Immer mehr Hinweise uff Gräueltaten im sudanesischen Al-Faschir

Ein von Einschusslöchern gezeichnetes Klassenzimmer in Al-Faschir.

Stand: 06.11.2025 04:00 Uhr

Massenhinrichtungen, Vergewaltigungen, äußerste Brutalität – Berichte über die Situation im sudanesischen Al-Faschir bestätigen die Hinweise auf Gräueltaten an Zivilisten. In der Stadt sitzen wohl noch 150.000 Menschen fest.

Von Heiko Wirtz, ARD Kairo

Die Lage für zehntausende Menschen in Al-Faschir muss grauenhaft sein. Noch rund 150.000 Menschen sind nach Schätzungen von Denise Brown, UN-Nothilfekoordinatorin für den Sudan, in der Hauptstadt des Bundesstaats Nord-Darfur gefangen.

Vergangene Woche wurde Al-Faschir während der Kämpfe im sudanesischen Bürgerkrieg von der RSF-Miliz eingenommen. Seit zweieinhalb Jahren kämpfen die Armee von Militärherrscher Abdel-Fattah al-Burhan und die Miliz seines früheren Stellvertreters Mohamed Hamdan Daglo gegeneinander.

Hinrichtungen, sexuelle Gewalt, Gräueltaten

Der ARD sagte Brown, es gebe glaubwürdige Berichte über Hinrichtungen unbewaffneter Zivilisten durch Milizionäre – etwa, wenn sie versuchten, die Stadt zu verlassen – sowie anhaltende Berichte über sexuelle Gewalt. Die Weltgesundheitsorganisation habe auch glaubwürdige Berichte über Massentötungen im letzten verbliebenen Krankenhaus in Al-Faschir von Patienten und ihren Familien erhalten, so Brown. Dabei sollen mehr als 460 Menschen gestorben sein.

Auch der sudanesische Menschenrechtsanwalt Mohaned Elnour vom Tahrir-Institut für Nahostpolitik bestätigt der ARD schwerste Menschenrechtsverletzungen in der Stadt. Unter anderem seien Menschen bei lebendigem Leib vergraben worden. Milizionären hielte die Taten auf Video fest und posteten sie anschließend, so der Anwalt. Es seien schreckliche Szenen.

Gräueltaten wegen Straflosigkeit

Einer der Gründe für diese Gräueltaten sei, dass Kriegsverbrecher im Sudan seit langem nicht zur Rechenschaft gezogen würden: „Straflosigkeit seit mehr als zwei Jahrzehnten ist ein Grund für viele Verbrechen im Sudan.“

Denn dieselben Täter hätten schon vor zwei Jahrzehnten Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Darfur begangen, erklärt Elnour. Er ist sich sicher: „Solange sie nicht zur Rechenschaft gezogen werden, werden wir weitere Verbrechen sehen.“

Tatsächlich haben Ankläger des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag nach den jüngsten Berichten über Gewaltverbrechen in Al-Faschir Anfang der Woche Ermittlungen angekündigt. Man sei zutiefst beunruhigt über die Berichte, hieß es.

Die Bedeutung von Urteilen für die Opfer

Für den Menschenrechtsanwalt Elnour sind diese Ermittlungen ein gutes Zeichen. Denn gerade habe der Internationale Strafgerichtshof immerhin einen Verantwortlichen am Völkermord in Darfur vor mehr als 20 Jahren unter anderem wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen verurteilt.

„Einige mögen dies als sehr späte Gerechtigkeit sehen, als ‚Blablabla‘, aber in Wirklichkeit feierten die Menschen in Darfur diese Entscheidung wirklich. Sie hatten das Gefühl, dass dies ihre Wunden heilen könnte“, erklärt Elnour.

Die Rolle von Drittstaaten im Krieg

Aber was müsste geschehen, damit der brutale Krieg endet und damit das Leid der Zivilbevölkerung? Anwalt Elnour fordert vor allem internationalen Druck auf die Akteure. Zu denen gehören auch Drittstaaten, die die beiden Kriegsparteien unterstützen. 

So erhält die sudanesische Armee beispielsweise von Ägypten und dem Iran Unterstützung. Die Vereinigten Arabischen Emirate sollen der RSF-Miliz Waffen liefern, was der Golfstaat jedoch dementiert. Elnour fordert die USA und andere Staaten auf, insbesondere auf diese Unterstützer der beiden Seiten im Sudan Druck auszuüben.

„Sie müssen die Vereinigten Arabischen Emirate daran hindern, den Krieg anzufachen“, sagt Elnour. Auch der Iran, Ägypten und Saudi-Arabien müssten daran gehindert werden, Kriegsparteien zu unterstützen. Das gelte auch für die Türkei, die sowohl die RSF als auch die sudanesische Armee unterstütze, so Elnour. „Andernfalls wird der Krieg noch lange andauern.“

Drohende Hungersnot

UN-Nothilfekoordinatorin Brown versichert, man sei mit der RSF-Miliz im Gespräch: „Die Rolle der UN ist es auch immer, mit allen Akteuren zu sprechen, und das läuft auf vielen Ebenen seit Monaten.“ Man habe schon mehrfach den Zugang zu Al-Faschir gefordert. Das werde aber blockiert.

Doch nicht nur der RSF-Miliz werden schwerste Kriegsverbrechen vorgeworfen. Auch die sudanesische Armee sei für schwere Kriegsverbrechen verantwortlich, so Elnour. So setze auch sie Hunger als Kriegswaffe ein und bombardiere Dörfer mit Zivilisten.

Die internationale Initiative IPC, die für die Einstufung der Ernährungssicherheit weltweit zuständig ist, hat unterdessen eine Hungersnot in Teilen des Sudan bestätigt. Nicht nur in Nord-Darfur, sondern auch in anderen Gebieten. Der Sudan stehe am Abgrund einer humanitären Katastrophe, hieß es: Mehr als 375.000 Menschen seien von einer humanitären Katastrophe der höchsten Stufe betroffen und 21 Millionen von Hunger bedroht.

Die UN beschreiben die Lage im Sudan schon lange als die größte humanitäre Krise der Welt. Hunger, Mord, Gewalt und Vertreibung: Im Sudan scheint kein Ende des Leids der Menschen in Sicht.

Source: tagesschau.de