Ifo-Index enttäuscht: Dax fällt unter 16.000 Punkte

Die Aktienmärkte sind mit Kursverlusten in den Mittwochshandel gestartet. Der Dax sackte um rund 1,5 Prozent ab auf 15.910 Punkte. Seit dem Rekordhoch am Freitag von 16.330 Punkten überwiegt der Gegenwind. Händler verwiesen auf den Schuldenstreit in Amerika, der die Stimmung belaste. Hier herrscht aber die Meinung vor, dass es wie immer zu einer Einigung in letzter Minute kommt. Bis diese da ist, halten aber doch einige Käufer die Füße still und wollen keine Risiken eingehen. So beunruhigten Berichte, wonach das US-Finanzministerium schon bei Bundesbehörden eine Verschiebung der anstehenden Zahlungen angefragt habe.
Einigen sich die Parteien in den Vereinigten Staaten nicht auf eine höhere Schuldenobergrenze, droht der US-Regierung die Zahlungsunfähigkeit ab Anfang Juni und damit schon in der nächsten Woche. Dann könnte es zu einer Priorisierung von Ausgaben kommen, dass also beispielsweise Rentenzahlungen zumindest zeitweise ausfallen müssen, um die Auslandsschulden zu bedienen.
In Deutschland bekräftigte der gefallene Ifo-Geschäftsklima-Index den herrschenden Konjunkturpessimismus. Der Index fiel im Mai von revidiert 93,4 auf 91,7 Punkte und damit stärker als erwartet. Vor allem der Blick in die Zukunft der 9000 befragten Führungskräfte von Unternehmen ist von Skepsis geprägt. Es war der erste Rückgang des an den Finanzmärkten stark beachteten Barometers nach sechs Anstiegen in Folge. Die erhoffte Frühjahrsbelebung droht dem Ifo-Institut zufolge auszufallen. „Ein weiteres Schwächesignal. Das sieht weiterhin nach Rezession aus“, warnte Jens-Oliver Niklasch, Ökonom bei der LBBW.
Treiber der negativen Entwicklung waren laut Ifo deutlich pessimistischere Erwartungen. Die Unternehmen waren aber auch etwas weniger zufrieden mit ihren laufenden Geschäften: „Die deutsche Wirtschaft blickt skeptisch auf den Sommer“, sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest. Die Stimmung in der Wirtschaft habe einen deutlichen Dämpfer erhalten.
„Die deutsche Wirtschaft tritt auf der Stelle“, sagte der Leiter der Ifo-Umfragen, Klaus Wohlrabe. „Im zweiten Quartal dürfte es in Richtung einer Stagnation gehen.“ Schon im ersten Quartal hatte das Bruttoinlandsprodukt von Europas größter Volkswirtschaft stagniert, nachdem es Ende 2022 sogar um 0,5 Prozent geschrumpft war. Ein Grund für die erwartete Flaute sieht der Experte in den Zinserhöhungen, mit denen die Notenbanken weltweit auf die höhere Inflation reagieren.
Zinserhöhungen entfalten dämpfende Wirkung
„Die Zinserhöhungen scheinen die Nachfrage zu dämpfen“, sagte Wohlrabe mit Blick auf die gestiegenen Zinskosten. So seien etwa die Exporterwartungen in der deutschen Industrie gesunken. „Sie hat wohl deutlich weniger Neuaufträge erhalten“, sagte der Ifo-Experte. „Die Nachfrage wird zum Problem.“ Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) rechnet für dieses Jahr mit einer Konjunkturflaute und zugleich hoher Inflation. Anzeichen für einen breiten Aufschwung fehlten weiterhin. Laut Prognose der EU-Kommission gehört Deutschland dieses Jahr mit einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von voraussichtlich 0,2 Prozent zu den Schlusslichtern im Euroraum mit Blick auf die wirtschaftliche Dynamik.
Es gibt aber auch Lichtblicke. So hätten die Materialengpässe abermals abgenommen – ebenso der Anteil der Unternehmen, die ihre Preise erhöhen wollen. „Bis hier die Entspannung bei den Endverbrauchern ankommt, dürfte es aber noch ein bisschen dauern“, sagte Wohlrabe mit Blick auf die Inflationsentwicklung. Derzeit hielten sich die Verbraucher noch beim Konsum zurück.
„Die Nachfrage in der Industrie liegt teils deutlich unter dem Produktionsvolumen, und die Unternehmen bauen im Wesentlichen ihre Auftragsbestände ab“, sagt Jörg Zeuner, Chefvolkswirt der Fondsgesellschaft Union Investment. „Die restriktive Geldpolitik der Europäischen Zentralbank entfaltet zudem immer mehr Bremswirkung. Die Folgen der strafferen Finanzierungsbedingungen sind etwa im Wohnungsbau, beim Konsum langlebiger Güter und bei der nachlassenden Investitionstätigkeit der Unternehmen sichtbar. Der deutschen Wirtschaft wird es schwerfallen, in den kommenden Quartalen viel Schwung zu gewinnen.“
Rezession rückt näher
„Der deutliche Rückgang des Ifo-Geschäftsklimas ist kein Ausreißer. Denn andere wichtige Frühindikatoren wie der Einkaufsmanagerindex für die Industrie oder die Auftragseingänge weisen bereits seit Längerem klar nach unten“, sagt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. „Alles in allem sind die Konjunkturrisiken in den zurückliegenden Monaten deutlich gestiegen. Ich halte eine technische Rezession in der zweiten Jahreshälfte für wahrscheinlicher als eine konjunkturelle Erholung, die die meisten Volkswirte noch immer erwarten.“
Der trübere Blick auf die Konjunktur belastete am Mittwoch die Stimmung an den Aktienmärkten. „Dass sich die Aktienindizes weltweit wieder mehr bewegen und auch mal nach unten ausschlagen, ist normal, gesund und an sich kein Grund zur Sorge“, sagte Thomas Altmann, Portfoliomanager beim Vermögensverwalter QC Partners. Ein Grund zur Sorge sei allerdings der Grund für den Zeitpunkt der erhöhten Schwankungen. So würden die Anleger angesichts des immer kürzeren Zeitfensters für eine Einigung im Streit über eine Anhebung der US-Schuldenobergrenze und bis zu einer möglichen Zahlungsunfähigkeit der USA sukzessive nervöser.
Unter den Einzelwerten gaben Varta besonders nach. Eine Verkaufsempfehlung der US-Investmentbank Goldman Sachs, die zudem das Kursziel auf 15 Euro halbierte, ließ die Titel des Batterieherstellers auf ein Rekordtief absacken. Zuletzt waren sie mit einem Minus von gut neun Prozent auf 17 Euro abgeschlagenes Schlusslicht im Nebenwerte-Index S-Dax. Das Unternehmen kämpfe weiter mit Überkapazitäten für sein wichtigstes Produkt Coin-Power (Lithium-Ionen-Knopfzellen), erklärte Analyst Philipp Koenig. Varta könnte die eigenen Jahresziele verfehlen.
Der Ticketverkäufer CTS Eventim legte derweil vollständige Zahlen für das erste Quartal vor, die eine deutliche Gewinnsteigerung belegten. Zudem bestätigte CTS Eventim die Jahresziele. Obwohl beides keine Überraschung war, büßten die Aktien als einer der größten M-Dax-Verlierer 5,6 Prozent ein. In den vergangenen Tagen hatten sie allerdings auch deutlich zugelegt. Größter Verlierer im Dax waren die Aktien des Rüstungskonzerns Rheinmetall mit minus 3,5 Prozent.
Die Aktie von Uniper baute ihre Kursgewinne vom Vortag aus und kletterte abermals um rund drei Prozent. Der Energiekonzern erwartet mit Blick auf ausbleibende Lieferungen russischen Gases für 2023 und 2024 „insgesamt keine Mehrkosten aus der Ersatzbeschaffung von Gasmengen“. Uniper hat seine Lieferverpflichtungen nach eigenen Angaben auf anderen Wegen nahezu vollständig abgesichert. Auf Basis vorläufiger ungeprüfter Zahlen würden aus den Absicherungsgeschäften Gewinne vor Steuern von über zwei Milliarden Euro erwartet.