How-to: Künstliche Intelligenz: Fünf Tipps zu Gunsten von die Umsetzung von KI-Strategien in Unternehmen

Wer Künstliche Intelligenz im Unternehmen verankern will, braucht mehr als Technologie. Das denken zumindest Christian Seeringer und Janek Nahm. In ihrem How-to-Beitrag erklären die Business-Partner der Strategieagentur Diffferent, wie Firmen an Kultur, Führung und Strukturen arbeiten müssen, um beim Thema KI voranzukommen.

Der Stand der KI-Nutzung variiert branchenübergreifend stark. In manchen Sektoren fehlt eine durchdachte Strategie noch vollständig. So verfügen laut dem Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) erst 7% der Industrieunternehmen über eine KI-Strategie. Zwar sind erste Vorreiter bereits im Software-as-a-Service-Zeitalter angekommen, wo Dienstleistungen automatisiert und digital erbracht werden. Doch der Großteil der Unternehmen steckt irgendwo auf dem Weg dorthin fest.

Ihnen gelingt es noch nicht, KI produktiv und wertschöpfend zu nutzen. Dabei ist die Zeit des unverbindlichen Ausprobierens schon vorbei – entscheidend für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit ist eine systematische Implementierung.

Strategische Implementierung von KI

Entsprechend muss sich der Fokus von der Technologie wieder stärker auf die Organisation richten. Fünf zentrale Handlungsfelder zeigen, wie der Wandel gelingen kann – und was Unternehmen konkret tun können. KI ist kein IT-Projekt mit Startdatum und Abnahmetermin. Wer Künstliche Intelligenz strategisch nutzen will, muss sie als fortlaufenden, dynamischen Prozess begreifen. Als einen Prozess, der sich kontinuierlich weiterentwickelt, Feedbackschleifen integriert und Raum für Anpassung lässt.

TW-Serie „Chatbots in der Kundenbetreuung“

Das Thema Künstliche Intelligenz hat die deutsche Wirtschaft in den vergangenen zwei Jahren im Sturm erobert. Immer mehr Unternehmen setzen die Technik ein, um ihre Prozesse zu beschleunigen und somit den Umsatz zu erhöhen. Das gilt auch für den Online-Modehandel, der verstärkt KI-basierte Chatbots für die Kommunikation mit den Kunden nutzt. In der Folge können die Contact Center-Mitarbeiter deutlich effizienter und schneller Kundenanfragen bearbeiten.

Schließlich bietet die sogenannte generative KI den E-Commerce-Anbietern die Möglichkeit, mehrere Datenquellen in Echtzeit zu verarbeiten und den Kunden Empfehlungen in natürlicher Sprache zu geben. Darüber hinaus sind die Händler dank der Technik in der Lage, die Verbraucher noch besser bei ihren Kaufentscheidungen zu beraten, zum Beispiel, in dem sie Produkte vorschlagen, die zu den Interessen des Kaufinteressenten passen.

Entweder, indem sie die Chatbots als Informationsquelle für ihre Arbeit nutzen. Oder sie lassen die Kunden direkt mit den KI-basierten Chatbots kommunizieren, etwa außerhalb der Arbeitszeiten der Kundenbetreuer aus Fleisch und Blut. In den USA gibt es schon zahlreiche Testläufe für die sprachgesteuerte Kundenberatung durch Chatbots, bei denen die Verbraucher gar nicht merken, dass sie mit einem Roboter sprechen.

Die TextilWirtschaft hat führende E-Fashion-Anbieter zu ihren Erfahrungen mit Ki-basierten Chatbots befragt. Bereits erschienen sind Interviews mit Zalando-Vice President und KI-Chefin Tian SuBjörn Spielemann, Professional Expert Customer Experience bei Otto, dem Omnichannel-Chef von Hugo Boss, Jan Philipp Wintjes, Witt-CEO Patrick Boos und Karl Szibrowski von der Otto Austria Group.

„Lebendige KI-Roadmap entscheidet“

Der erste Schritt: klein anfangen. Konkrete, klar umrissene Anwendungsfälle liefern schnell messbare Ergebnisse – und damit Erkenntnisse, auf denen sich aufbauen lässt. Entscheidend ist eine lebendige KI-Roadmap mit Etappenzielen und regelmäßigen Rückkopplungen. Sie sollte sowohl strategische Leitplanken, etwa Fokusbereiche mit besonderem Wertschöpfungspotenzial – als auch operative Meilensteine enthalten: Dateninfrastruktur, Modelltraining, Governance und Qualifizierung der Mitarbeitenden.

Damit das gelingt, brauchen Teams flexible Entscheidungswege und die Kompetenz, Verantwortung zu übernehmen. Führungskräfte müssen klare Zuständigkeiten schaffen und gleichzeitig Freiräume für eigenverantwortliches Handeln ermöglichen. Welche Risiken tragbar sind und welche nicht – das sollte ebenso klar definiert sein wie die Rollen der beteiligten Teams. So wird KI nicht zur Aufgabe einzelner, sondern zur gemeinsamen Reise der Organisation.

Ziele und Wertbeitrag von KI klären

Der bloße Einsatz einer Technologie ist kein Wettbewerbsvorteil, wenn kein klares Ziel dahintersteht. Unternehmen müssen deshalb zu Beginn klären, welche konkreten Probleme KI lösen soll – und welchen Wertbeitrag sie leisten kann. Die Strategie muss dort ansetzen, wo operative oder strategische Herausforderungen bestehen oder sich neue Chancen auftun. In interdisziplinären Teams – bestehend aus Fachexpert:innen, Technologieverantwortlichen und Führungskräften – lassen sich relevante Einsatzszenarien identifizieren und priorisieren.

Ein Beispiel: Im Kundenservice helfen KI-gestützte Assistenzsysteme dabei, Anfragen zu klassifizieren, passende Antworten vorzuschlagen und kritische Fälle frühzeitig zu erkennen. Das Resultat: schnellere Reaktionszeiten, zufriedenere Kundinnen und Kunden sowie geringere Supportkosten. Stehen die Szenarien fest, gilt es, sogenannte AI-Coaches zu etablieren. Sie begleiten die Teams beim Roll-out, übersetzen technische Möglichkeiten in konkrete Anwendungsfälle und bauen Vertrauen in die neuen Werkzeuge auf. Ihre Rolle ist entscheidend – denn sie machen aus abstrakter Technologie greifbare Realität.

Mitarbeitende einbinden und befähigen

Technologie-Einführungen scheitern selten an der Technik, sondern meistens daran, dass sie im Arbeitsalltag nicht angenommen werden. Die Gründe dafür sind vielfältig: Unsicherheit, fehlende Transparenz oder schlicht mangelndes Vertrauen in die Systeme.

Deshalb gilt: Wer KI nachhaltig im Unternehmen verankern will, muss die Mitarbeitenden frühzeitig mitnehmen. Nicht nur durch Information, sondern auch durch echte Beteiligung. Nur wer versteht, was KI leisten kann und wo ihre Grenzen liegen, ist bereit, sich darauf einzulassen.

Ein partizipativer Ansatz ist zentral. Mitarbeitende sollten aktiv an der Gestaltung KI-gestützter Prozesse mitwirken, um sicherzustellen, dass diese praxisnah, relevant und im Alltag tatsächlich hilfreich sind. Eine solche Einbindung trägt auch zum Verständnis der Technologie bei und lässt sie nicht als Black Box erscheinen.

Unterstützend wirken Formate wie praxisbezogene Trainings, On-the-Job-Coachings oder crossfunktionale Lernräume. Gleichzeitig braucht es Führungskräfte, die KI nicht nur begrüßen, sondern aktiv vorantreiben. Sie müssen die Technologie verstehen, kritisch reflektieren und verantwortungsvoll steuern können – als KI-kompetente Entscheider:innen und als empathische Begleiter:innen, die auch Vorbehalte und Sorgen ihrer Mitarbeitenden ernst nehmen und adressieren.

Pilotprojekte skalieren und Erfolge messen

Viele Unternehmen starten mit KI in Form von Pilotprojekten. Das ist sinnvoll – aber nur der Anfang. Denn ein einzelner Use Case bringt wenig, wenn er nicht systematisch weiterentwickelt und skaliert wird. Was es dafür braucht: definierte Prozesse, mit denen erfolgreiche Anwendungen auf andere Bereiche übertragen werden können.

Die Voraussetzung dafür ist eine strukturierte Dokumentation. Best Practices müssen standardisiert und für andere Teams nutzbar gemacht werden – inklusive Lessons Learned, technischen Spezifikationen und konkreten Erfolgskennzahlen.

Erfolgsmessung ist dabei essenziell: Unternehmen sollten regelmäßig prüfen, welche Anwendungen tatsächlich Mehrwert liefern – und welche nicht. Nur so lassen sich Ressourcen zielgerichtet einsetzen und die richtigen Impulse für die Skalierung setzen. Zugleich tragen nachweisbare Erfolgsgeschichten dazu bei, die Akzeptanz von KI in der Organisation weiter zu erhöhen.

Vertrauen durch Governance schaffen

Wer KI in großem Stil nutzen will, braucht Leitplanken – und zwar nicht nur technische, sondern auch ethische. Es bedarf klarer Regeln, wie mit Daten umgegangen wird, wie KI eingesetzt werden darf und wie sich Diskriminierung durch Algorithmen vermeiden lässt.

Ein internes KI-Governance-Team kann hier den Rahmen setzen: Es bewertet Risiken, entwickelt Richtlinien und schafft Transparenz im Umgang mit der Technologie. Vorbildlich agierte Telefónica und führte bereits Ende 2023 ein entsprechendes Modell ein, das ethische Prinzipien und Zuverlässigkeitsbewertungen verbindlich integriert.

Vertrauen schaffen mit Standards

Solche Standards sind mehr als Compliance-Pflicht. Sie schaffen Vertrauen – bei Mitarbeitenden, Kund:innen und Partner:innen. Und sie sorgen dafür, dass KI im Unternehmen nicht nur effektiv, sondern auch verantwortungsvoll zum Einsatz kommt.

Fest steht: KI verändert nicht nur, wie wir arbeiten, sondern auch, wer wir als Organisation sein wollen. Technologie kann schließlich nur so stark wirken wie die Kultur, auf der sie fußt. Wer Künstliche Intelligenz strategisch einsetzen will, braucht Mut zur Veränderung, Lust auf Lernen und eine Führung, die nicht kontrolliert, sondern befähigt. Das ist keine Nebensache – das ist die eigentliche Voraussetzung für echten Fortschritt.

Dieser Text erschien zuerst auf www.horizont.net.