Hermann Unterstöger: Der Geist des Streiflichts

Eine Bitte an die Genforscher dieser Welt: Da ist ein Mann im tiefen Bayern gestorben, den müsst ihr euch genauer anschauen. Das ist wichtig, denn dieser Mann, Hermann Unterstöger hieß er, hatte ein besonderes Gen, das eines Tages vielleicht die Welt retten könnte. Es muss in seinem Erbgut leicht zu entdecken sein, es muss viel größer sein als bei anderen Menschen.

Hermann Unterstöger, geboren 1943, hinterlässt ein gewaltiges Werk. Er hat bei der Süddeutschen Zeitung über Jahrzehnte rund 3.000 Streiflichter geschrieben, bis wenige Wochen vor seinem Tod. Das Streiflicht: die Rubrik links oben in der SZ. Der Geist, der von ihr ausging, prägt die Zeitung bis heute: Wir sind anders, wir nehmen den Ernst der Welt nicht nur ernst. Unterstöger prägte diese Philosophie wie kein anderer.

Er beherrschte die Waffe Humor auch im Leben. Ich war mit ihm mal in Moskau. Es war in den 1990er-Jahren, wilde Zeiten, wir sollten sie aufspüren. Unser Hotel war ein schickes, aber auch da passierte Merkwürdiges. Jeder von uns bekam Anrufe mitten in der Nacht: „Do you want a sex-massage?“ Unterstöger und ich. Für uns war klar: Wenn wir Ja sagen, enden wir als Leiche in der Moskwa. Aber was geschieht, wenn wir Nein sagen? Unterstöger malte die schauerlichsten Geschichten aus, die uns vernichten würden. Wir lachten uns, sorry, halb tot.

Der Tod dieses bockigen, lustigen, bescheidenen, tiefgründigen Mannes ist unendlich traurig. Nur eines lindert den Schmerz. Wenn die Forscher entschlüsseln, welches Gen diesen Humor produziert, kann es nur einen Namen tragen: das Unterstöger-Gen.