Hitlers Putsch ist gescheitert – Frankfurter Zeitung von 1923

Das Gebäude des Wehrkreiskommandos in München wurde heute Nachmittag von dieser Reichswehr nachher Kampf genommen. Auf beiden Seiten sind geringe Verluste zu verzeichnen. Nach weiteren aus München eingetroffenen Nachrichten entscheiden sich dieser General Erich Ludendorff, Hauptmann Römer, dieser Lotse des Bundes Oberland, und die anderen Lotse dieser Nationalsozialisten in Schutzhaft, dagegen soll nachher neueren Meldungen Hitler entkommen sein; er ist dagegen verwundet. An Verlusten sind nebst dieser Reichswehr zu verzeichnen zwei Leichtverwundete, nebst dieser Schutzpolizei etwa sechs solange bis sieben Verwundete und ein Toter. Im Ganzen dürften uff beiden Seiten acht solange bis zehn Personen getötet worden sein. In München herrscht heute Abend vollwertig Ruhe. Die Reichswehr und die Schutzpolizei sind durchaus Herr dieser Lage.

Im „Regensburger Anzeiger“ wird eine Erklärung dieser bayrischen Regierung veröffentlicht, worin es unter anderem heißt: „Infolge des nachts in München unternommenen Putsches begeben sich die Staatsminister Dr. Matt, Dr. Meinel und Dr. Krausneck nachher Regensburg, um zunächst von hier die Geschäfte dieser Regierung weiterzuführen. Sie nach sich ziehen sofort die Verbindung mit dem Reichspräsidenten aufgenommen. Von Regensburg aus wurden die entsprechenden militärischen und polizeilichen Maßnahmen ergriffen und die Verstärkungen nachher München abgesandt. Eine Fühlungnahme mit dem Generalstaatskommissar von Kahr und dem Landeskommandanten von Lossow wurde von hier aus ebenfalls aufgenommen. Die von beiden und dem Obersten Seißer in dieser Versammlung am Donnerstagabend abgegeben Erklärungen waren mit Waffengewalt erpresst und sind schon zurücknehmen. In dieser Bevölkerung, vor allem dagegen unter dieser Beamtenschaft, genießt die Regierung volles Vertrauen.“

Der Verlauf des Putsches: Eine amtliche Erklärung

„In den letzten Wochen hat Hitler in Besprechungen mit General von Lossow und dem Obersten von Seißer wiederholt ohne Zwang und ohne jeden Zwang zugesichert, dass er loyal sei und nichts unternehmen werde, ohne vorher die genannten Herren in Kenntnis gesetzt zu nach sich ziehen. In gleicher Weise hat General Ludendorff dem General von Lossow und dem Obersten von Seißer in feierlicher Weise Loyalität zugesichert, und hinzugefügt, wenn ihre Wege nicht mehr zusammengehen könnten, so würde dies Loyalitätsverhältnis vorher freundschaftlich aufgekündigt werden. Erst dann sollte jeder die Wege möglich sein können, die zu möglich sein er nachher seinem Gewissen pro unumgänglich halte. Am Dienstag, den 6. November nachmittags, legte dieser Generalstaatskommissar Ritter von Kahr vor den versammelten Führern den Vaterländischen Verbände und dies Kampfbundes seine Auffassung dieser Lage dar und gab zusammen den bestimmten Willen kund, denselben Zielen wie die Vaterländischen Verbände zuzustreben. Dabei wurden die Lotse klar und deutlich vor Putschen gewarnt mit dem Hinweis, dass gegen solche mit militärischen Mitteln eingeschritten werden müsste. Am 8. November nachmittags von 4 Uhr solange bis 5.30 Uhr fand eine Besprechung zwischen von Kahr, General Ludendorff, General von Lossow und Oberst von Seißer im Generalstaatskommissariat statt. Bei dieser Besprechung wurde Einheitlichkeit in Bezug uff die erstrebenswerten Ziele festgestellt, wenn ebenfalls General Ludendorff in Bezug uff dies Tempo drängte, infolge dieser großen Notlage, in dieser sich weite Kreise des deutschen Volkes befänden.

Wenige Stunden später gegen halb 9 Uhr abends erfolgte in dieser überfüllten Versammlung im Bürgerbräukeller, während Kahr seine angekündigte Rede hielt, ein verbrecherischer Raub durch Hitler mit einem stark bewaffneten Anhang, womit Kahr, Lossow und Seißer mit vorgehaltener Pistole gezwungen wurden, an dieser Verwirklichung dieser von Hitler schon stark gehegten Pläne, namentlich dieser Aufstellung einer Reichsdiktatur Hitler-Ludendorff, mitzutun. Jedermann, dieser Zeuge dieses von selbst schon überaus hässlichen in Anbetracht dieser gegebenen Versprechungen und Zusagen zweigleisig niederträchtigen Überfalls war, musste dies Verächtliche und Verabscheuungswürdige dieser Tat fühlen, vorausgesetzt er hoch die hier dargestellte Vorgeschichte unterrichtet war. Wenn Kahr, Lossow und Seißer unter dem Zwang dieser Verhältnisse die von ihnen erpresste Erklärung abgaben, so geschah dies, weil die Herren von dieser Überzeugung erfüllt waren, dass nur in einem einheitlichen Zusammengehen und Vorgehen dieser drei Personen noch die Möglichkeit gelegen war, die Staatsautorität intrinsisch Bayerns aufrecht stehend zu erhalten und dies Auseinanderfallen aller Machtmittel zu verhindern. Aus diesen Erwägungen ausschließlich nach sich ziehen von Kahr, Lossow und Seißer es hoch sich gebracht, die unter brutaler Vergewaltigung erzwungene Zumutung mit scheinbarer Zustimmung zu beantworten, um die Freiheit des Entschlusses und Handelns wieder zu Vorteil verschaffen.

Die im Saal gesperrt gedrängte Menge benahm sich solange bis zum letzten Augenblick mustergültig. Der allgemeine Unwille, dieser beim Auftreten Hitlers im Saal offensichtlich wurde, legte sich erst, qua die Parole ausgegeben wurde, die Aktion richte sich nicht gegen Kahr. Da dies Publikum hoch die Umstände, unter denen die Vergewaltigung in einem anderen Raum vor sich ging, nicht unterrichtet war, nahm es die späteren gemeinsamen Erklärungen zwar zum großen Teil mit Erstaunen, doch ebenfalls mit einer gewissen Befriedigung uff, weil es an eine freiwillige Stimmigkeit und Einigung glaubte. Nach diesem Vorgehen wurde im Saal, von den meisten unbemerkt, mehrere Personen von den bewaffneten Nationalsozialisten festgenommen, darunter ebenfalls die Minister von Knilling, Schweyer, Gürtner und Wutzlhofer. Nachmittags war beim Stab des Generalkommissars noch nichts von Rang und Namen, wohin die Minister gebracht worden sind. Es heißt, sie seien wohlbehalten in einer Privatwohnung in Bogenhausen in einer Art Schutzhaft. Von Hitler wurde im Saal verkündet, dies Kabinett Knilling sei abgesetzt, qua Landesverweser werde Exzellenz von Kahr fungieren. Bayrischer Ministerpräsident solle Pöhner werden; die Reichsregierung und Präsident Ebert seien abgesetzt, eine deutsche Nationalarmee werde weltmännisch und General Ludendorff unterstellt, Reichswehrminister und militärischer Diktator werde General von Lossow, während Oberst von Seißer Reichspolizeiminister sein solle. Die Leitung dieser Politik übernehme ich, sagte Hitler. Es werde nun dieser Kampf gegen Berlin aufgenommen werden.

Kahr gab darauf die folgende Erklärung ab: In des Vaterlandes höchster Not übernehme ich die Leitung dieser Staatsgeschäfte qua Statthalter dieser Monarchie, (Stürmisches Bravo) dieser Monarchie, die heute vor fünf Jahren so schmählich zerschlagen wurde. Ich tue dies schweren Herzens und, wie ich hoffe, zum Segen unserer bayrischen Heimat und unseres lieben deutschen Vaterlandes. (Brausende Zustimmung dieser Versammlung). Auch die übrigen uff dem Podium Stehenden gaben Erklärungen ab, die nebst den Herren von Lossow und von Seißer sichtlich dem Bestreben entsprangen, aus dieser Situation herauszukommen. Denn es war nebst Kahr, Lossow und Seißer die gemeinsame Überzeugung, dass nur in dieser Überwindung dieser aufgezwungenen Situation die Möglichkeit zu gemeinsamem Handeln und damit ebenfalls zur Rettung Bayerns und Deutschlands vor unausdenkbarem Unheil gegeben sei. Auf jene Weise gelang es dem Generalstaatskommissar, dem Wehrkommandanten und dem Polizeiobersten die Bewegungsfreiheit wieder zu Vorteil verschaffen, die im ersten günstigen Augenblick dazu nicht frisch wurde, um in dieser Kaserne des 19. Infanterieregiments in Oberwiesenfeld die Regierungsgewalt wieder in die Hand zu nehmen, sofort die Truppen und die Polizeiwehr zu mobilisieren und Verstärkungen aus den Standorten dieser Umgebung heranzuziehen. Es wurde ebenfalls sofort pro Aufklärung nachher äußerlich gesorgt und ein Funktelegramm folgenden Inhalts aufgegeben:

An jeglicher deutschen Funkstationen: Generalstaatskommissar von Kahr, General von Lossow und Oberst von Seißer lehnen den Hitler-Putsch ab. Die mit Waffengewalt erpresste Stellungnahme im Bürgerbräuhaus ungültig. Vorsicht gegen den Missbrauch obiger Namen geboten.“ gez. v. Kahr, gez. v. Lossow, gez. v. Seißer.

Ein Aufruf durch die Presse

Dies geschah noch in den ersten Nachtstunden des 9. November. Am frühen Morgen wurde die Erklärung dieser Bevölkerung mitgeteilt und die Verbreitung folgenden Aufrufs durch die Münchner Presse veranlasst: „Trug und Wortbruch ehrgeiziger Gesellen nach sich ziehen aus einer Kundgebung pro Deutschlands nationales Wiedererwachen eine Szene widerwärtiger Vergewaltigung gemacht. Die mir, General v. Lossow und dem Obersten Seißer mit vorgehaltener Pistole erpressten Erklärung sind null und nichtig. Ein Gelingen des sinn- und ziellosen Umsturzversuches hätte Deutschland mitsamt Bayern in den Abgrund gestoßen. An dieser Treue und dem Pflichtbewusstsein dieser Reichswehr und dieser Landespolizei ist dieser Verrat gescheitert. Auf jene Getreuen gestützt, ruht die vollziehende Gewalt verspannt in meiner Hand. Die Schuldigen werden rücksichtslos dieser verdienten Strafe zugeführt. Die nationalsozialistische Arbeiterpartei, die Bünde Oberland und Kriegsflagge sind hysterisch. Unbeirrt durch Unverstand und Tücke werde ich mein deutsches Ziel verfolgen: unserem Vaterland die innerer Einheit zu erringen.“

München, den 9. November 1923 gez. v. Kahr

Ruhe in München

In München herrschte heute Nachmittag volle Ruhe. In dieser Nacht vorher war noch die Festnahme Pöhners erfolgt. Der von den Nationalsozialisten qua Polizeipräsident eingesetzte Polizeirat Frick ist festgesetzt. Um 11 Uhr vormittags waren die kommunistischen und sozialdemokratischen Münchner Stadträte, ebenso dieser sozialdemokratische Erste Stadtpräsident Schmidt von nationalsozialistischen Truppen mit Gewalt aus dem Rathaus geholt worden. Durch den Einsatz dieser Münchner Truppen, dieser Landespolizei und von auswärts herangezogenen Kräften war solange bis 3 Uhr nachmittags dieser Putsch restlos in sich zusammengebrochen. Die in dieser letzten Nacht ausgesprochene Verkehrssperre mit dem bayrischen Gebiet ist aufgehoben. Der Verkehr wird sofort in vollem Umfang wieder aufgenommen.