Hugo Boss: Schwäbische Eleganz

Es gibt nur wenige Branchen, die seit Jahren immer wieder mit neuen Problemen zu kämpfen haben. Eine davon ist der Mode-Einzelhandel. Diesen hatte die Corona-Pandemie hart getroffen. Plötzlich konnten die Menschen nicht mehr in ihren Lieblingsgeschäften in den deutschen Innenstädten einkaufen. Lange vor Corona hat bereits der immer stärker werdende Onlinehandel die Branche aufgemischt.

Die Strategien der Modehäuser zur Bewältigung der verschiedenen Herausforderungen waren dabei so unterschiedlich wie der Modegeschmack. Hugo Boss, einer der führenden Modekonzerne Europas, präsentierte im August 2021 die Wachstumsstrategie „Claim 5“, mit der man unter anderem erhebliche Investitionen in Produkte, Marke und Digitalisierung zur gezielten Ansprache jüngerer Zielgruppen tätigen wollte. Hugo Boss lag damit richtig, die Erfolge kamen.

Doch nun, im Frühjahr 2023, zeigen sich wieder einmal negative gesamtwirtschaftliche Auswirkungen auf das Geschäft, für die der Modehändler selbst wenig kann: Die Nachrichten rund um die Insolvenz der Modekette Peek & Cloppenburg (P&C) – immerhin einem Großkunden von Hugo Boss – oder die abermalige Schieflage des Warenhauskonzerns Galeria Karstadt Kaufhof sprechen nicht gerade für gute Verhältnisse im Modeeinzelhandel. Hinzu kommen die Dauerthemen Inflation und Sorgen vor einer weiteren Konjunktureintrübung.

Christoph Scherbaum

Christoph Scherbaum : Bild: Christoph Scherbaum

Rekordjahr trotz schwierigem Umfeld

In genau diesem Umfeld hat nun zwar Hugo Boss manche Marktteilnehmer mit seiner Prognose enttäuscht, die Zahlen für das Geschäftsjahr 2022 konnten sich jedoch sehen lassen. Vorstandschef Daniel Grieder sprach von einem „herausragenden Jahr für Hugo Boss“. Die konsequente Umsetzung der „Claim 5“-Strategie habe 2022 zu einem Rekordjahr für das Unternehmen geführt, so Grieder. Man sei breit über alle Marken, Regionen und Kundenkontaktpunkte hinweg gewachsen, heiß es weiter. Dabei konnte das M-Dax-Unternehmen die Umsatz- und Ergebnisziele für das Gesamtjahr, die im Laufe des Jahres zweimal nach oben angepasst worden waren, sogar übertreffen.

Der Umsatz legte 2022 währungsbereinigt um 27 Prozent auf ein Rekordniveau von 3,65 Milliarden Euro zu. Erstmals überhaupt wurde damit die Marke von 3 Milliarden Euro übertroffen. Die „Claim 5“-Strategie sieht wiederum vor, dass im Jahr 2025 die Marke von 4 Milliarden Euro geknackt werden soll. Die jüngsten Erfolge sind angesichts des Umfelds hoch einzustufen – und in Anbetracht der Belastungsfaktoren. Zu den schwersten gehörten Engpässe in der globalen Lieferkette, die wirtschaftlichen Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine sowie lang anhaltende pandemiebedingte Restriktionen in China.

In der Profitabilität noch nicht am Ziel

Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) konnte sogar deutlich um 47 Prozent auf 335 Millionen Euro gesteigert werden. Die Ebit-Marge wurde dabei im Vorjahresvergleich um einen Prozentpunkt auf 9,2 Prozent verbessert. Das Unternehmen profitierte dabei von niedrigeren operativen Aufwendungen im stationären Einzelhandel sowie einem höheren Anteil der zum vollen Preis verkauften Produkte. Auf diese Weise konnten negative externe Effekte infolge höherer Beschaffungskosten und unvorteilhafter Wechselkurse kompensiert werden.

In Bezug auf die Profitabilität ist Hugo Boss jedoch noch nicht am Ziel. Im Rahmen der „Claim 5“-Strategie soll die Ebit-Marge bis 2025 auf ein Niveau von rund 12 Prozent zurückkehren. Für 2023 hatte das Management einen Ebit-Anstieg um 5 bis 12 Prozent auf 350 bis 375 Millionen Euro in Aussicht gestellt, während die Umsatzerlöse um einen mittleren einstelligen Prozentsatz steigen sollen.

Am Markt sorgten aber sowohl die Umsatzprognose als auch die Ergebnisaussichten für Enttäuschung. Darüber half nicht einmal der angedachte Anstieg der Dividende um 43 Prozent auf 1,00 Euro je Aktie. Bei Hauck & Aufhäuser hält man die Margenerwartungen im laufenden Jahr für ambitioniert, während die Bewertung der Aktie historisch hoch sei. Laut Analyst Christian Salis sei das Papier daher auch ein „Verkauf“, das Kursziel wird bei 52 Euro gesehen. Aktuell notiert das Papier über dieser Marke.

Die Enttäuschung über den Ausblick sorgte auch bei Michael Kuhn von der Deutschen Bank dafür, dass das Rating von „Buy“ auf „Hold“ gesenkt, das Kursziel jedoch nach dem jüngsten Anstieg von 60,00 auf 68,00 Euro angehoben wurde. Chiara Battistini von JP Morgan bewertet derweil zumindest die mittelfristigen Margenerwartungen positiv und erhöht im Rahmen einer „Neutral“-Einschätzung des Kursziel von 68 auf 70 Euro.

Aktienkurs im Aufwärtstrend

Der Privatbank Berenberg wiederum gefällt die optimistische Einschätzung des Managements bezüglich der gegenwärtigen Absatzlage. In der Folge wurde hier das Kursziel deutlich von 57,80 Euro auf 75,00 Euro erhöht. Ähnlich optimistisch ist RBC Capital. Im Rahmen der „Outperform“-Einschätzung hob das Analysehaus das Kursziel von 69,00 Euro auf 71,00 Euro an.

HUGO BOSS AG NA O.N.

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Aus Sicht der nüchternen Charttechnik befindet sich die Hugo-Boss-Aktie seit Dezember 2022 im langfristigen Aufwärtstrend und markierte Anfang März ein Drei-Jahreshoch. Anleger, die im Corona-Crash bei Hugo Boss im Frühjahr 2020 beherzt zugegriffen haben, wurden bisher für dieses Investment belohnt, wie der Chartverlauf aufzeigt. Dagegen müssen viele Alt-Aktionäre, die vor gut zehn Jahren in das Metzinger Unternehmen investiert haben, hoffen, dass die „Claim 5“-Strategie langfristig das Modelabel zu Erfolgen und damit auch den Aktienkurs zu alten Höhen oder zumindest in die Nähe der derzeit von Analysten genannten Kursziele führt.

Source: faz.net