Haushaltsplanung: Sozialversicherung hinauf Pump

Die Bundesregierung nimmt in großem Umfang neue Schulden auf, um mehr für Verteidigung und Investitionen auszugeben. Das ist aber nicht alles: Sie plant auch neue Schulden in Milliardenhöhe für Sozialausgaben. Nur sollen diese später nicht aus Steuern beglichen werden, sondern aus Sozialbeiträgen. Denn das vom Bund aufgenommene Geld wird als Darlehen an die Sozialversicherungen weitergereicht. Diese sollen es in einigen Jahren an den Bund zurückzahlen, an Finanzminister Klingbeil (SPD) oder dessen Nachfolger.

Für 2025 sieht der nun vom Bundeskabinett beschlossene Haushaltsentwurf Darlehen von gut fünf Milliarden Euro an Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegeversicherung vor. Und 2026 sollen diese dann um eine ähnliche Größenordnung aufgestockt werden, wie die Etatplanung zeigt. Politisch dienen die Darlehen vor allem dazu, einen verschärften Anstieg der Sozialbeiträge für Arbeitgeber und Arbeitnehmer kurzfristig zu vermeiden. Sie betragen heute rund 42 Prozent des Bruttolohns. Da die Beitragskassen die Dar­lehen zurückzahlen müssen, verschiebt sich die Mehrbelastung aber vorerst nur.

Das größte Darlehen erhält in diesem Jahr die Bundesagentur für Arbeit, sie soll beim Bund 2,35 Milliarden Euro aufnehmen; ohne finanzielle Bundeshilfe müsste sofort ihr Beitragssatz erhöht werden, damit sie die stark gestiegenen Ausgaben für Arbeitslosengeld leisten kann. Ähnlich ist es in der gesetzlichen Krankenversicherung. Für sie sieht der Etatentwurf 2025 ein Darlehen von 2,3 Milliarden Euro vor, um Beitragserhöhungen zu dämpfen. Und für die Pflegekassen kommt ein Darlehen von zunächst 0,5 Milliarden Euro hinzu.

Das ist erst der Anfang

Das ist aber nur die erste Stufe. Denn 2026 sollen die Krankenkassen noch einmal 2,3 Milliarden Euro aufnehmen, und die Pflegekassen weitere 1,5 Milliarden Euro. Außerdem erwartet die Bundesagentur für Arbeit laut ihrer eigenen Kalkulation dann eine weitere Lücke von 3,8 Milliarden Euro im Jahr 2026. Allerdings weist die Finanzplanung des Bundes dafür noch keine zusätzliches Darlehen aus. Je nachdem, wie dies gelöst wird, stehen die Sozialkassen demnach Ende kommenden Jahres mit neun bis dreizehn Milliarden Euro beim Bund in der Kreide.

Für Finanzminister Klingbeil hat der Weg über die Darlehen den Vorteil, dass er Mehrausgaben für Soziales als „finanzielle Transaktion“ einstufen kann. Da den am Kapitalmarkt aufgenommenen Schulden eine Forderung des Bundes an die Sozialkassen gegenübersteht, greift die für Sozialausgaben eigentlich weiter gültige Schuldenbremse nicht. Wie die Sozialkassen die Darlehen später einmal zurückzahlen könnten, ohne die Beitragssätze hochzuschrauben, klärt der Etatentwurf nicht.

220 Milliarden Euro Sozialetat im Jahr 2029

Auch das Darlehen an die Arbeitsagentur trägt dazu bei, dass der Sozialetat von Bärbel Bas (SPD) kräftig wächst, von 180 Milliarden Euro im vergangenen Jahr auf fast 220 Milliarden Euro im Jahr 2029. Eine zweite Ursache kommt hinzu: Die von Uni­on und SPD geplanten zusätzlichen Rentenausgaben sollen über höhere Steuerzuschüsse an die Rentenkasse finanziert werden, um nicht auch noch damit die Beiträge hochzutreiben. Hier geht es um die nächste Erweiterung der Mütterrente und das Ausschalten des Nachhaltigkeitsfaktors in der Rentenformel, was die jährlichen Rentenerhöhungen steigert.

Etwas überraschend hat die Regierung indes technische Probleme der Rentenversicherung mit der Müt­terrente gleich einkalkuliert und spart damit einige Milliarden ein: Die Erhöhung der Mütterrente ist nun erst für 2028 geplant, wie es die Rentenkasse fordert. Der Finanzplan sieht dafür einen Zuschuss von jährlich fünf Milliarden Euro vor; er soll 2028 erstmals fließen. Für die verstärkten jährlichen Rentenerhöhungen ist von 2029 an ein weiterer Zuschuss vorgesehen. Er beträgt zunächst 3,7 Milliarden Euro und müsste später auf mehr als zehn Milliarden Euro steigen. Das bildet die Vorausschau aber noch nicht ab.

Wie sollen die Pflegekassen das zurückzahlen?

Da es sich hierbei um Zuschüsse handelt, muss die Rentenkasse nichts zurückzahlen. Umso mehr fragen sich aber Vertreter der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und der Sozialen Pflege­ver­sicherung (SPV), wie sie die neuen Dar­lehen von 6,6 Milliarden Euro jemals zurückzahlen sollen, obwohl ihre Ausgaben weiterhin deutlich stärker steigen als die Beitragseinnahmen. Zudem erinnern sie daran, dass die Pflegekassen ein schon 2022 gewährtes Bundesdarlehen eigentlich bis Ende dieses Jahres zurückzahlen sollten. Nun wird dessen Tilgung bis 2028 zurückgestellt, und die Pflegekassen nehmen neue Bundesdarlehen auf.

Auch Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) zeigt sich enttäuscht. Dieser Haushaltsentwurf könne „nicht das letzte Wort sein“, sagt sie und setzt auf bessere Lösungen in den parlamentarischen Beratungen zum Haushalt. Mit Klingbeil sei sie sich einig, dass man keine höheren Beitragssätze für Arbeitgeber und Arbeitnehmer wolle. „Mit den zugesagten Darlehen für die GKV und SPV wird das kaum gelingen“, betonte Warken ungewöhnlich klar. „Außerdem werden mit Darlehen die Probleme von GKV und SPV nur aufgeschoben, aber nicht aufgehoben.“

Die Gesundheitsministerin hatte gehofft, dass der Finanzminister für 2025 zusätzliche Mittel freigibt, um sogenannte versicherungsfremde Leistungen in den Bundeshaushalt zu übernehmen, die bisher die Beitragszahler stemmen müssen. Namentlich ging es um die Rückerstattung von einmalig rund fünf Milliarden Euro, welche die Pflegeversicherung in der Pandemie aufgebracht hatte, sowie um jährlich zehn Milliarden Euro für die Krankenkassen, um deren Kosten für die Bürgergeldempfänger auszugleichen. Beide Zuschüsse sind nicht erfolgt.

Der Etat des Gesundheitsministeriums wächst der Planung zufolge 2025 um 15,5 Prozent auf 19,3 Milliarden Euro. Für 2026 sehen die Eckwerte einen weiteren Aufwuchs um vier Prozent auf 20,1 Milliarden Euro vor. In den Folgejahren soll er dann wieder schrumpfen. Der Großteil dieses Etats ist stets fest verplant: Er besteht aus dem regulären jährlichen Bundeszuschuss an die GKV, der seit 2017 – mit Ausnahme der Corona-Jahre – ohne jede Inflationsanpassung 14,5 Milliarden Euro beträgt.