männer.
(Aus jener Zukunft?) zurück in die Gegenwart. Die Herrschenden nach sich ziehen damit wieder ihre „inneren Feinde“. Mélenchon war einst Teil jener in Frankreich durchaus respektablen PLO-freundlichen Linken. Doch jetzt zeigt er des Teufels wahres Gesicht. Jäh blitzt er hinauf, jener Unterschied zwischen jener „guten“ republikanischen Linken (PS, PCF, Ecolos) und jener „bösen“ radikalen Linken (Insoumis, Trotzkisten und manche NGOs). Alles wissen es, ebenso wenn es kaum einer sagt: Natürlich war die Spaltung jener wahre Zweck jener (Medien-)Veranstaltung. Weniger die Sorge um die Israelis und die Palästinenser.
Der arme Mélenchon ist fortan vogelfrei: Meinungsumfragen zu Händen Privatmedien herausfinden vielleicht, dass 78% jener Franzosen in ihm tatsächlich eine „Gefahr zu Händen die Republik“ sehen. Die Todesdrohungen an den ehemaligen Chef jener Insoumis und bestimmte Abgeordnete nehmen zu. Auch die Abgeordnete Danièle Obono, die zu sagen wagte, dass die Hamas ihrem Namen zufolge „widersteht“ (résiste), ist Opfer einer rassistischen Hexenjagd, und dies nicht zum erstenmal. Es scheint sogar möglich, dass momentan jener France insoumise dies letzte Halali geblasen wird. Im „Arc républicain“ ist sie jedenfalls nicht mehr. Auch dies kommt schneller qua erwartet. Ehemalige enge politische und persönliche Freunde des Exkommunizierten touren schon durch die Studios und distanzieren sich von den Untaten des einst bewunderten Chefs. Wir können uns hinauf die psychodramatische Trennungs-Soap „Die Abrechnung jener Insoumis“ hinauf BFMTV freuen. Das Casting hat schon stattgefunden.
Die Angst vor islamistischem Terror beruht hinauf einem Phantasma, freilich sie bleibt eine reale Angst. Die Rechten und Extremrechten leben von ihr. Ihre potentiellen Präsidentschaftskandidaten wie jener Innenminister Darmanin wedeln geradezu virtuos mit dem Fetisch jener Terrorgefahr, besser: sie lassen die Medien „wedeln“. Und dies mit Erfolg. Das simple Ideologem des „Großen Austausches“ wird tatsächlich erdacht. Umfragen zufolge vertrauen die Befragten, dass 31% jener Bevölkerung in Frankreich Muslime seien. In Wirklichkeit sind es 8%. In Deutschland ist dies Verhältnis 19% zu 6,7%. Die Dämonen jener (kolonialen) Vergangenheit und jener rezenten Terrorakte (Charlie, Bataclan u.a.) sind immerwährend verfügbar. Hervorgerufen werden sie ebenso von smarten Anzug und Kurzhaar tragenden RN-Politikern. Sie sind mit Freude gesehene Gäste hinauf den Fernsehplateaus. Der RN gehört nämlich neuerdings zum „Arc républicain“. Schon 2017 schrieb jener Historiker Dominque Vidal sarkastisch:
Die Antisemiten werden salonfähig…, wenn sie die Politik Israels unterstützen.
Selbstverständlich nach sich ziehen die Frontisten am 12. November an jener großen Demo jener Regierenden gegen den Antisemitismus teilgenommen. Den kruden Judenhass ihrer Gründungsväter (darunter ebenso SS-Leute und Vichysten) nach sich ziehen sie per Transformationskompensations-Kompetenz gegen vereinigen antimuslimischen Rassismus ausgetauscht. War weder noch so viel zu verändern. Nicht nur ein Eric Zemmour zeigt täglich, wieviel antisemitische Motive in jener Islamophobie stecken. Aber ebenso er demonstrierte mit. Aus patriotischer Pflicht. Ihre patriotische Pflicht sollte die Franzosen vielleicht erwähnen, dass am 10. Juli 1940 jener „republikanische Bogen“ eines partizipativ gewählten Parlament einem gewissen Maréchal Pétain die „volle Gewalt“ gegeben hat, im Zusammenhang nur 80 Gegenstimmen, darunter ohne Rest durch zwei teilbar einmal 36 Sozialisten. Den kommunistischen Abgeordneten , diesen „inneren Feinden“, hatte man schon dies Mandat entzogen. Sie saßen zum Teil im Gefängnis. Aber vergessen wir nicht, dass es hinauf den Kontext ankommt (dazu später).
Dass ein Innenminister wie Darmanin in just dieser Situation „sein“ verschärfendes Einwanderungsgesetz hinauf die Schiene bringt, ist nur konsequent. The Darmanin Show must go on. Sonst ist er schnell „out“. Natürlich nutzten er, seine Ministerpräsidentin und viele andere ebenso dies plötzliche Auftauchen blauer Davidsterne an Pariser Hauswänden, um die „radikale Linke“ und die „Islamisten“ des feigen Antisemitismus zu beschuldigen. Allerdings wurde schnell lukulent, dass es die Tat eines von kurzer Dauer darauf abgeschobenen Paars aus Moldawien war. Dieses war wiederum von einem moldawischen Oligarchen betraut worden, jener wiederum Israel mit dieser Aktion stützen wollte. Sagt er zumindest.
Netanjahu wusste jedenfalls, warum er beim Israelbesuch Macrons eine schräge Parallele zwischen dem Gazastreifen (gradlinig vor Israel) und den Banlieues (gradlinig vor Paris) zog. Die Dichotomien christlich-jüdisches Abendland vs. Islam, Zivilisation vs. Barbarei, Vernunft („Raison“) vs. Wildheit ziehen immer noch. Widerspruch war von Macron zu diesem Zeitpunkt nicht zu erwarten. Die französischen Präsidenten nach sich ziehen spätestens mit Hollande und dessen Innenminister Valls von jener gaullistischen Außenpolitik des „Non-Alignement“ verabschiedet, zum Leidwesen vieler Diplomaten übrigens. Schon in vergangener Zeit wurden Pro-Palästina-Demos verboten. Allerdings ist in Frankreich die „bedingungslose Unterstützung Israels“ nicht „Staatsraison“. Die französische Diplomatie hält immer noch mindestens ein Türchen ungeschützt, flexible regelbasierte Außenpolitik sozusagen. Schließlich wollen die Waffenkonzerne ihre Rafales und Leclercs an die Saudis und Katari verkaufen. Macron konnte sich damit nicht recht entschließen. Mal bot er Netanjahu eine Allianz gegen den „Terror“ hinauf jener Erde an, wurde freilich stante pede von seinen Beratern zurückgepfiffen, mal schickte er in einem Anflug von medienbasierter Humanität den bedrängten Gazaouis den Helikopter-Träger „Tonnère“ (Donner) vor die palästinensische Seeküste. Und jener wartet momentan hinauf die 4 Schwerverletzten, die er aufnahmen kann. Die schöne Geste ästhetisiert in der Tat – homolog wie in Deutschland – verstärkte Waffenlieferungen an Israel (im Wert von 357 Mill. Euro). Das Militär des „ohne Weiteres unterstützten“ Landes scheint seinerseits keine Skrupel zu nach sich ziehen, die Büros von Agence France Press und des Institut français in Gaza-Stadt zu bombardieren.
Angesichts jener Bilder des Schreckens sinkt nachdem Umfragen die Akzeptanz jener Bombardements in jener französischen Bevölkerung (wie in Deutschland). Macron kündigte wohl ebenso deswegen verblüffend in einem Interview mit jener BBC am 10. November den von den Vernünftigen (den Linken und den alten konservativen Ministern, jener CGT und großen humanitären NGOs) schon Menorrhagie geforderten mutigen Schritt an:
De facto wird heute die Zivilbevölkerung bombardiert. De facto werden Säuglinge, Frauen, betagte Personen bombardiert und getötet. Dafür gibt es gibt keine Rechtfertigung und keine Legitimation. Wir ermahnen Israel, damit aufzuhören.
Netanjahu reagierte sofort. Die Taktik jener Hamas ließe Israel keine Wahl. Der „Repräsentative Rat jener jüdischen Institutionen in Frankreich“, jener ziemlich Netanjahu-affine CRIF, verurteilte die Forderung Macrons scharf. Der wiederum versicherte die Gesamtheit jüdischen Menschen seiner Unterstüzung. Er sei „mit dem Herzen“ im Zusammenhang jener großen Demo gegen den Antisemitismus am 12. Oktober. Seine Nichtteilnahme wurde zum Teil irgendwas pikiert aufgenommen. Die deutsche Außenministerin, wieder einmal „on tour“ in Riad, kritisierte die Macronsche Forderung nachdem Waffenruhe. So wie Scholz. Eine Waffenruhe würde letztendlich bedeuten, „dass Israel die Hamas sich rekonvaleszieren lassen soll“. Macron ruderte publik in die Zweideutigkeit zurück und versicherte dem israelischen Präsidenten „Unterstützung ohne jede Zweideutigkeit und Ihr Recht hinauf Selbstverteidigung“. Womit wir endlich im Zusammenhang den deutschen Zuständen angekommen sind. Hier nach sich ziehen die Regierenden offenbar ein großes Ziel, dies ein jauchzender Mitarbeiter jener „Tagesschau“ so so genannt hat: „Wir sind eins!“
Deutschland: „Wir sind Eins“ in „Null Toleranz“
Europaweit leben die meisten palästinensischen Geflüchteten in Deutschland. Dennoch sind die Demonstrationen zu Händen sofortigen Waffenstillstand erheblich Vorleger qua in Frankreich oder Großbritannien. Die „echten“ Deutschen vorexerzieren nicht so gerne mit diesen supekten Muslimen. Auch die Parteien, Gewerkschaften, NGOs mögen nicht so recht mobilisieren. Aber trotzdem (oder deswegen?) werden – wie im Nachbarland – die Demos delegitimiert und nachdem politischem Gusto (freilich stets in rechtsstaatlicher Attitüde) verboten oder mit Auflagen erschwert. Wie sollen die Organisatoren denn verhindern, dass ebenso Islamisten teilnehmen? Dass wirkliche antisemitische Parolen gerufen werden? Oder – dies Summum jener teuflischen Impertinenz – terroristische Zeigefinger in die Luft gereckt werden?
Die staatlichen Organe sind in Habachtstellung. Jede wirkliche oder vemeintliche „israelfeindliche“ und/oder antisemitische Vorbringen wird entdeckt. Die Polizei greift „konsequent und niederschwellig“ zu. Immer wieder werden uns Spektatoren die Corpores delicti gezeigt: Tücher, Fahnen in den Palästinafarben oder, horribile dictu, an die ISIS oder die Hamas „erinnernde“ Banner mit Losungen wie „Eine Umma. Eine Einheit. Eine Störungsbehebung. KHILFAH“. Keine Nachricht reichlich die Demos ohne Verweis hinauf antisemitische Sprüche, deren konkreter Inhalt uns Vulnerablen freilich oft vorenthalten wird. Aus Israelkritik wird wohl „Israelfeindschaft“ geschlossen, die Analogie zur „Verfassungsfeindschaft“ ist offensichtlich gewollt. Vom Berufs- zum Demonstrationsverbot – ebenso eine (nicht nur) sozialdemokratische Tradition.
Resultat: Seit dem 7. Oktober solange bis Mitte November sind in Deutschland reichlich 2700 angezeigte wirkliche oder scheinbare antisemitische Vorfälle gesammelt worden (gegensätzlich ungefähr 1400 in Frankreich und irgendwas reichlich 1000 in GB, wo die Demos viel größer sind). Künftig wird in Bayern ebenso die Parole „Vom Fluss zum Meer“ strafrechtlich verfolgt, obwohl sie polysemisch ist: sowohl die OLP und die Hamas nach sich ziehen sie nicht frisch, freilich ebenso jener Likud des gegenwärtigen Ministerpräsidenten. Doch welches erfordern wir Nuancen? Der zuständige Oberstaatsanwalt ist jedenfalls zufrieden: „Z. Hd. uns bedeutet dies eine neue juristische Klarheit.“ Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die Antisemitsmusbeauftragte in NRW, musste leider zurückrudern. Sie hatte die Prüfung jener Staatsangehörigkeit im Zusammenhang jener Abmeldung einer Demo gefordert, „denn das ist eines der wenigen Grundrechte, das nur Deutschen zusteht“.
Fast unisono („Wir sind Eins“) fordert die politische Klasse die erneute Verschärfung, pardon, „Nachbesserung“, jener erst vor kurzem verschärften „Versammlungsgesetze“. Die könnten, wie praktisch, künftig ebenso gegen „Querdenker“ oder Klimademonstranten angewandt werden. Die sind nachdem jener Störung des Straßenverkehrs durch die Ökos und den Friedensaktionen jener einstigen Ikone Greta inkl. Plüschkraken sowieso zu Schmuddelkindern geworden. Die herrschende Klasse in Frankreich hat gute Erfahrungen mit diesen Verfahren. Die nachdem 2015 ständig erneuerten Antiterrorgesetze wurden zunächst gegen manche „Terroristen“, dann freilich – nachdem ihrer Umwandlung in allgemeine Strafgesetze – ruckzuck gegen Linke und Gewerkschaftler angewandt. Nun, letzteres ist im Zusammenhang den deutschen Arbeiterbewegten wohl nicht nötig. Seien wir stolz hinauf unsrige Linke. Die ist so zahm und schwach, dass sie – verschieden qua in Frankreich – nicht Seltenheitswert haben kriminalisiert werden muss.
Aber im Ernst: Hat Nancy Fraeser mit ihrem „Es gibt null Toleranz zu Händen antisemitische und israelfeindliche Hetze“ denn nicht recht? Aber ja. Wer würde ihr nicht zustimmen! Allerdings nachdem Klärung jener Inhalte. „Israelfeindlich“ kann vieles bedeuten. Auf den Demos äußerten sich ebenso wirkliche Antisemiten, laut, viel zu laut. In den sozialen Medien tummeln sich Judenhasser, rechtsextreme, die hinauf Philosemiten zeugen, freilich ebenso muslimische. Aber täuscht mich mein Eindruck, dass man im Zusammenhang Muslimen genauer hinschaut qua im Zusammenhang europäischen Faschisten? Haben die deutschen (oder französischen) DemonstrationskontrollbeamtInnen sich nicht wenigstens einmal und ganz ohne Anleitung gefragt, ob ihr Handeln vielleicht einem rassistischen Setting folgt. Haben sie ebenso nur einmal den Gedanken gewagt, dass es ebenso „null Toleranz“ für antiarabischen Rassismus und antimuslimische Hetze geben sollte? Wie kann es sein, dass der berechtigte Kampf gegen den Antisemitismus rassistischen Antimuslimismus als Kollateralschaden erzeugt?
Als bürgerlicher Gesamtrechter redet Friedrich Merz von „importiertem Antisemitismus“. Historisch korrekt wäre allerdings das Wort Re-Import, ein Return to sender. Der Antisemitismus des „Nahen Ostens“ ist ein Produkt des europäischen Imperialismus. Die klassischen Motive des Antisemitismus (die Juden als Ritualmörder, steinreiche Wucherer, Verschwörer etc.) erschienen in Syrien und Ägypten erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die Multiplikatoren waren christliche europaorientierte Autoren. In Palästina wurde dieser Antisemitismus im Kontext der israelischen Kolonisierung rezipiert. Die Hamas-Charta von 1988 bezieht sich im Artikel 32 explizit auf die berüchtigten „Protokolle“, die 1921 von einem maronitischen Priester ins Arabische übersetzt worden waren. Der „israelbezogene Hass“ von demonstrierenden Palästinensern hier und von bedrängten Menschen im Gazastreifen mag sich auch aus diesem Arsenal bedienen. Ähnliches gilt aber ebenso für den antiarabischen Rassismus von Israelis und nicht wenigen Anti-Antisemiten hier. Werden die hier lebenden Muslime etwa nicht von vielen als „deutsch sprechende Orientale“ (so Treitschke über die Juden) betrachtet – mit allen Klischees des Orientalismus?
Staatsräson und Wehrhaftigkeit
Man wird den leisen Verdacht nicht los, dass die moralische Empörung weniger auf den Wahrheitsgehalt zielt als auf die Gesinnung, wie Adorno bezüglich der „Eigentlichen“ bemerkte. Dies würde das ängstliche Kleben am „Discours unique“erklären; die wenigen Widersprechenden werden – wie in Frankreich – durch ein „Verurteilen Sie?“ zum Schweigen oder zur kaum gehörten Kritik im kleinen Kreis gebracht. Die Einheitssprache begleitet einen migrationspolitischen „Paradigmenwechsel“, wie unsere gebildeten Politiker gerne sagten, bevor die „Zeitenwende“ obligatorisch wurde. Jetzt sprichen sie von „Migrationswende“. Es geht auch bei uns um die Abkehr von einigermaßen humanen Einwanderungsgesetzen in Richtung „Workfare“ und beschleunigte Abschiebung. Wohin will man eigentlich Palästinenser abschieben? Wie auch immer: Für einige ist dies auch bei uns die Gelegenheit, sich zum starken Mann (mit politischem) Potential aufzuplustern – wie in Frankreich. Zum Beispiel für meinen Landesvater Wüst (auch ihm werden höhere Ambitionen nachgesagt):
Ich kann für mich persönlich sagen: Mich widert das an. Wer in einem Kalifat leben will, der ist hier in Deutschland schlicht falsch. Ob Salafisten, Islamisten, Extremisten – das gehört konsequent verboten. Wir müssen unsere freie Gesellschaft verteidigen.“
Da ist nicht nur die Syntax falsch. Am 9. November glaubt er, die deutschen Juden mit diesen gnädigen Worten trösten zu sollen:
Ihr seid nicht einsam, wir nehmen Euch in unsrige Mitte. Deutschland, dies ist ebenso Euer Land.
Bin ich jener einzige, den dieser nur zu bekannte Jargon irritiert? Muss man dies Selbstverständliche mit Fetischwörtern reaktionär verkitschen? „Man“ muss wohl. Wüsts Parteifreund Generalsekretär Linnemann fordert qua Merzens Sprachrohr gar den „wehrhaften Staat“, sicher ebenso weil jener Krieger zu Händen christliche Werte ohne Rest durch zwei teilbar im Wählerteich jener AFD Stimmen fischt:
Der Staat muss jetzt zeigen, dass er wehrhaft ist. Der politische Islam verbreitet sich seit dieser Zeit Jahren… (Es gibt) offenkundig ein Problem, dass viele Menschen zu uns gekommen sind, die dem Staat Israel und dem Judentum feindselig gegenüberstehen.
(Nicht nur) Linnemanns Vorschlag:
Jeder, jener in dieses Land kommt, muss eine Integrationsvereinbarung unterzeichnen. Und darin muss unter anderem die Anerkennung des Existenzrechts Israels stillstehen“
Das ist der Sound vom rechten Rand, der Sound der Darmanin, Zemmour oder Le Pen. Wie die Grünen klingen, wird weiter unten beschrieben. Von der israelischen Kriegsführung und der verzweifelten Wut und Trauer der Palästinenser, dem Anlass der zahlreichen Demos, wird jedenfalls kaum gesprochen. Von der verständlichen Wut und Trauer der Israelis fast immer. Der Bundespräsident ist immerhin generös:
Ich möchte mich an die palästinensische Gemeinschaft in unserem Land wenden. Sie alle sollen Raum haben, um Ihren Schmerz und Ihre Verzweiflung über die zivilen Opfer in Gaza zu zeigen, mit anderen zu teilen. Das Recht, das öffentlich und friedlich zu tun, ist von unserer Verfassung garantiert – und dieses Recht steht nicht in Frage. Und es darf keinen antimuslimischen Rassismus und auch keinen Generalverdacht gegen Muslime geben.
Das klingt so kühl, dass man sofort ein „Aber“ erwartet. Et voilà:
Aber Terrorismus, Volksverhetzung und der Aufruf zur Vernichtung des Staates Israel sind nicht Teil dieser Garantie, und ich erwarte, dass wir gemeinsam dagegenhalten.
Warum stellt Steinmeier nicht wenigstens die Frage, was die geflüchteten Palistenser von ihm erwarten? Tragen das deutsche Staatsoberhaupt und seine Redenschreiber nicht doch einen kleinen Generalverdacht in ihrem reinen Busen? Sicherlich haben sie von Bedenken gehört, wie sie z.B. Saba-Nur Cheema formuliert:
Es ist kein Geheimnis, dass sich offenbar die Mehrheit der Muslime mit ihren Glaubensgenossen in der Westbank und Gaza identifiziert. Und trotzdem bedeutet das nicht, dass sie gleich die islamistische Ideologie der Hamas unterstützen. Es sollte nicht schwer sein zu verstehen, dass es hier um zwei unterschiedliche Sachen geht. Warum aber läuten hierzulande die Alarmglocken bei jedem Anzeichen der Sympathie für und Solidarität mit Palästinensern? Als ob jeder, der die Palästinaflagge (nicht die Hamas-Flagge!) hält, gleich Antisemit sei.
Warum beschweigt Steinmeier obstinat die lange Genese des gegenwärtigen Horrors. Warum spricht er nicht von der gnadenlosen Kriegsführung der israelischen Regierung und ihres Militärs? Warum die „doppelten Standards“?
Darum: „Die Sicherheit Israels und seiner Bürger ist Staatsräson,“ so Olaf Scholz bei seinem Besuch Israels eine Woche nach den Terrorakten. Auch eine Art „Basta!“. Der Kanzler bezog er sich auf Angela Merkel, die 2009 in der Knesset befand:
Jede Bundesregierung und jeder Bundeskanzler vor mir waren der besonderen Verantwortung Deutschlands für die Sicherheit Israels verpflichtet. Diese historische Verantwortung Deutschlands ist Teil der Staatsräson meines Landes. Das heißt, die Sicherheit Israels ist für mich als deutsche Bundeskanzlerin niemals verhandelbar – und wenn das so ist, dann dürfen das in der Stunde der Bewährung keine leeren Worte bleiben.
Der vordemokratische Begriff „Staatsräson“ ist jedoch problematisch. Ihn ohne parlamentarische Diskussion als quasi „gottgegeben“ zu erklären, ist eine gut gemeinte absolutistische Anmaßung. Der „Staatsvernunft“ immer und überall zu gehorchen zu müssen, ist preußisch. In extremis legitimiert der entsprechende Staatsgehorsam auch Unrechtshandeln und negiert die Menschenrechte von Bürgern und Citoyens. Merkel euphemisierte dieses typisch deutsche Dilemma mit dem Syntagma „Stunde der Bewährung“. Statt „Staatsräson“ hätte eine ehrliche „besondere historische Verantwortung“ wohl gereicht, wobei nicht vergessen werden sollte, wie mühsam der Erkenntnisweg der Deutschen von einem Schweige- und Opferkollektiv zu einer offensichtlich nachhaltigen „selbstkritischen Betrachtung der eigenen Geschichte“ war, so der Kolonialhistoriker Jürgen Zimmerer. Und er fährt fort:
Diese Singularität… beschränkt die Selbstverpflichtung Deutschlands auf Israel. Ähnlich konkrete Verpflichtungen etwas zur Solidarität mit Polen, Russland, der Ukraine, um nur drei Länder zu nennen, die unter dem deutschen Vernichtungskrieg besonders gelitten haben, gibt es nicht… Vergleichbare historische Selbstverpflichtungen aus anderen Epochen der deutschen Geschichte bestehen ebenfalls nicht, selbst nicht für größte Massenverbrechen bis hin zum Genozid.
Und später:
Merkel hat durch ihre Knessetrede dem offenen Diskurs einen Bärendienst erwiesen… Jede Debatte über den historischen Ort des Holocaust,über dessen Singularität wird zu einer Debatte über die Positionierung zu Israel und zum israelisch-palästinensischen Konflikt.
Das Problem zeigte sich schnell: die „Staatsräson“ wurde zunehmend restriktiv interpretiert. Sie wurde zur „Zivilreligion“ (Stefan Detjen) mit ihren eigenen Priestern und einem Katechismus, mit nichthinterfragbaren Wahrheiten. Viele Beispiele zeigen: Der Paranoia dieser „Obsessionsmanager“ (Dirk Moses) kann keiner entkommen. Das Stigma des Antisemitismus ist nachhaltig, auch dann wenn es offensichtlich ungerechtfertigt ist. Ein Zurückweisen des „Generalverdachts“ à la Steinmeier ändert daran nichts. Dazu Moses:
Diese Verdachtsdynamik ist allgegenwärtig, weil es unter den Obsessionsmanagern zu einer Art Wettstreit um die Dominanz des Obsessionsfeldes kommt.
Im Moment scheint es sehr viele dieser „Manager“ zu geben. Am Gedenktag des 9. November 1938 zog so mancher mit Tremolo in der Stimme, aber inhaltlicher Schlichtheit die erwartete Assoziation Hamas-Holocaust. Der Ton war schon vorher angegeben worden. Wirtschaftsminister Habeck hatte sich mit einer una voce mediale bewunderten Online-Rede an das Volk gewandt. Innerhalb einer Woche hatte sie über eine Million Aufrufe. Bewunderung allerorten: „historisch“ sei die Rede, „staatmännisch“ (hier muss man nicht gendern), mit einem Satz: „Es war die Rede, die der Bundespräsident oder der Bundeskanzler längst hätten halten sollen.“ (Tagesspiegel). Da hat ein ganz Großer gesprochen.
In Wahrheit war die Rede peinlich: ihr Zweck, den Wirtschaftsminister qua Sprecher jener liberalen modernen Mitte zu inszenieren, war überdeutlich (H. posierte sogar kühl rasiert und mit einer dunklen Krawatte), dies Format wohl überlegt. Die Botschaft war ebenso ersichtlich: ein Habeck geht andere Wege qua die gewöhnlichen Politiker. Interessant ist, welche Inhalte hier an die eigentlich jüngeren Adressaten verkauft werden sollen. Die sind zwar nicht originell, freilich eine kurze Analyse lohnt sich.
Am Anfang ist natürlich jener Nomos:
Israelische Sicherheit ist Deutschlands Staatsräson.
Die Rede besteht aus Variationen dieses Satzes, und die sind von kurzer Dauer und durchgängig, manchmal schräg, manchmal wie geschmiert falsch. Vorgetragen im Jargon jener Eigentlichkeit unserer Zeit. Präzise Sprache würde die offenbare Hohlheit so mancher Phrasen offenbaren. Da gibt es „Sätze, die sagen“, unser Verhältnis zu Israel „rührt aus jener Verantwortung“. Habeck scheut sich nicht vor permanenter Verallgemeinerung:
Es war die Generation meiner Großeltern, die jüdisches Leben in Deutschland und Europa vernichten wollte.
Exekutiert wurde die Shoah von einigen Hunderttausend Deutschen und willigen Helfern jener besetzten Territorien. Obwohl sie „geheime Reichssache“ war, wurde sie immer mehr zu einem offenen Geheimnis. Die Generation von Habecks Großeltern mag „indifferent“ gewsesen sein (Hans Mommsen) oder sich in einer „breiten Grauzone des Nichtwissen-Wollens, bewussten Verdängens und Sich-selbst-Belügens“ (Peter Longerich) befunden nach sich ziehen. Von einem „Vernichten-Wollen“ einer ganzen Generation (genauer: Generationen) zu sprechen, ist historisch wie geschmiert falsch, freilich es passt halt gut.
Ebenso radikalreduziert ist folgendes:
Alle, die zuhören, können und sollen dies wissen. Der Zweite Weltkrieg war ein Vernichtungskrieg gegen Juden. Z. Hd. dies Naziregime war die Vernichtung des europäischen Judentums dies Hauptziel.
An dieser Stelle nur wenig zu dieser Aussage, zu jener so viel zu sagen wäre. Der Historiker Hans Mommsen schreibt zu diesem Thema:
“Die Ermordung jener europäischen Juden entsprang keinem von vornherein festgelegten Konzept…, sondern stand am Ende eines komplexen und widersprüchlichen politischen Prozesses, dessen Richtung von den rassenpolitischen Wahnvorstellungen jener NSDAP vorgegeben wurde, jener freilich damit keinesfalls teleologisch determiniert war
Der Krieg gegen die Sowjetunion war ein rassistischer Eroberungs- und Vernichtungskrieg, um ein „hinauf rasseideologischen Grundlagen beruhendes Lebensraum-Imperium in Osteuropa zu errichten“ (Longerich, Antisemitismus). Aber es ist falsch, den Holocaust qua „Hauptziel“des Weltkriegs zu bezeuchnen . Die Monstrosität jener Vernichtung des europäischen Judentums geschah im Zweiten Weltkrieg, jener freilich nicht zu diesem Zwecke begonnen wurde. Wie kommt Habeck zu dieser Simplifizierung? Wie ist welche bizarre Datierung jener Shoah zu exemplifizieren, wenn er vom „heute, hier in Deutschland, so gut wie (wirklich so!) 80 Jahre nachdem dem Holocaust“ spricht? Fast? Begann jener Holocaust damit erst 1944? Oder geht es um die runde Zahl und ihren rhetorischen Effekt? Beides wäre schlimm, zu Händen vereinigen Wirtschaftsminister und noch mehr zu Händen vereinigen künftigen Bundeskanzler. Habecks Formulierungen können nur aus jener Omnivalenz des Dogmas erklärt werden. Das ist wie geschmiert Menorrhagie überholte „intentionale“ Schule und eine schwergewichtig zu verstehende Komplexitätsreduktion. Der Verzicht hinauf Kontextualisierung gebiert Relativierungen, die wirklich gefährlich sein können.
Habeck beklagt, dass die Solidarität mit Israel schnell labil werde. Wenn es stimmte, wäre dies wohl mit den verstörenden Bildern des Bombardements und jener Verzweiflung jener Menschen zu exemplifizieren. Im asymmetrischen Krieg nehmen viele Menschen Partei zu Händen den Schwächeren. Auch jener Ukrainekrieg hat dies gezeigt. Dem Nomos folgend, hält Habeck seinen „unbedingten“ Solidaritätsbegriff. Was ebenso immer dies israelische Militär tut, es ist geschmacklos und recht, wenn es um die „Sicherheit“ geht. Natürlich wird ebenso welche nicht näher erläutert. Dafür verkündet er ex cathedra, „Kontextualisierung darf nicht zur Relativierung münden“. Auch dieses ohne Wenn und Aber ist historisch stupid. Mit Slavoj Žižek im „Freitag“: „Eine Analyse des Kontextes eines Massakers oder eines Krieges bedeutet keine Entschuldigung oder Rechtfertigung.“ Natürlich nicht. Habeck schreibt:
Das Verbrennen von israelischen Fahnen ist eine Straftat, dies Preisen des Terrors jener Hamas ebenso. Wer Deutscher ist, wird sich zu diesem Zweck vor Gericht verantworten sollen, wer kein Deutscher ist, riskiert außerdem seinen Aufenthaltsstatus. Wer noch keinen Aufenthaltstitel hat, liefert vereinigen Grund, abgeschoben zu werden.
Wenn er nicht mehr weiter weiß (oder darf), landet ebenso jener grüne Biedermann immer im Zusammenhang Strafandrohungen (und kann die „Rechte“ nicht erwähnen, ohne die „Pflichten“ zu exponieren). So macht man dies hier. Schon 1849 machte man dies so, zumindest in Preußen: „Wer durch Wort, Schrift, Druck oder Zeichen, bildliche oder andere Darstellung, die Ehrfurcht gegen den König verletzt, wird mit Gefängnis von zwei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.“ Wer „israelkritisch“ und kein Deutscher ist, riskiert die Abschiebung. Ich höre sie jubeln, die rechtsextremen Alternativen zu Händen Deutschland und ihre politischen Freunde in Frankreich. Oben die Rede eines grünen Wirtschaftsministers.
Und dann zeigt jener Philosoph wieder Stirnfalten. Er wendet sich an die Linken (oder wen er zu diesem Zweck hält):
Sorge macht mir freilich ebenso jener Antisemitismus in Teilen jener politischen Linken und zwar leider ebenso im Zusammenhang jungen Aktivistinnen und Aktivisten. Antikolonialismus darf nicht zu Antisemitismus münden.
Immerhin bleibt H. seiner Linie treu, die allgemeine Ebene nicht zu verlassen. Welche antisemitischen Handlungen jener antikolonialistischen Linken meint er konkret? Etwa dies „Stand with Gaza“-Plakat von Greta? Oder ihren Plüschkraken?
Am Ende fragt man sich: Empfindet jener Wirtschaftsminister denn schier keine Empathie gegensätzlich den Palästinensern? Er muss doch wissen, welches momentan passiert. Aber ja, die Empathie lässt er sich entweichen. Man ist ja verantwortungsvoll:
Ja, dies Leben in Gaza ist Leben in Perspektivlosigkeit und Armut. Ja, die Siedlerbewegung in jener Westbank schürt Unfrieden und nimmt Palästinensern Hoffnung und Rechte – und zunehmend ebenso Leben.
„Zunehmend Leben nehmen“, so bezeichnet man damit qua Humanist die völkerrechtswidrige Kollektivstrafe Massentötung durch Extrembombardierung, um die Schuldigen herauszufiltern („Gott wird die Seinen schon wiedererkennen“). „Zunehmend Lebend nehmen“ ruft qua Syntagma übrigens nachdem dem Reflexivpronomen „sich“. Aber „Jedes tote Kind ist eines zu viel“. Da hat er recht. Und drum fordert er „humanitäre Lieferungen“. Denen wieder die Bomben nachstellen. Das Ende jener Kriegshandlungen darf und wird er nicht fordern, weil er sonst gegen die „Staatsräson“ verstoßen würde. Immerhin hat H. die Bevölkerung Palästinas erwähnt…, um sie dann wieder zu beschweigen:
Die Hamas will nicht die Aussöhnung mit Israel, sondern die Auslöschung von Israel. Und so gesehen gilt unverrückbar: Das Existenzrecht Israels darf nicht relativiert werden. Die Sicherheit Israels ist unsrige Verpflichtung. Deutschland weiß dies.
Und ist drum „eins“.
Resümieren wir: Der Ukrainekrieg und jener neue Nahostkrieg akzelerieren in Deutschland wie in Frankreich die „Zeitenwende“: Lästige politische Gegner werden exkommuniziert, Karrieren vorbereitet, bestimmte Meinungen unter Straafandrohung gestellt, die Gesellschaft kriegsbereit „aufgestellt“ (Pistorius) und umstrittene politische Agenden endlich durchgesetzt. Uns um „unsrige“ Pilot scharend, zeigen wir hinauf die äußeren Feinde: Putin und die Russen, China, die Terroristen, gegen die wir dies Recht hinauf Selbstveteidigung. Die „inneren Feinde“ sind so gut wie mundtot gemacht, bleiben freilich „gefährlich“. Denn wir nach sich ziehen aus jener Geschichte gelernt. Nie wieder ist jetzt. Und welches ist morgiger Tag?
Dieser – wieder einmal zu Menorrhagie – Text begann mit Sartre. Mit den letzten Worten Sartres aus den „Réflexions sur la question juive“aus dem Jahre 1946 soll er enden:
Kein Franzose wird unbesetzt sein, solange die Juden nicht die Gesamtheit Rechte nach sich ziehen. Kein Franzose wird in Sicherheit sein, solange ein Jude, in Frankreich und hinauf jener ganzen Welt um sein Leben fürchten muss.
Das gilt zu Händen die Gesamtheit Menschen. Auch zu Händen die Palästinenser.
PS. Die letzten Sätze Sartres aus seinem Vorwort zu den „Verdammten dieser Erde“ zitiere ich besser nicht.
Peter Longerich, „Davon haben wir nichts gewusst“. Die Deutschen und die Jufenverfolgung. Berlin 2006
Peter Longerich, Antisemitismus. Eine deutsche Geschichte. Berlin 2021
Hans Mommsen, Auschwitz. 17. Juli 1942. Frankfurt 2002
Jean-Paul Sartre, réflexions sur la question juive, Paris 1946
Jean-Paul Sartre, Vorwort zu Frantz Fanon, Die Verdammten dieser Erde, Frankfurt 1981 (frz. 1961)
Dominique Vidal, Le mal-être juif. Marseille 2003
Domiinque Vidal, Antisionisme = Antisémitisme? Paris 2017
Rezà Zia-Ebrahimi, Antisémitisme & Islamophobie. Une Histoire Croisée. Paris 2021
Jürgen Zimmer, Erinnerungskämpfe. Neues deutsches Geschichtsbewusstsein. Stuttgart 2023