Himmlisches Rendezvous von „Hera“ mit Mars und Deimos

Heute soll die europäische Raumsonde „Hera“ auf den roten Planeten treffen – und im Vorbeiflug wichtige Daten sammeln. Außerdem holt sie auf diese Weise Schwung, um spritsparend ihr eigentliches Ziel erreichen zu können.
Der Doppelasteroid Didymos ist das Ziel von „Heras“ Reise durchs All: Ein kleinerer Gesteinsbrocken kreist um einen größeren. Genau dort ereignete sich 2022 ein regelrechtes Spektakel: Die US-Raumsonde „Dart“ schlug auf dem kleineren der beiden ein und warf ihn durch diesen Aufprall ein wenig aus der Bahn. Wie viel „ein wenig“ ist, soll nun die europäische Sonde „Hera“ herausfinden, die im vergangenen Jahr hinterhergeschickt wurde. Sie wird die beiden Asteroiden Ende kommenden Jahres erreichen.
Aber da sich die Anreise zieht, muss die Sonde eine Art Zwischenstopp einlegen, der Planetenwissenschaftler in Entzücken versetzt: Am 12. März wird „Hera“ mittags in etwa 5000 Kilometer Entfernung am Mars vorbeifliegen. Durch dieses Manöver gewinnt Europas Weltraumsonde Schwung für die Weiterreise.
Solche Swing-by-Manöver fliegen die meisten Raumsonden immer mal wieder, und der Mars erhält sowieso ständig Besuch von der Erde. Trotzdem ist diese Begegnung besonders: „Hera“ wird dabei den rätselhaften Mars-Mond Deimos in nur 300 Kilometer Entfernung passieren. Und die Spezialkameras werden Aufnahmen machen, im sichtbaren Spektralbereich und im Infrarot-Bereich, um aus den Daten die Zusammensetzung der Mineralien zu ermitteln.
Über diesen Begleiter des Mars‘ ist nicht viel bekannt – nicht einmal, wie er erstanden und an diesen Ort gekommen ist. Dazu gibt es zwei Theorien, die erste geht davon aus, dass es sich bei Deimos ursprünglich um einen Asteroiden aus dem äußeren Sonnensystem. Dieser wurde von der Schwerkraft des Mars‘ auf eine Umlaufbahn gezwungen, als er auf seinem Flug durchs Sonnensystem in die Nähe des Planeten kam.
„Es ist allerdings nicht leicht zu erklären, wie genau so ein Asteroid eingefangen werden könnte“, gibt der Geophysiker Stephan Ulamec vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt zu Bedenken. „Auch die Existenz des größeren Mars-Mondes Phobos ist damit schwer zu erklären“, sagt Ulamec. Er war in die Vorbereitung und Planung der „Hera“-Mission involviert und gehört dem dafür zuständigen Science Management-Board der europäischen Weltraumbehörde Esa an.
Die Esa will die Bildübertragung am 13. März mit einem öffentlichen Webcast ab 11:50 Uhr begleiten. Das „Hera“-Team im Esa-Missionskontrollzentrum Esoc in Darmstadt wird dann die gewonnenen Bilder erläutern. Die Wissenschaftler werden dabei von Esa-Astronaut Alexander Gerst und dem Science-Fiction-Autor Andy Weir, „Der Marsianer“, sowie einem Überraschungsgast unterstützt.
Die zweite Theorie: Durch den Einschlag eines Asteroiden auf den Mars ist Gestein aus dem Planeten herausgeschlagen und ins Weltall geschleudert worden. Aus diesem Material haben sich die Monde Phobos und Deimos gebildet. „Es könnte sogar sein, dass es ursprünglich noch mehr Monde gegeben hat, die aber auf den Mars gestürzt sind“, sagt Ulamec. Unwahrscheinlich, dass „Hera“ dieses Rätsel im Vorbeiflug lösen wird. Dennoch warten die Wissenschaftler nun gespannt auf Bilder und Daten aus der Mars-Umlaufbahn.
Im Oktober und November 2024 hatte „Hera“ ihre Triebwerke mehrmals gezündet – von wenigen bis zu 100 Minuten –, um sich auf Kurs für Rendezvous zu bringen. Empfangsantennen der europäischen Weltraumagentur Esa in Spanien, Argentinien und Australien bestätigten danach den präzisen Anflugkurs der Sonde. „Wir haben Glück, dass der Mars zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist“, freut sich Pablo Muñoz vom Weltraumkontrollzentrum Esoc. Dadurch spare die Sonde Treibstoff und würde ihr endgültiges Ziel Monate früher erreichen als ohne den Schleudereffekt des Planeten Mars.
An Bord transportiert „Hera“ mehrere Spezialinstrumente durchs All. Darunter die 1,3 Kilogramm schwere „Asteroid Framing Camera“, AFC, die von Jena-Optronik in Deutschland entwickelt, hergestellt und getestet wurde. Die AFC soll aber nicht nur detaillierte Bilder der Oberfläche von Dimorphos für die wissenschaftlichen Analysen aufnehmen, einschließlich des Kraters, den der DART-Einschlag hinterlassen hat, sondern außerdem zur Steuerung, Navigation und Kontrolle der Raumsonde dienen.
Der Vorbeiflug an einem der beiden Mars-Monde ist nebenbei eine gute Vorbereitung für den Start der japanischen MMX-Mission. Diese Abkürzung steht für Martian Moons Exploration, für eine Erforschung der Mars-Monde also. Die MMX-Mission soll 2026 starten – und sich Phobos und Deimos näher vornehmen. Dabei ist auch geplant, den deutschen Rover „Idefix“ auf einem der Monde abzusetzen, genauer: ihn aus 50 bis 100 Metern Höhe abzuwerfen.
Aufgrund der geringen Gravitation der Mars-Monde dürfte sich „Idefix“ ein paar Mal überschlagen, aber irgendwann zur Ruhe kommen und sich selbstständig aufrichten. Und dann kann die erste Erkundungstour eines Rovers auf einem der Monde des Mars‘ beginnen. Maximal hundert Meter Entfernung soll das Fahrzeug während seiner dreimonatigen Lebenszeit zurücklegen. Wie hart und wie rau die Oberfläche des Mondes ist, ob sie aus massivem Gestein oder porösem Staub besteht – all das soll der Rover untersuchen.
Gut möglich, dass sich Geologen bis Anfang der 2030er-Jahre gedulden müssen. Dann soll die japanische Muttersonde mit den Proben des Mars-Mondes wieder auf der Erde eintreffen. Spätestens nach deren Analyse werden Wissenschaftler wohl wissen, woher Phobos und Deimos stammen.
Source: welt.de