Innenministerin Faeser kündigt Kandidatur für Hessen an

Bundesinnenministerin Nancy Faeser steht als Spitzenkandidatin der SPD für die hessische Landtagswahl am 8. Oktober bereit. Innenministerin will sie auch im Fall einer Niederlage bleiben. Das teilte sie ihren Mitarbeitern in einem Brief mit, der WELT vorliegt. In dem Brief heißt es: „Ich weiß, dass viele von Ihnen die Frage beschäftigt, ob ich mich im Oktober in meiner Heimat Hessen um das Amt der Ministerpräsidentin bewerbe. Und es ist mir wichtig, dass Sie es von mir selbst erfahren: Ja, ich kandidiere. Ich bin die erste Frau an der Spitze des Bundesinnenministeriums – und ich möchte die erste Ministerpräsidentin in Hessen sein. Und Sie kennen mich: Ich trete an, um zu gewinnen.“

Sie wolle, so Faeser, „von Anfang an Klarheit“ schaffen: Wenn die „Wähler sich im demokratischen Wettbewerb anders entscheiden, werde ich weiterhin als Bundesinnenministerin meiner Verantwortung gerecht werden“.

Faeser: Für einen langen Wahlkampf sind die Zeiten ohnehin zu ernst
In einer Demokratie sei es eine Selbstverständlichkeit, dass Kandidaten auch „aus Ämtern heraus für Wahlen kandidieren“. Für „einen langen Wahlkampf sind die Zeiten ohnehin zu ernst. Die Auswirkungen des furchtbaren russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine beschäftigen uns weiter sehr.“ Genauso wolle sie „die vielfältigen Reformen umsetzen, die wir uns mit dem Koalitionsvertrag vorgenommen haben“.

Bereits in den vergangenen Tagen war über eine mögliche Kandidatur Faesers spekuliert worden. Nicht nur die Union, sondern auch der Koalitionspartner FDP mahnte, in Krisenzeiten mit einem Krieg in Europa, großen Fluchtbewegungen und einer weiterhin hohen terroristischen Bedrohung könne man nicht gleichzeitig mit dem gebotenen Einsatz das Bundesinnenministerium führen und in Hessen Wahlkampf machen.

Die vor ihrer überraschenden Kür zur Bundesinnenministerin durch Olaf Scholz (SPD) bundesweit wenig bekannte Politikerin hat ihr Amt als Chefin des größten deutschen Ministeriums vor allem dazu genutzt, den Rechtsextremismus als größte Bedrohung für die Demokratie in der Bundesrepublik zu betonen. Ein relativ geringes Interesse zeigte sie bisher an einer der Hauptaufgaben des Bundesinnenministeriums, nämlich der Reduzierung illegaler Einreisen in das Bundesgebiet. Diese sind während ihrer Amtszeit deutlich angestiegen. Beispielsweise hat Faesers Ministerium die Integrationskurse auch für unerlaubt einreisende Asylsuchende aus Staaten mit geringer Anerkennungschance geöffnet sowie die Vergabe von Aufenthaltstiteln an abgelehnte Asylbewerber mit ungeklärter Identität ausgeweitet. In der vergangenen Woche wendete sie sich auf EU-Ebene gegen einen Vorstoß der EU-Kommission, den Druck auf rücknahmeunwillige Herkunftsstaaten von abgelehnten Asylbewerbern zu erhöhen, etwa durch Drohung mit Visaeinschränkungen für Touristen, die aus diesen Staaten in die EU reisen möchten.

In Hessen sind die Sozialdemokraten seit 1999 in der Opposition. Die Christdemokraten gehen mit dem amtierenden Ministerpräsidenten Boris Rhein ins Rennen. Für die seit 2014 mitregierenden Grünen kandidiert Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir. An diesem Freitag ist Faeser in Friedewald beim Hessen-Gipfel der SPD.

Welt