Hollywood-Legende wiewohl zu Gunsten von die Linken: Ein Nachruf hinauf Robert Redford
Er hat nie einen Polizisten gespielt, nur einmal, sehr früh in seiner Karriere, einen zaudernden Sheriff. Das muss ihm ein Hollywoodstar seiner Generationen erst einmal nachmachen. Robert Redford konnte weitgehend auf den Colt verzichten, um uramerikanische Tugenden zu verteidigen. Ihm lag es eher, die zivilen Säulen der Gesellschaft zu verkörpern.
Im Verlauf seiner Karriere spielte er Anwälte, Gefängnisdirektoren, Politiker, Geheimagenten, anständige Geschäftsleute und, nach dem Watergate-Film Die Unbestechlichen von 1976, immer wieder Journalisten. In diesen Rollen stand er für die andere, die aufklärerische, engagierte, wenngleich selten radikale Folklore Amerikas. Auch auf der anderen Seite des Gesetzes, als Bandit, Trickbetrüger oder Mitglied des linken Untergrunds, kam seinen Charakteren ihr Sinn für Gerechtigkeit nie ganz abhanden. Zum waschechten Schurken hatte dieser Darsteller einfach nicht das Zeug.
Unter den Stars des Hollywoodkinos war er die große, meist reibungslos funktionierende Glaubwürdigkeitsmaschine. Die ungeteilte, so gewährende wie wachsame Aufmerksamkeit, die der Schauspieler seinen Leinwandpartnerinnen und -partnern schenkte, war mehr als nur eine Technik, Freunde zu gewinnen und Menschen zu beeinflussen. Sein Charme war ein Indiz für Redlichkeit. Aus seinem gelegentlichen Sarkasmus sprach die Empörung eines Humanisten, der die Verzagtheit kannte.
Die Botschaft der Natur als Schule der Zivilisation, die Redford-Filme wie Jeremiah Johnson, Der elektrische Reiter, Jenseits von Afrika, Aus der Mitte entspringt ein Fluss und Der Pferdeflüsterer ausgeben, wurde durch sein Engagement als Umweltschützer beglaubigt. Als er 2014 seinen ersten Dokumentarfilm über die kalifornische Forschungseinrichtung Salk Institute drehte – sein Beitrag zu dem Omnibusfilm Kathedralen der Kultur, an dem auch Wim Wenders, Michsael Glawogger und Karim Ainouz mitwirkten –, geriet ihm dieser Halbstünder zu einer Hommage an den Altruismus und an eine Architektur, die im Einklang mit der Natur steht.
Er verkörperte Werte, die heute als unamerikanisch verleumdet werden
Er verkörperte exakt jene Werte, die unter der aktuellen US-Regierung als unamerikanisch verleumdet werden. Allerdings könnten seine Filme auch als Warnung an progressive Demokraten dienen. In dem vor Zeitgeschichte berstenden Melodram So wie wir waren (1973) führt die Liebesgeschichte zwischen ihm (einem aufstrebenden Schriftsteller, der sich an die Illusionsmaschine Hollywood verkaufen könnte) und Barbara Streisand (als glühende Linksaktivistin) vor Augen, dass Amerika den Sozialismus vielleicht zuweilen respektieren, aber nie aus ganzem Herzen lieben wird.
Mit der Beharrlichkeit eines sturmerprobten Liberalen nahm er die Fehlbarkeit amerikanischer Institutionen wie dem Fernsehen (Quiz Show, Der Moment der Wahrheit) oder dem Justizsystem (Brubaker, Die letzte Festung) in den Blick. Die Skepsis gegenüber den Geheimdiensten zieht sich von Die drei Tage des Condor bis Die Akte Grant durch sein Werk; die launige Hackerkomödie Sneakers nahm 1992 erstmals die Schattenherrschaft der NSA ins Visier. Der Zweifel war stets ein belastbares Instrument der Zuversicht, wenn er den amerikanischen Traum auf den Prüfstand stellte.
Als Baseballspieler gescheitert
Dieser hellsichtige Schauspieler wurde am 18. August 1936 im kalifornischen Santa Monica geboren. Eine Karriere als Baseballspieler scheiterte, man kann es sich heute kaum vorstellen, an Alkoholexzessen und Disziplinlosigkeit. Er studierte Malerei in Florenz und Paris und entdeckte bei der Rückkehr in die USA seine Begeisterung fürs Schauspiel. Ein Star wurde er Ende der 60er mit Barfuß im Park und Butch Cassidy und Sundance Kid. Damals hätte man ihn noch als „Sunnyboy“ unterschätzen können, aber es lag bereits ein Hauch von Entzauberung und Rätsel in seinen frühen Rollen; zumal in der 1966 beginnenden Zusammenarbeit mit seinem besten Regisseur, Sydney Pollack.
Ein Jahr zuvor wagte er es, in Robert Mulligans Melo Verdammte süße Welt einen insgeheim homosexuellen Hollywoodstar zu spielen – heute ein identitätspolitisches Tabu, damals ein potenzieller Karrierekiller. Es fiel diesem Darsteller leicht, Anmut mit Verwegenheit zu vermählen und darein das Zögern zu mischen, aus der eigenen Verschlossenheit auszubrechen. Er schlug Widerhaken ins Fleisch der Filmindustrie. Den Rollen, die der blonde, blauäugige Schauspieler mit dem strahlenden Lächeln und amerikanisch entschlussfreudigem Kinn in rund 80 Filmen spielte, kam sein blendendes Aussehen nie nennenswert in die Quere.
Eine Karriere ohne Skandale
Die Bereitschaft seiner Charaktere zu unkonventionellen Schritten, die das Protokoll über Bord werfen, zeigte sich auch in seiner skandalfreien Karriere. Auf der Höhe seines Ruhms nahm er sich Mitte der 1970er eine Auszeit, um für ein Buch über den „Outlaw Trail“ auf Spurensuche zu gehen nach dem, was vom alten Westen noch übrig war (wobei er sich weise die Hauptrollen in Rocky und Superman entgehen ließ). 1980 wechselte er, bevor dies unter Schauspielern Mode wurde, mit Eine ganz normale Familie ins Regiefach und gründete das Sundance Institute in Utah – als eine Gegenutopie zum Hollywoodgeschäft. Ein Förderer des Independentkinos blieb er als Produzent fast bis zum Schluss.
Seine Regiearbeiten sind von wunderbarer Gediegenheit. Es fehlt ihnen jedweder Zynismus, sie kommen ihren Darstellern einfühlsam nahe und beweisen in Bildausschnitt und Tempo größte Sorgfalt. In ihnen konnte er, wie vor ihm John Wayne und bald danach Warren Beatty, seiner Weltanschauung präziseren, stärkeren Ausdruck verleihen. In diesen bürgerlichen Dramen, die zuweilen die Sentimentalität nicht scheuten, avancierte er zu einem unaufdringlichen sozialen und ökologischen Gewissen der Gesellschaft. Er verstand es, seinen Absichten erzählerische Dynamik zu verleihen.
Nach dem Blockbustererfolg von Jenseits von Afrika ging eine tiefe Zäsur durch seine Karriere. Fünf Jahre lang konzentrierte er sich auf Regie, Produktion und Nachwuchsförderung. Als 1990 Havana in die Kinos kam, war das Publikum darüber schockiert, dass auch er altern konnte. Das elegische Spielerdrama vor dem Hintergrund der Revolution auf Kuba wurde der erste Flop des Gespanns Pollack-Redford. Seither war er weitgehend der Last enthoben, ein Kassenmagnet zu sein (obwohl ihm auch das sporadisch gelang).
Garant der Glaubwürdigkeit
Vor und hinter der Kamera konnte er den thematischen Linien seines Werks treu bleiben. Sein protestantisches Arbeitsethos mochte ihn zwar sogar mal ins Marvel-Universum (2014 in Captain America: The Winter Soldier und 2019 Avengers: Endgame)verschlagen. Aber Redford blieb, wie der Schiffbrüchige in seinem brillanten späten Einpersonenfilm All is lost (2013), auf Kurs. In David Lowerys Schelmenroman Ein Gauner & Gentleman hatte er 2018 seine letzte Hauptrolle und zog eine widerspenstig-melancholische Bilanz seiner Leinwandpersona.
Um zu ermessen, wie sehr Robert Redford fehlen wird, genügt es vielleicht schon, sich noch einmal Der Moment der Wahrheit von 2015 anzuschauen. Darin spielt er den legendären Fernsehmoderator Dan Rather, dessen Markenzeichen es war, jede Sendung damit zu beenden, seinem Publikum Mut zuzusprechen. Das klang tröstlich, war aber auch eine Forderung: Rather verstand, was eine wachsame Zivilgesellschaft braucht. Die Glaubwürdigkeitsmaschine Redford läuft hier noch einmal zu Glanzform auf. Er ist einmalig überzeugend, wenn er sich mit diesem „Courage!“ verabschiedet.