Hochgeschwindigkeitsnetz: Kürzere Fahrzeiten, bessere Verbindungen – die EU will dies Zugfahren verbessern

Frankreich hat den TGV, Spanien den AVE, Italien die Frecce und Deutschland den mal besser, mal schlechter funktionierenden ICE. Aber nur diese vier größten EU-Staaten verfügen über ein nennenswertes Netz von Hochgeschwindigkeitszügen. Miteinander verknüpft sind die nationalen Netze eher schlecht als recht, wenn überhaupt. Die Zugfahrzeiten sind generell im Wettbewerb mit dem Flugverkehr, oft genug aber auch mit dem Auto viel zu hoch. Und hinter Ländern wie China und Japan hinkt die EU insgesamt her.

Die EU-Kommission will all das jetzt mit einem neuen Aktionsplan ändern. Er soll bewirken, dass sich die Zugfahrzeiten zwischen den europäischen Metropolen vor allem im grenzüberschreitenden Verkehr teils erheblich verringern und dass der Zugverkehr vor allem in jenen Ländern schneller wird, in denen praktisch noch keine Hochgeschwindigkeitszüge verkehren. Nach dem auf die Zeit bis zum Jahr 2040 ausgelegten Plan sollen wichtige Verkehrsknotenpunkte alle mit Zügen verbunden werden, die 200 Stundenkilometer und schneller fahren.

So soll sich etwa die Fahrtzeit von Berlin nach Kopenhagen von sieben auf vier Stunden verringern, jene von Sofia nach Athen von derzeit 13 Stunden und vierzig Minuten auf sechs Stunden. Mit schnelleren Zugverbindungen wachse Europa buchstäblich zusammen, sagte der zuständige Kommission-Vizepräsident Raffaele Fitto während der Vorstellung des Plans in Brüssel. Verkehrskommissar Apostolos Tzitzikostas fügte hinzu, zugleich werde die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft gestärkt.

Der Plan enthält auch Projekte, die schon im Bau sind, etwa die Rail-Baltica-Strecke von Warschau über Kaunas und Riga nach Tallinn, die im Jahr 2030 fertiggestellt sein soll. Die starke Verkürzung der Fahrzeit von Berlin nach Kopenhagen geht vor allem auf den Fehmarnbelttunnel zurück, dessen Bau voraussichtlich 2032 abgeschlossen sein wird. Deutschland wird ansonsten unterdurchschnittlich berücksichtigt, weil viele Strecken schon für Geschwindigkeiten über 200 Stundenkilometer ausgebaut sind. Eingeschlossen sind die Strecken Hannover-Gütersloh und Hannover-Amsterdam, Teile der Oberrheinstrecke sowie Nadelöhre im grenzüberschreitenden Verkehr wie die Verbindungen München-Innsbruck und Karlsruhe-Straßburg.

Die EU-Kommission kann mit dem Plan keine konkreten Projekte anstoßen. Auch sind ihre Ideen nur ganz begrenzt mit Finanzierungen unterlegt. Der Aktionsplan ist eher als Rahmen zu verstehen, in dem sich die Mitgliedstaaten und die Bahnunternehmen um neue Vorhaben kümmern. Tzitzikostas nannte vier Felder, die in Angriff zu nehmen seien. Das wichtigste sei der Netzausbau. Die Bahninfrastruktur sei in viel zu vielen Ländern immer noch unterentwickelt. Alle bestehenden Nadelöhre vor allem im grenzüberschreitenden Verkehr müssten bis 2027 identifiziert werden. Für ihre Beseitigung fordert die Kommission bis dahin konkrete Zeitpläne. Zum Netzausbau gehöre auch, weiter bestehende Lücken im bestehenden europäischen Zugbeeinflussungssystem ERTMS (European Rail Traffic Management System) zu schließen.

Der geplante Netzausbau sei bislang so gut wie nicht finanziert, sagte der Grieche weiter. Die zweite Aufgabe bestehe deshalb in der Mobilisierung von Geld. Die Kosten für die Fertigstellung der schon geplanten Strecken beziffert die Kommission bis 2040 auf rund 345 Milliarden Euro. Wenn noch höhere Zuggeschwindigkeiten von mehr als 250 Stundenkilometern angepeilt werden, könnten bis zum Jahr 2050 rund 550 Milliarden Euro benötigt werden. Der Investitionsbedarf müsse von privaten Investoren – vor allem den Bahnunternehmen und den Mitgliedstaaten – getragen werden. Unterstützung könne von der Europäischen Investitionsbank und nationalen Förderbanken kommen.

Drittens will die Kommission die Unternehmen mit verbesserten Rahmenbedingungen und im Einzelfall auch mit öffentlicher Förderung dazu bewegen, innovative Produkte auf den Markt zu bringen, die dem grenzüberschreitenden Verkehr helfen. Als Beispiel nannte Tzitzikostas einheitliche elektronische Tickets, die Passagieren die Buchung von Reisen zum Beispiel von Paris nach Lissabon oder von Berlin nach Budapest „mit einem Klick“ erlaubten. Viertens müssten die meist national organisierten Unternehmen Netzausbau und Zugbetrieb erheblich besser koordinieren.

Fitto und Tzitzikostas legten ferner einen Plan für nachhaltige Transportinvestitionen vor. Er enthält einen gemeinsamen Rahmen, mit dem Investitionen in erneuerbare und kohlenstoffarme Kraftstoffe mit Schwerpunkt auf dem Luft- und Seeverkehr gefördert werden sollen. Um die Ziele zu erreichen, werden laut Kommission bis 2035 rund 20 Millionen Tonnen nachhaltiger Treibstoffe benötigt. Dazu seien Investitionen in Höhe von rund 100 Milliarden Euro nötig. Aus EU-Mitteln könnten dazu bislang 3,4 Milliarden Euro beigesteuert werden, sagte Tzitzikostas. In den neuen EU-Finanzrahmen für die Zeit von 2028 an müsse ein höherer Beitrag für diesen Zweck eingestellt werden.

Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber beurteilte den Aktionsplan zurückhaltend. Die Initiative sei zwar prinzipiell richtig. „Durch Pläne der Kommission allein ist aber noch kein einziges Verkehrsprojekt in Europa realisiert worden. Dazu braucht es Geld und rollende Bagger.“ Die EU habe schon vor über 30 Jahren 14 Prioritätsprojekte definiert. Lediglich drei davon seien heute vollständig abgeschlossen. Notwendig seien jetzt vor allem beschleunigte Genehmigungsverfahren, sagte Ferber.