Indien statt Russland – Skoda hält so lange wie möglich am Verbrenner fest
Der kriegsbedingte Rückzug aus Russland hat Europas Industriekonzerne viele Milliarden Euro gekostet. Allein Volkswagen musste im vergangenen Jahr Belastungen von zwei Milliarden Euro hinnehmen, sagte Finanzvorstand Arno Antlitz bei der Vorlage der Konzernbilanz. Hart getroffen innerhalb des Konzerns hat es die tschechische Tochter Skoda, die seit vergangenem Jahr das Geschäft für die ganze Gruppe in Russland koordiniert – oder vielmehr den Abschied von dem Geschäft.
Zwei Werke hatte der Konzern in dem Land. Das kleinere, in Nischni Nowgorod an der Wolga, hat VW bereits an seinen dortigen lokalen Joint-Venture-Partner abgegeben. „Über das größere der beiden Werke, in Kaluga, wird mit möglichen Käufern gesprochen. „Wir befinden uns auf der Zielgeraden und erwarten, den Verkauf bald abzuschließen. Damit können wir auch die negativen Effekte im Zusammenhang mit der Stilllegung unseres Geschäfts in Russland von 700 Millionen Euro in 2022 hinter uns lassen. Wir richten unseren Fokus auf dynamische Wachstumsmärkte im asiatischen Raum, vor allem auf Indien und Vietnam“, sagt Skoda-Chef Klaus Zellmer im Gespräch mit WELT.
Nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine hatten die meisten westlichen Unternehmen ihre Geschäfte in Putins Reich zügig beendet. Allerdings sitzen viele noch auf ihren Beteiligungen dort, deren Wert sie in den Bilanzen auf Null korrigieren müssen. Besonders stark betroffen war der französische Renault-Konzern, der vor dem Krieg mit 45.000 Mitarbeitern größte Autohersteller in Russland. Zu Renault gehörte die russische Traditionsmarke Lada, die der Konzern inklusive Fabrik für einen symbolischen Rubel an den Staat abtreten musste.
Ob Volkswagen für das Werk in Kaluga mehr Geld bekommt, ist offen. Klar ist aber, dass sich die Verluste weiter summieren, solange es nicht verkauft ist. Denn obwohl die Produktion seit einem Jahr stillsteht, muss VW weiterhin die Löhne der Mitarbeiter bezahlen. Zugleich fehlen die Einnahmen aus dem Russland-Geschäft. Vor dem Krieg hatte allein Skoda dort jedes Jahr 90.000 bis 100.000 Fahrzeuge verkauft. Jetzt versucht Zellmer, diese Lücke durch Wachstum in neuen Märkten auszugleichen. Dabei konzentriert er sich vor allem auf Indien.
Für den Markt hat der Hersteller zwei eigene Fahrzeuge entwickelt, den SUV Kushaq und die Limousine Slavia, die dort in zwei eigenen Werken produziert werden – mit Teilen, die zu 95 Prozent aus Indien kommen. Im vergangenen Jahr stiegen die Absatzzahlen der beiden Modelle rasant auf 55.000 Stück an. Nun erwartet Zellmer für das laufende Jahr abermals Wachstum „im zweistelligen Prozentbereich“ und eine Steigerung der Profitabilität. „Mit weiteren Fahrzeugen, die wir in Indien für Indien entwickeln, bin ich zuversichtlich, dass wir unseren Absatz nach 2024 nochmals verdoppeln“, sagt Zellmer.
Als Nächstes sollen Kushaq und Slavia in Vietnam gefertigt und verkauft werden, dazu startet Skoda im kommenden Jahr eine Endmontage in dem Joint-Venture-Partner Thanh Cong Motor in dem Land. Die Bauteile dafür werden nach Vietnam importiert.
VW ist in China noch immer Marktführer bei Verbrenner-Pkw
Innerhalb der „Volumengruppe“ bei VW, zu der auch Seat und die Marke VW zählen, koordiniert der Manager das Geschäft im südostasiatischen Raum (Asean). Auch andere Autokonzerne hoffen auf starkes Absatzwachstum in Ländern wie Indonesien, Malaysia oder Thailand in den kommenden Jahren. Ähnlich wie in China in den vergangenen Jahrzehnten wächst auch dort die Mittelschicht – und damit die Zahl der Menschen, die sich ein Auto leisten können.
Allerdings auf niedrigerem Niveau: Bis 2030 erwartet Skoda einen Gesamtmarkt von 4,1 Millionen verkauften Pkw pro Jahr im Asean-Raum. Chinas Automarkt ist heute schon mehr als fünfmal so groß. Dennoch hofft auch der VW-Konkurrent Stellantis (Fiat, Peugeot, Opel) darauf, diese Region zu seinem dritten Standbein neben Europa und den USA zu machen.
Der Volkswagen-Konzern dagegen ist in China noch immer Marktführer bei Verbrenner-Pkw und versucht dort, im Elektroauto-Markt aufzuholen. Allerdings wahrscheinlich ohne Skoda. Die Marke hatte VW erst spät an den chinesischen Markt gebracht und nun wird über ihren Rückzug aus der Volksrepublik spekuliert.
„Nicht immer mehr Verbote, sondern mehr Förderung“
Für Autos mit Verbrenner-Motoren soll ab 2035 Schluss sein. Dagegen regt sich Widerstand aus dem Finanz- und Verkehrsministerium. Auch das Verbot neuer Öl- und Gasheizungen ist Zankapfel in der Ampelkoalition. „Es wird kein breiter Schulterschluss gesucht“, so Andreas Jung (CDU), stellvertretender Unionsfraktionsvorsitzender.
Quelle: WELT
„Wir diskutieren die Zukunft von Skoda in China mit unserem Joint-Venture-Partner SAIC“, sagt Zellmer dazu. Mehr könne man noch nicht kommunizieren. Allerdings konzentriert er sich mit seiner Strategie nun auf asiatische Länder außerhalb Chinas. Wobei Skoda ohnehin 80 Prozent seiner Fahrzeuge in Europa verkauft.
Die neuen Märkte in Südostasien würden aber zur Strategie der VW-Tochter passen, länger am Verbrennungsmotor festzuhalten als die anderen Marken im Konzern. Statt wie Volkswagen im Jahr 2033 werden die Skoda-Verbrenner in Europa wohl bis zum geplanten Verbot 2035 verkauft – und im Ausland noch deutlich länger.
„Wir wollen unseren Kundinnen und Kunden möglichst lange die Wahlfreiheit lassen“, sagt Zellmer. „Die Transformation hin zur Elektromobilität vollzieht sich regional mit unterschiedlichem Tempo. In Märkten, die kein festes Ausstiegsdatum setzen wie die EU, wollen wir sowohl Verbrenner als auch Elektrofahrzeuge anbieten.“ Damit sind auch Indien und Vietnam gemeint, wo der Umstieg auf die Elektromobilität etwas länger dauern dürfte als in Europa. Wobei auch die indische Regierung nun eine entsprechende Transformation einläuten will.
In Europa könnte dagegen der Abschied von billigen, kleinen Verbrennerfahrzeugen früher kommen als gedacht, warnt Zellmer. Die von der EU geplante neue Abgasnorm Euro 7 macht ihm Sorgen. „Fahrzeuge wie der Fabia dürfen durch die neuen Regeln nicht so viel teurer werden, dass sie wahrscheinlich keinen Erfolg mehr am Markt haben. Die Kunden werden dann mit ihren alten Fahrzeugen weiterfahren, was für die Umwelt natürlich nicht gut ist“, sagt er. Die Industrie kritisiert am Entwurf der EU-Kommission vor allem die deutlich erweiterten Testbedingungen, unter denen Autos künftig die Grenzwerte für Stickoxide und Feinstaub einhalten sollen.
„Wir wollen die Umweltfreundlichkeit der Fahrzeuge verbessern. Deswegen investieren wir mit 5,6 Milliarden Euro bis 2027 auch massiv in die Elektromobilität, mit drei neuen elektrischen Modellen in den nächsten drei Jahren. Gleichzeitig arbeiten wir konsequent an der Weiterentwicklung effizienter Verbrenner“, sagt Zellmer. Er hofft, dass die Diskussion in Brüssel noch „auf einen vernünftigen Weg“ komme. „Die Transformation hin zu elektrischen Fahrzeugen, die Digitalisierung, Industrie 4.0, plus der Wettbewerb von außen, fordern uns bereits enorm.“
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Source: welt.de